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Neue sensationelle AufnahmenErstmals Schwarzes Loch in unserer Galaxie fotografiert

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Professor Heino Falcke aus Frechen forschte an dem Projekt mit.

Vor drei Jahren wartete eine Gruppe international kooperierender Wissenschaftler mit einer Weltsensation auf: Erstmals war es gelungen, mit dem Event Horizon Telescope die Abbildung eines Schwarzen Loches herzustellen. Das Bild des supermassereichen Schwarzen Lochs im Zentrum der 55 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie Messier 87 – kurz M87 – war zugleich der erste sichtbare Beweis eines solchen. Die Idee zu dem Projekt stammte von dem in Frechen lebenden Radioastronom Heino Falcke, der zugleich einer seiner wissenschaftlichen Leiter ist. Auf mehreren, weltweit abgehaltenen Pressekonferenzen am 12. Mai hat das Team jetzt einen weiteren Durchbruch verkündet: Das erste Bild von Sagittarius A*, dem Schwarzen Loch im Zentrum der Milchstraße, unserer eigenen Galaxie. Wir sprachen mit Heino Falcke über die große Neuigkeit.

Herr Falcke, vor drei Jahren ist Ihnen zusammen mit einem weltweiten Team von Astrophysikern eine wissenschaftliche Sensation gelungen: Das erste Bild eines Schwarzen Lochs. Das gehört zur Galaxie M87 und ist 55 Millionen Lichtjahre von uns entfernt. Aber auch im Herzen unserer Milchstraße lauert ja ein Schwarzes Loch, Sagittarius A*. Und von dem konnten Sie jetzt ein Bild machen. Wie sieht es aus? Ähnelt es dem in M87?

Heino Falcke: Ja, und das ist zum einen eine große Überraschung und zum anderen eine große Erleichterung. Das Besondere an Schwarze Löchern ist, dass sie im Grund ihres Herzens unfasslich langweilig sind. Sie haben keine großen Eigenschaften und sind riesige Informationsvernichter. Beschrieben werden sie hauptsächlich durch ihre Masse und ihren Spin, also die Geschwindigkeit ihrer Rotation. Im Grunde sind Schwarze Löcher alle gleich, nur unterschiedlich groß. Alles, was ich wissen muss, ist die Masse eines Schwarzen Lochs – damit ist schon fast alles gesagt.

Wie groß ist das Schwarze Loch in der Mitte unserer Milchstraße?

Sagittarius A* ist 1500 Mal leichter und kleiner als das in M87. Wenn das so groß wäre wie der Kölner Dom, entspräche das Schwarze Loch der Milchstraße einem zehn Zentimeter hohen Modell vom Dom. Dieses zweite Bild ist gewissermaßen der Stresstest für unsere erste Vorhersage: Auf dem ersten Bild sehen Sie diesen Ring aus Licht, das im Kreis fliegt, im Zentrum sehen wir den dunklen Schatten des Event Horizon.

Der Ereignishorizont, die Grenze, an der unsere Physik zusammenbricht.

Wenn ich jetzt die Masse um den Faktor 1500 verkleinere, dann muss eben auch dieser Ring 1500 Mal kleiner sein und der Schatten auch. M87 ist eine riesengroße Galaxie mit Tausenden Milliarden von Sonnen, eine Supermacht. Unsere Milchstraße ist nur Durchschnitt, eine Galaxie wie du und ich. Die Masse dieses supermassiven kompakten Objekts im Zentrum unserer Milchstraße ist bereits sehr genau vermessen, die kennen wir auf Bruchteile im Prozent – dafür hat mein Kollege Reinhard Genzel vor zwei Jahren den Physiknobelpreis bekommen. Jetzt schauen wir diesem dunklen Objekt in den Rachen und wissen: Sagittarius A* verhält sich exakt so, wie vorhergesagt. Auch hier sehen wir das Dunkel des Ereignishorizonts. Damit bestätigen wir auch noch einmal unsere Entdeckung von vor drei Jahren.

Die Daten für Sagittarius A* waren schon da

Das Schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße zu fotografieren, war auch Ihr ursprüngliches Ziel gewesen. Was ist in den vergangenen drei Jahren passiert, dass es jetzt endlich geklappt hat?

In meinem Buch „Licht im Dunkeln“ beschreibe ich den Moment, in dem ich zum ersten Mal die Daten von M87 gesehen habe. Was ich ausgelassen habe, wenn ich ganz ehrlich bin, ist die Tatsache, dass ich damals schon die Daten beider Objekte gesehen hatte.

Also auch die von Sagittarius A*?

Ja, mein Herz hüpfte vor Freude, weil ich damals schon wusste: Wir haben zwei fundamentale Entdeckungen in der Tasche. M87 erschien in den Daten nur sehr viel klarer als das andere. Deshalb haben wir uns entschieden, uns zuerst auf M87 zu stürzen. Sagittarius A* ist schwieriger zu erfassen, weil es viel kleiner ist. Die Materie dreht sich um ein Schwarzes Loch wie ein Karussell. Bei M87 dauert diese Umdrehung zwölf Tage, bei Sagittarius A* nur zwölf Minuten – dabei müssen wir stundenlang „belichten“.

Das war nochmal eine Schwierigkeitsstufe mehr. Wir haben die letzten zwei Jahre nach der Publikation damit verbracht, den Einfluss der Rotation auf die Sichtbarkeit zu quantifizieren und zu qualifizieren, um zu verstehen, ob er uns in die Irre führen kann. Bei M87 hatten wir Bilder aus vier verschiedenen Nächten. Egal, wie wir die Daten reduziert haben, die sahen immer gleich aus. Wenn wir jetzt die Daten von Sagittarius A* reduzieren, finden wir zwar immer diesen Ring aus Licht, diesen Donut, aber er ist mal da und dann wieder dort ein bisschen heller. Es ist zu schnell für uns, dieses Schwarze Loch.

Warum das Weltall nicht aussieht wie in „Star Trek“

Die Milchstraße besteht aus Hunderten von Milliarden von Sternen. Wie kann man da ein Schwarzes Loch in ihrer Mitte finden, messen und abbilden?

Das geht, weil das Weltall eigentlich leer ist. Das ist bei „Star Trek“ falsch dargestellt, wenn da links und rechts die Sterne vorbeifliegen. Wenn ich scharf genug gucke, dann ist im Weltall weit und breit kein Stern zu sehen. Und vor allem strahlen die auch nicht so hell im Radiobereich. Es gibt nur eine Handvoll von Objekten in der Milchstraße, die so viel Radiostrahlung in so kleinem Raum produzieren – und alles sind Schwarze Löcher. Die sind also relativ einfach herauszupicken – wenn man das weiß.

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Links das Schwarze Loch im Zentrum der Galaxie Messier 87, rechts das jetzt veröffentlichte erste Bild von Sagittarius A*, dem Schwarzen Loch im Zentrum der Milchstraße. 

Was findet man denn über Schwarze Löcher heraus, indem man sie fotografiert, was man nicht auch anders hätte herausfinden können?

Zum einen konnten wir durch den Vergleich der beiden Objekte bestätigen, dass allein die Masse zählt. Das ist eine der Grundvorhersagen der Relativitätstheorie. Es gibt noch ein paar andere Parameter: Wenn Schwarze Löcher rotieren, muss es ja auch eine Achse geben, um die sie sich drehen. Bei M87 war diese Achse auf uns gerichtet. Und Sagittarius A* zeigt laut unserer Modelle auch in unsere Richtung. Wir befinden uns weit draußen, am Rand der Milchstraße. Man würde erwarten, dass das Schwarze Loch nach oben zeigt, also von uns weg. Aber es zeigt ungefähr in unseren Quadranten, wie der Finger Gottes. Ich habe mich immer dagegen gesträubt, das in den Modellen zu verlangen. Warum sollte denn ausgerechnet unser Schwarzes Loch auf uns ausgerichtet sein? Aber die Hinweise verdichten sich, dass dem so ist.

Nur ein Zufall?

Ja, eine Ironie des Schicksals. Es sind viele Zufälle, die es möglich machen, dass wir das gerade beobachten können. Natürlich zeigen die beiden Schwarzen Löcher, die wir jetzt abgebildet haben, nicht ganz genau auf uns, aber sie bewegen sich schon sehr deutlich in unsere Richtung. In 200 Millionen Jahren sind wir allerdings schon wieder ganz woanders.

Ein gefräßiges Monster auf Fastenkur

Wie gefräßig ist denn Sagittarius A*?

Unser Schwarzes Loch ist ein gefräßiges Monster auf Fastenkur. Es ist nicht nur viel kleiner als M87, es frisst auch viel weniger, ungefähr einen ganzen Mond alle paar Jahre, könnte man sagen. Das ist sehr genügsam, am unteren Ende dessen, was ein Schwarzes Loch in gleicher Lage verzehrt. Vor einigen Jahren herrschte mal große Aufregung unter Astrophysikern, weil eine Sternenwolke um Sagittarius A* herum fliegen sollte. Die große Frage war, würde sie dabei zerrissen werden, würde sie dann in das Schwarze Loch hineinfallen? Wir hatten uns schon auf ein großes Feuerwerk eingerichtet, aber es ist nur irgendwie verpufft. Doch so ein Schwarzes Loch köchelt immer vor sich hin, wie ein Milchtopf, da kann es jederzeit zu einem Ausbruch kommen.

Zur Person

Der Radioastronom Heino Falcke (55) wurde in Köln geboren und wuchs in Frechen auf, wo der Vater von drei Kindern bis heute wohnt. Seit 2007 ist er Professor an der Radboud-Universität Nijmegen. Bereits in den 90er Jahren entwickelte Falcke ein Konzept dafür, wie man ein Schwarzes Loch fotografieren kann. Am 10. April 2019 war es dann soweit: Als Vorsitzender des Wissenschaftsrates des Konsortiums Event Horizon Telescope konnte er in Brüssel das erste Bild von einem Schwarzen Loch präsentieren.

Am 12. Mai 2022 ist dem internationalen Team die nächste Sensation gelungen: Auch Sagittarius A*, dem Schwarzen Loch im Zentrum unserer Milchstraße, konnte es fotografieren. Als Prädikant der Evangelischen Kirche im Rheinland hält Falcke auch Gottesdienste.

Wovon hängt das ab?

Davon, was da reinfällt. Wenn das ein großer Brocken ist, könnte es um das Schwarze Loch eine Million Mal heller werden. Dann käme auf jeden Fall Gamma- und Röntgenstrahlung auf uns zu. Und Sterne in der Nähe würden gegrillt werden, das wäre schon sehr unangenehm.

Aber die Erde ist außerhalb der Gefahrenzone?

Das müsste ich mal genau ausrechnen. Aber ja: Wir sind wohl zu weit weg.

Was ist nach der Weltsensation vor drei Jahren in ihrem Bereich passiert? Haben sich die Forschungsbedingungen für Sie verbessert?

Die Aufmerksamkeit war ja schon riesig. Ich kann mich immer noch nicht vor Anfragen retten. Und man schnuppert auch in ganz andere Welten hinein. Ein Highlight waren für mich Gespräche mit Navid Kermani und ein Auftritt bei seiner Buchpräsentation. Da haben wir auch viele Gemeinsamkeiten beim Thema Wissenschaft und Glaube gefunden. Doch die Forschungsbedingungen sind echt nicht leichter geworden. Ich arbeite ja in Holland. Gerade erst ist uns ein großer Antrag für Forschungsgelder zum vierten Mal abgelehnt worden. Zum Glück unterstützt mich meine Universität sehr stark. Die hat mir zwölf Millionen Euro für die nächsten zehn Jahre zur Verfügung gestellt. Ich kann also meine Forschung beruhigt weitermachen. Und durch die europäische Förderung konnten wir ein Netzwerk aufbauen. Zum Beispiel sind in Italien und vor allem in Spanien sehr aktive Forschungsgruppen entstanden. Wir haben jetzt drei neue Teleskope, in Grönland, Arizona und Frankreich. Vor Ostern konnten wir M87 mit zehn Teleskopen gleichzeitig beobachten. Da erwarten wir noch einmal richtig tolle Bilder. Für Sagittarius A* baue ich das Teleskop in Namibia, dafür ist die Finanzierung von der Uni Nimwegen vor allem gedacht.

Hat der Bau denn schon begonnen?

Nein, wir warten noch auf weitere Gelder.

Tor zur Hölle oder Portal in neue Universen?

Hilft Ihnen das neue James-Webb-Weltraumteleskop, das gerade 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt seine Arbeit aufgenommen hat?

Das hat eine andere Aufgabe, das guckt sich das Universum im Großen und Ganzen an. Da habe ich jetzt die ersten Bilder gesehen: Jede Aufnahme wimmelt von Galaxien. Das ist schon beeindruckend. Aber es sieht nicht das dunkle Herz der Galaxien. Was wir bauen, ist mindestens um den Faktor Tausend schärfer. Aber Schwarze Löcher strahlen ja in allen Wellenlängen, also auch in allen Farben. Wenn jetzt ein Masseklumpen reinfällt, geht auch die Strahlung hoch. Den Vorgang kann man besser verstehen, wenn man sich alle Farben anguckt und hier kann das James-Webb helfen, weil es eine andere Wellenlänge untersucht.

Als wir vor drei Jahren über die erste Fotografie eines Schwarzen Lochs sprachen, nannten sie das ein „Tor zur Hölle“: Wenn der Urknall der Moment der Schöpfung ist, führt der Weg über den Ereignishorizont zur ewigen Verdammnis. Der theoretische Physiker Nikodem Popławski hat die irre Hypothese aufgestellt, dass Schwarze Löcher Portale in andere Universen seien. Halten Sie das für wahrscheinlich?

Sagen wir es mal so: Da wachsen viele Blüten in der theoretischen Physik. Aber welche dieser Blüten irgendwann zu einem schönen, großen Baum wird, der uns trägt – das festzustellen, ist die Aufgabe der Experimentatoren, der Beobachter. Da sind mir die Hinweise noch zu dünn, um zu spekulieren. Es scheint mir auch eher unwahrscheinlich. Da ist eine Menge Wishful Thinking mit im Spiel.

Es geht ja immer darum, das Paradox der Singularität – die Masse ist so dicht, die Gravitation so stark, dass sie die Raumzeit ins Unendliche krümmt – möglichst elegant aufzulösen.

Vielleicht werden wird das irgendwann auflösen, vielleicht nicht. Aber das ist eine Physik, die wir nicht beobachten können. Die entscheidende Frage ist: Was passiert, wenn Schwarze Löcher wirklich irgendwann verdampfen? Wie genau löst sich das auf und was bleibt dann übrig?

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Was sind die nächsten Ziele? Fotografieren Sie jetzt ein Schwarzes Loch nach dem anderen?

Nein, diese zwei waren unsere einzigen Hoffnungen fürs erste. Sonst können wir vom Boden aus keinem weiteren Schwarzen Loch so nahe zu kommen. Wir freuen uns darüber, dass es bei beiden geklappt hat – und das gleich beim ersten Mal. Jetzt werden wir mehrere Aufnahmen kombinieren, um ein noch etwas schärferes Bild zu bekommen, auch die Astrophysik wird noch genauer werden. Wir wollen auch noch ein Schwarzes Loch filmen, aber das wird noch dauern. Wir haben jetzt ein Laboratorium, in dem wir in das Herz von Galaxien gucken können, dort wo die Energie produziert wird. Wenn sie zehn Eimer Wasser in ein Schwarzes Loch gießen, können sie damit ganz Nordrhein-Westfalen mit Energie versorgen. Wir lernen jetzt, wie das funktioniert, haben hier zum ersten Mal Daten, die wir mit den Modellen vergleichen können. Die Arbeit fängt jetzt erst richtig an. Schwarze Löcher werden zum Alltag werden.

Das klingt beinahe, als könnte man Schwarze Löcher zur Energiegewinnung anzapfen.

Das gibt es nur in der Science-Fiction. Aber tatsächlich zapft jeder von uns den Kosmos an, wenn er Photovoltaik auf seinem Dach installiert. Das ist ja Kernfusionsenergie aus unserer Sonne. Die Energie, die Schwarze Löcher erzeugen, spielt auf einer Skala, die wir noch nicht beherrschen können. Aber ich kann mir vorstellen, dass es in den nächsten 100 bis 1000 Jahren eine verrückte Idee geben wird, wie wir diese Energie nutzen können.