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Leserbriefe zur EMTrotz Niederlage stimmt die Nationalelf optimistisch

Lesezeit 8 Minuten
Die deutsche Nationalmannschaft posiert in zwei Reihen auf dem Spielfeld: Manuel Neuer, Toni Kroos, Antonio Rüdiger, Emre Can, Kai Havertz, Jonathan Tah, David Raum, Joshua Kimmich, Jamal Musiala, Ilkay Gündogan und Leroy Sané. Im Hintergrund sind voll besetzte Stadionränge zu sehen.

Die deutsche Nationalmannschaft vor dem EM-Viertelfinale gegen Spanien

Leser äußern sich zum EM-Video-Schiedsrichterassistenten, zu Julian Nagelsmann, TV-Kommentatoren und mangelnder EM-Begeisterung.

Die Tragödie von Stuttgart – Die deutsche Fußball-Nationalelf unterliegt Spanien nach Verlängerung 1:2 und scheidet aus der Heim-EM aus (6.7.)

EM-Viertelfinale: Gesprächsbedarf über „Handspiel“

Ein Drama mit 60 Minuten Anlaufzeit und einer ebenso langen stetigen Eskalation bis zum Finale Furioso endet mit dem Ausscheiden der deutschen Nationalmannschaft. Kühle Effizienz der Spanier besiegt die heißen Emotionen der Deutschen, eine „bildliche“ Tragödie. Ob nun der Sieg verdient ist oder nicht, ist müßig zu diskutieren. Er ist amtlich und wird nicht zurückgenommen werden. Es gibt kein zweites Sommermärchen.

Es gibt jedoch weiteren Gesprächsbedarf über den Begriff„Handspiel“, denn so wie bisher darf es nicht weitergehen. Mein Vorschlag: Jedes Handspiel ist zwingend vom VAR (Video Assistant Referee, deutsch: Video-Schiedsrichterassistent) zu prüfen, und zwar im Gesamtkontext der Situation. Dass der Schiedsrichter sich die Spielsituation nicht selbst angeschaut hat, ist ein zweiter Kritikpunkt. Auch hier sollte das Regelwerk dahingehend modifiziert werden, dass sich der Schiedsrichter solche Szenen zwingend anschauen muss.

Es wäre sogar zu überlegen, ob wie beim Hockey jede Mannschaft die Möglichkeit erhält, zusätzlich zu den obligatorischen Videobeweisen bei Toren, potenziellen Elfmetern und roten Karte, sie anzufordern, wenn es sie zunächst nicht gibt. In diesen Fällen bildet der VAR dann die übergeordnete Instanz und nicht der Platzschiedsrichter. Bei Fehleinschätzung einer Partei erlischt deren Recht für eine Halbzeit. Selbst wenn diese Regelung das Spiel verlängert, macht es die Sache gerechter.

Fußball ist ein Sport mit einem Milliardenumsatz, besitzt jedoch ein Regelwerk mit Grauzonen, welche die regulatorischen Möglichkeiten teilweise noch nicht optimal ausschöpfen. Schon kleine Fehler kosten heute sehr viel Geld, deshalb müssen diese vermieden werden. Als Quintessenz bleibt: Spanische Effizienz und mangelnde englische Regelkunde schlagen Deutschland – einer dieser beiden Punkte allein hätte, zumindest in der regulären Spielzeit, nicht gereicht. Rainer Sonnemann Köln

EM-Viertelfinale: Niederlage mit Beigeschmack

Glückwunsch Spanien zum Weiterkommen! Riesigen Applaus für Deutschland für die gezeigten Leistungen! Leider ist diese Niederlage nicht ohne Beigeschmack. Der Video-Schiedsrichterassistent (VAR) hat seine Vorteile. Aber es scheint so, dass es keine einheitlichen Vorgaben gibt, wie gleiche Situationen gewertet werden. Bei der im Spiel Deutschland gegen Spanien infrage stehenden Situation hat der spanische Spieler seine Körperfläche eindeutig vergrößert. Es hätte Elfmeter geben müssen.

Für mich als ehemaliger Fußballer macht es keinen Sinn, eine Abseitsposition an Millimetern festzumachen, auch wenn das technisch möglich ist. Der VAR sollte eingreifen, wenn es entgegen der Schiedsrichterentscheidung etwa keine Ecke oder kein Abseits war. Technik einzusetzen ist gut, nur sollten dort gleiche Regeln gelten. Jürgen Pfromm Wesseling

EM-Viertelfinale: Kritik an Nagelmanns Mannschaftsaufstellung

Nachdem die Tränen getrocknet sind und der Auftritt unserer Nationalmannschaft völlig zu Recht in den höchsten Tönen gelobt wurde, sind dennoch Turnierstrategie und die Mannschaftsaufstellung gegen Spanien kritisch zu hinterfragen. Zum einen ist nicht nachvollziehbar, warum im Spiel gegen die Schweiz mit aller Macht Ausgleich und Gruppensieg angestrebt wurden, obwohl beim Blick auf das Tableau jedem klar sein musste, dass damit ein Aufeinandertreffen mit den bis dahin überragenden Spaniern bereits im Viertelfinale verbunden war. Zum anderen bleibt rätselhaft, weswegen das Trainerteam in der Startaufstellung dem Nachrücker Emre Can und dem in einer Formkrise befindlichen Leroy Sané den Vorzug vor Robert Andrich und Florian Wirtz gab. Dr. Hans Jürgen Statz Köln

EM: Danke, Julian Nagelsmann!

Danke, Julian Nagelsmann, für diesen beeindruckenden Auftritt. Nach vielen sinnentleerten Fußballer-Sprüchen – von der guten „Performance“ bis hin zur „brutalen Qualität“ des Gegners – waren seine Worte wohltuend und klug. Nachdem die Sportverbände unisono seit vielen Jahrzehnten das Märchen vom „unpolitischen Sport“ erzählen, ist es diesem noch sehr jungen Bundestrainer in bemerkenswerter Weise gelungen, die unverdiente Niederlage gegen Spanien nicht nur sportlich, sondern auch gesellschaftspolitisch richtig einzuordnen.

Ja, Fußball ist nur ein Spiel, aber Fußball und der Sport insgesamt sind ein Spiegel der gesellschaftlichen Verhältnisse. Eine Binsenweisheit. Hier wie dort geht es nicht ohne Leistungsbereitschaft, Disziplin, Fairness, vor allem aber auch um Zusammenhalt und die Überzeugung, Ziele gemeinsam trotz Rückschlägen erreichen zu können. Im Sport wie auch in der Geschichte unseres Landes gibt es viele Beispiele dafür.

Es bleibt zu hoffen, dass der emotionale Appell von Julian Nagelsmann nicht folgenlos verhallen wird, sondern ein Weckruf für mehr Engagement, mehr Gemeinsamkeit und auch Optimismus wird. „Ich, ich, ich“ sollte durch ein „Wir gemeinsam“ ersetzt, das ewige Genöle und die Schwarzmalerei aufhören. In unserem Land gibt es Probleme, die es zu lösen gilt. Aber auch viel, das gut funktioniert, wie man bei Reisen in andere Länder feststellen kann. Wenn dieser Mentalitätswechsel gelingt, dann hätte die schmerzliche Niederlage gegen Spanien sogar einen tieferen Sinn. Klaus Hebborn Köln

EM-Viertelfinale: Zweifel an Besetzung der deutschen Startelf

Die Hauptursache für das Ausscheiden der deutschen Nationalelf in der EM sehe bei der fraglichen Startelf-Formation im Viertelfinale. Bei seiner Amtsübernahme antwortete der Bundestrainer auf die Frage nach der Kadernominierung für die EM, dass für ihn der Leistungsgedanke an erster Stelle steht. Aber warum ist er bei der Besetzung der Startelf zum Viertelfinale von dieser Maxime abgewichen und hat Sané von Beginn an auf den Rasen geschickt, gleichzeitig Florian Wirtz auf der Bank gelassen?

Ich vermag mich nicht zu erinnern, dass Sané bei seinen Einsätzen davor bei irgendeiner Aktion seine Nominierung für die Startformation gerechtfertigt hätte. Keiner der Verantwortlichen der spanischen Mannschaft wäre auf die Idee gekommen, Yamal oder Williams auf der Bank zu belassen, zumal vor dem Spiel in allen Medien zu lesen war, wer denn nun die besseren beiden Jungstars im Team hat. Aber unser Bundestrainer konnte es sich vermeintlich leisten, einen dieser Jungstars zu Spielbeginn nicht auflaufen zu lassen.

Ebenso bleibt es für mich ein Rätsel, weshalb Füllkrug nicht die Chance erhielt, von Beginn an im Viertelfinale sein Können zu beweisen, da er davor bei seinen Kurzeinsätzen doch schon zweimal getroffen hatte. Havertz ist dagegen in vier Spielen bis zum Viertelfinale kein Treffer aus dem Spiel heraus gelungen. Die Benotungen nach dem Spanien-Spiel im „Kölner Stadt-Anzeiger“ lauteten: Wirtz 1, Füllkrug 2 und Sané 5. Dies untermauert noch einmal meine Kritik. Somit trägt Julian Nagelsmann eine nicht unerhebliche Mitschuld an unserem Ausscheiden. Arnold Ernst Nörvenich

EM-Kommentatoren: Zu viel Gerede

Die ausufernden Vorberichte bei Länderspielen oder aktuell bei der Fußball-EM kann man glücklicherweise umgehen, indem man das TV-Gerät erst zum Spielbeginn anschaltet. Dann jedoch ist man neben der Berichterstattung eines Kommentators den „fachlichen Analysen“ sogenannter Experten ausgeliefert, die mir wahlweise entweder die tieferen Geheimnisse der Spielsysteme erklären, sodass ich mich in einem Trainerseminar wähne oder aber mir genau das nochmals beschreiben, was ich gerade gesehen habe, wie Benedikt Höwedes.

Und dann noch die Co-Kommentatoren, die meinen, es sei bedeutsam, den Zuschauern zu sagen, was ihnen als Fachmann oder Fachfrau da gerade gefällt oder eben nicht gefällt, was besser zu machen ist usw. Es gab Zeiten, da wurde Fußball von einem Kommentator übertragen, da wurden Emotionen vermittelt, statt verkopftes Besserwissertum zur Schau zu stellen und es gab Pausen (!) in der Berichterstattung, weil der Kommentator einfach mal nichts sagte, sondern das Spiel laufen und die Stadionatmosphäre auf den Zuschauer wirken ließ. Lang, lang ist’s her! Wilfried Vonderbank Neunkirchen-Seelscheid

Die TV-Sportmoderatorin Esther Sedlaczek steht neben Bastian Schweinsteiger, Ex-Fußballer und TV-Experte.Beide halten Mikrofone des WDR in ihrer rechten Hand. Die Beiden stehen vor einem gelben Hintergrund, vor dem unscharf eine Deutschland-Fahne zu erkennen ist.

TV-Moderatorin Esther Sedlaczek und Fußball-Experte Bastian Schweinsteiger

EM im TV: Sehnsucht nach schlichter Stadionatmosphäre

Mittlerweile haben wir ja viele Spiele der Fußball-Europameisterschaft im TV anschauen können. Mein Fazit: Wenn man, so wie ich, auf die öffentlich-rechtlichen Sender angewiesen ist, kommt man an den endlosen Dialogen zwischen den zahlreichen Moderatoren, Moderatorinnen, Experten und Expertinnen nicht vorbei. Wen aber interessieren Dreier-, Vierer- und sonstige Ketten, wenn gerade das Spiel hin und her wogt? Anekdötchen über Spieler, Trainer und irgendwelches Randpersonal während einer atemberaubenden Spielsituation?

Das sprechende Begleitpersonal hört sich meist selbst gern reden und gönnt sich keine Atempausen. Man bekommt sekündlich das souffliert, was man doch eigentlich auf dem Bildschirm sowieso gerade sieht. Als älterer fußballbegeisterter Zuschauer habe ich inzwischen einiges an Fußballspielen erlebt und bin auf das Dampfgeplauder der „allwissenden“ TV-Begleiter nicht mehr angewiesen.

Ich schaue mir danach zwar gern die Studio-Analyse an, aber während des laufenden Spiels habe ich dafür nicht auch noch ein Ohr. Mein Vorschlag: Bitte auch bei den öffentlich-rechtlichen Sendern wie bei Amazon Prime eine „Stadionatmosphäre“ anbieten! Dann kann man selber wählen, ob man ein Spiel mit oder ohne taktische Tiefenanalyse verfolgen möchte. Franz Martin Willizil Bornheim

Zu wenig Begeisterung für die EM?

Am Montagabend, den 1. Juli, fuhr ich um 20 Uhr mit meinem Rad nach Hause. Über die Widdersdorfer, Oskar-Jäger-, Aachener, Richard-Wagner-, Pilgrim-, Hahnenstraße, Neumarkt, Cäcilen-, Pippinstraße, Deutzer Brücke, Siegburger Straße, Drehbrücke, Alfred-Schütte-Allee, Weidenweg und Porzer Rathaus bis nach Zündorf. Dafür brauche ich eine gute Stunde, teilweise begleitet von Tausenden Autos. Ich fuhr glücklich und beseelt: Wir sind im Viertelfinale. Wow! Das erste Mal nach zehn Jahren! Und wie viele Deutschland-Fahnen habe ich an Autos gesehen? Keine. Nada. Niente. Nothing.

Die einzige Deutschland-Fahne, die ich sah, flatterte mir von meinem Lenker entgegen. In Zündorf habe ich dann drei gezählt – Dank an meine Nachbarn! Was ist bloß mit diesem Land passiert? Vor dem Viertelfinale 2006 gegen Argentinien hatte man das Gefühl, man könne die Autos zählen, die keine (!) Fahne am Fahrzeug hatten. Deutschland war ein Meer von Schwarz-Rot-Gold. Und jetzt so was. Wenn mich einer sieht, kann er, sie oder es ja mal winken. Dann bin ich nicht so allein. Bernd Kleinrahm Köln