Ein im Auftrag der Stadt erstelltes Gutachten empfiehlt die Umbenennung der Kölner Mohrenstraße. Leser äußern sich kritisch zu dessen Relevanz.
Leserbriefe zur Mohrenstraße:„Haben wir keine anderen Sorgen?“
Straßennamen-Diskussion: Kölner wünschen andere Prioritäten der Stadtpolitik
Es stimmt fassungslos, dass in einer Stadt, in der so viele Dinge im öffentlichen Raum, bei Politik und Verwaltung in desolatem Zustand sind, so viel Aufmerksamkeit der Umbenennung einer lange existierenden Straße gewidmet wird. Haben wir nichts Wichtigeres zu tun? Es muss doch reichen, allen Unkundigen zu erläutern, dass die Bezeichnung der Straße nichts mit Kolonialismus zu tun hat, sondern, gleichsam umgekehrt, ein dunkelhäutiger Vertreter aus Nordafrika die Christianisierung Germaniens genau hier auf unserem Territorium vorangetrieben hat und dabei sogar als Märtyrer zu Tode gekommen ist.
Seine Gebeine werden als Reliquien in der an dieser Straße gelegenen Basilika Sankt Gereon verehrt. Mit Furor wird ein Straßenname verteufelt, weil eine vermutlich kleine Minderheit zwanghaft etwas Anstößiges da hineininterpretieren will. Das nervt extrem. Ich bin überzeugt, dass dieses Ansinnen der Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung weit mehr schadet als nutzt. Die Bürger Kölns wünschen sich andere Prioritäten der Stadtpolitik. Christian Müller Köln
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Koloniales Erbe Kölns: Differenzierte statt pauschale Lösungen
Ich bin befangen, weil ich nun mal heiße, wie ich heiße, und auch keinen anderen Namen annehmen möchte. Namen, ob von Personen oder Straßen, haben immer mit der Geschichte der Orte und Menschen zu tun. In Deutschland haben wir in der Vergangenheit schon viel zu oft Straßen benannt nach Menschen, die sich dieser Würdigung als völlig unwürdig erwiesen haben. Anders bei der Mohrenstraße: Hier wird jemand gewürdigt, der später heiliggesprochen wurde.
Diese Würdigung zeigt, dass Zusammenleben in einem Vielvölkerstaat einst möglich war und Menschen aller Hautfarben und Ethnien hochrangige Posten in Militär und Verwaltung erlangen konnten. Und sie zeigt, wie später mit dem Andenken an eine Person wie Gregorius Maurus umgegangen wurde.
Ich wünsche mir, dass der Straßenname erhalten bleibt, und in Gedenktafeln ausführlich zu Gregorius und der Problematik der Benennung sowie zu Rassismus in unserer Gesellschaft informiert und Stellung bezogen wird. Davon haben wir alle mehr als von einem neuen, möglichst korrekten Straßennamen, an dem sich keiner stört. Stephan Mohr Rösrath
Historische Straßennamen in Köln: Mehrheitsentscheid suchen
Da der Name Mohrenstraße nachweislich auf den katholischen Heiligen Maurus zurückgeht, sollte es in einer Demokratie kein Problem sein, den Namen beizubehalten. Wie die Diskussion aber zeigt, gilt der katholische Heilige überhaupt nichts mehr. Wen sollen wir statt eines Überbringers der römischen Kultur nach Köln einsetzen? Warum sollen wir ihn überhaupt ersetzen? Statt einen Gefährten des Heiligen Gereon zu würdigen, der, aus Nordafrika kommend, römische Kultur und römisches Recht und Gesetz nach Köln gebracht hat, einen Vertreter einer anderen Glaubensrichtung einsetzen?
Nun gut, da Köln keine anderen Probleme hat, kann man sich ja damit beschäftigen. In einer anderen Stadt sollen Eigennamen, die mit dem berühmten „M“ beginnen, geändert werden und sogar ein Gebäck wurde umbenannt. Die Deutschen kennen kein Maß mehr und beschäftigen sich teils mit sehr unwichtigen Dingen, sie haben davon schon Haltungsschäden – besonders im Rücken! Helga Eickmann Köln
Historische Straßennamen: Auslöschung ist keine Lösung
Getreu dem Motto: „Es kann nicht sein, was nicht sein darf“ wird von Menschen, die sich moralisch überlegen fühlen, „Mohr“ kurzerhand zum rassistischem „M-Wort“ deklariert, ohne die Fakten zu prüfen und zu bewerten. Doch die Fakten sprechen für sich: der Straßenname ist weder rassistischen Ursprungs noch hat er eine rassistische Bedeutung. Dieses engstirnige Denken ist leider kein Einzelfall.
Man denke nur an die in Verruf geratene Bezeichnung „Mohren-Apotheke“. Auch hier wurde überzeugend dargelegt, dass es sich keineswegs um eine Namensgebung mit rassistischem Hintergrund handelt. Trotzdem werden die Apotheker drangsaliert und entsprechende Schriftzüge auf Fassaden beschädigt oder zerstört. Die an solchem Treiben Beteiligten sind weit davon entfernt, offen für den Austausch sachlicher Argumente zu sein.
Ich halte es generell für einen Irrweg, Meinungen, Namen, Denkmäler und ähnliches aus dem öffentlichen Leben und Raum zu eliminieren, wenn sie nicht ins Weltbild einzelner Gruppen passen. Natürlich gibt es eindeutig grenzüberschreitende Fälle, die ein Umdenken und Handeln unausweichlich machen.
Und es gibt eine unüberschaubare Vielzahl von Konstellationen, die nicht einfach mit dem Betätigen einer Reset-Taste ausgelöscht werden können. Denn am Ende des „Cancelns“ steht eine große „Null“ – wie jeder weiß, der eine Computertastatur zu bedienen hat. Wollen wir die große „Null“ oder wollen wir uns dem Leben stellen und kenntnisreich und ergebnisoffen um die besten Lösungen ringen? Christoph Menger-Skowronek Köln
Koloniales Erbe Kölns: Diskussion zu unpassender Zeit
Hat Frau Bechhaus-Gerst, Afrikanistik-Professorin und Mitglied der Arbeitsgruppe „Umgang mit dem (post)kolonialen Erbe Kölns“ im Amt für Integration und Vielfalt der Stadt, eigentlich keine anderen Sorgen? In Zeiten von zahlreichen Kriegen auf der Welt kann es doch nicht sein, dass man Gelder für Gutachten über einen Straßennamen ausgibt! Ich kann nur mit dem Kopf schütteln bei dem Gedanken, was für unsinnige Arbeitsgruppen gebildet werden, die kein Mensch braucht. Vielleicht sollten diese überflüssigen Arbeitsstunden in sinnvolle Tätigkeiten investiert werden. Für mich bleibt die Mohrenstraße die Mohrenstraße. Susanne Hahn Köln
Kölner Straßennamen-Gutachten: Anmaßend und destruktiv
Haben wir in Zeiten von Massakern, Kriegen, Umweltkatastrophen, Preisexplosionen und Corona-Pandemie nichts Wichtigeres zu tun, als das Wort „Mohr“ zu schmähen – zumal Martin Luther King und viele andere Philosophen das Wort „Negro“ in ihren Schriften ebenfalls verwandten? Wo fangen wir an und wo hören wir auf? Zerstören wir alle Denkmäler unserer Kaiser, weil wir Kolonien und Sklaven hatten? Sind es nicht gerade diese Monumente, die die Vergangenheit in die heutige Zeit retten?
Sei es, um uns wachzurütteln oder um die künstlerische Sichtweise und die kulturelle Qualität der damaligen Epoche widerzuspiegeln? Wer maßt sich an, diese Überlieferungen unserer Vorfahren zu zerstören oder zu verändern? Sind unsere Kulturräte und Historiker dazu befähigt, dieselben Entscheidungen zu treffen, wie der Islamische Staat in Palmyra? Man sollte „die Kirche im Dorf lassen“, denn nichts ist schrecklicher als sich mit unnützen Dingen zu beschäftigen, wenn unsere Solidarität und Sichtweise in anderen Bereichen zwingender vonnöten ist.Rüdiger Haase Köln
Straßennamen-Diskussion: Furcht vor Übertreibung
Was sollen denn die Menschen tun, die mit Nachnamen „Mohr“ heißen? Einen anderen Nachnamen beantragen? Oder wenn sie das nicht wollen, auswandern? Ich fürchte und glaube mittlerweile, wenn wir Deutschen alles „aufgearbeitet“ haben, gibt es kein Deutschland mehr. Gertrud Odenthal Köln
Historische Straßennamen: Aufklären statt ausradieren
Verschweigen statt aufklären? Ausradieren anstatt informieren? Ich denke, hier liegt eine große Gefahr. Warum versieht man fragwürdige oder missverständliche Straßennamen, wie die Mohrenstraße, die nach dem Heiligen Maurus benannt wurde, nicht mit Informationstafeln? Könnte man doch nach und nach grundsätzlich für alle Straßennamen machen, die Bezug auf Personen oder besondere Ereignisse nehmen. Ich finde es immer total interessant, wenn ich solche Informationen in anderen Städten sehe.
Wenn wir alle die heute als negativ, belastet oder ähnlich empfundenen und eingestuften Überbleibsel, Texte und Statuen aus der Öffentlichkeit tilgen, kann doch keine Aufklärung mehr stattfinden. Nur durch Wissen vermeiden wir Wiederholung oder Missbrauch. Warum ist das Wort Juden auf unseren Schulhöfen seit einigen Jahren wieder zum Schimpfwort geworden? Weil zu wenig Wissen besteht – und zu wenig Auseinandersetzung mit solch wichtigen Themen. Aber nur mit Sichtbarkeit und Information kann Wissen und Aufklärung über geschichtliche Geschehnisse und Personen erreicht werden.
Und wo hören wir auf? Es wird ja seit einiger Zeit nicht davor zurückgeschreckt, Bücher umzuschreiben. Nein – wir müssen erklären, warum das in der Vergangenheit so geschrieben wurde! Denn was ist der nächste Schritt – Bücher verbrennen und Statuen stürzen? Das macht mir Angst – dass so etwas geschah, ist erst 90 Jahre her! Das sollten alle wissen. Ingrid Janßen Köln
Mohrenstraße: Übertriebene Sensibilität?
Bei der Diskussion zur Umbenennung der Mohrenstraße habe ich gelernt, dass es heute gar nicht mehr auf den realen Gehalt eines Begriffs ankommt, sondern auf den empfundenen. Innerhalb der letzten Tage hat sich nun bei mir eine Sensibilitätssteigerung ereignet: Ich empfinde bereits den Begriff „Möhre“ diskriminierend, erinnert er doch klanglich an Mohr!
Vielleicht kann sich ein Redakteur einmal der Sache annehmen und sich medial für die Ächtung der Möhre, ich meine natürlich des Namens, einsetzen; zumal mit der „Karotte“ geeigneter Ersatz zur Verfügung steht. Die Berechtigung meines Anliegens ergibt sich auch aus einer erschreckenden Liste von Synonymen für „Karotte“: Wikipedia nennt zuerst „Möhre“, dann „MOHRrübe“! Klaus Lamsfuß Köln