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Die Magie der SternstundenAstrofotografen erklären, wie sie das Lichtspektakel auffangen

Lesezeit 13 Minuten
Eine Sternschnuppe leuchtet nachts neben der Milchstraße am Himmel über dem Walchensee in Bayern.

Eine Sternschnuppe leuchtet neben der Milchstraße am Himmel über dem Walchensee in Bayern.

Kometen, Sterne und Galaxien bewegen sich in unermesslichen Distanzen – dennoch lassen sie sich mit handelsüblichen Kameras ablichten.

Für Astrofotografen ist der bestirnte Himmel übersät mit prachtvollen Motiven. Die Bilder überwinden Lichtjahre und zeigen Welten, die längst vergangen sein können.

Es ist ein Ereignis, das man vielleicht nur einmal im Leben sehen kann. Katja Seidel will es unbedingt auf einem Foto festhalten. Doch wie schon in den vergangenen Tagen ist auch an diesem Sommerabend der Himmel bedeckt. Erst spät zeigt sich im Norden eine Lücke in der Wolkendecke – klein, aber groß genug, um auf eine Chance hoffen zu können.

Hastig packt sie ihre Fototasche, springt in den Camper und fährt hinaus aufs Feld, irgendwo zwischen Braunschweig und Wolfsburg, dorthin, wo es möglichst dunkel ist. Bis Mitternacht muss sie warten, dann passiert es endlich: „Es war magisch, wie die Wolken innerhalb weniger Minuten abzogen und den Blick freigaben“, erzählt Seidel.

Komet Neowise oder C/2020 F3 ist am Nachthimmel über dem US-Reservat «Tallgrass National Prairie Preserve» zu sehen. Im Vordergrund des Fotos steht links ein Haus und rechts ein Baum.

Komet Neowise oder C/2020 F3 ist im Jahr 2020 am Nachthimmel über dem US-Reservat „Tallgrass National Prairie Preserve“ mit bloßem Auge zu sehen.

Was sie vor sich sieht: Dicht am Horizont erstreckt sich bläulich-weiß leuchtend eine bizarre Wolkenformation am nachtblauen Himmel, während von Nordwesten her ein strahlend heller Komet mit langem Schweif auf seiner schier endlos langen Bahn durch unser Sonnensystem zieht.

Seidel ist Astrofotografin. Sie weiß die Zufälle zu schätzen, die genau dieses Bild ermöglicht haben. Ein Komet, der mit bloßem Auge klar zu sehen ist, wie an diesem Sommerabend im Jahr 2020 Neowise, ist sehr selten. Und diese speziellen Nachtwolken, die Seidel vor die Linse bekommen hat, erscheinen meist nur an einzelnen Tagen zwischen Juni und August.

Sie bestehen aus Eiskristallen in etwa 80 Kilometern Höhe, die vom Licht der schon untergegangenen Sonne zum Leuchten gebracht werden. Außerdem muss natürlich der Himmel frei von normalen Wolken sein. „Solche Momente bleiben einem für immer im Gedächtnis“, sagt Seidel, die in dieser Nacht in zweieinhalb Stunden gut 4000 Fotos gemacht hat.

Die 42-Jährige, die in einem kleinen Ort bei Wolfsburg lebt, hat schon mit 18 angefangen zu fotografieren. Doch erst vor zehn Jahren kam sie durch ein Video bei Youtube zur Astrofotografie. Was sie sofort tief beeindruckt hat: „Man kann mit der Kamera Dinge am Himmel sichtbar machen, die man mit bloßem Auge so niemals sehen kann, jedenfalls nicht so hell und nicht so farbig.“

Bilder der Vergangenheit

Möglich ist das, weil moderne Kameras in den vergangenen Jahren immer besser, das heißt vor allem lichtempfindlicher, geworden sind. Mit handelsüblichen Digitalkameras und normalen Objektiven lassen sich heute nicht nur Mond und Sterne, sondern auch die Milchstraße oder unfassbar weit entfernte Galaxien fotografieren.

Ein Beispiel ist der sogenannte Andromeda-Nebel. Im Herbst ist er im Osten an einem dunklen Nachthimmel als verwaschener Fleck zu erkennen. Erst seit etwas mehr als 100 Jahren ist bekannt, dass dieser „Nebel“ gar kein Nebel, sondern eine Galaxie wie unsere Milchstraße ist.

Mit einer modernen Kamera und einem Teleobjektiv ist leicht zu sehen, dass sich dort zahllose – Astronomen schätzen: eine Billion – Sterne zusammenballen.

Mir war vorher nicht klar, wie einfach die Astrofotografie im Grunde geworden ist.
Katja Seidel, Profi-Astrofotografin

Astrofotografen und -fotografinnen fasziniert dabei auch, dass jedes ihrer Fotos ein Bild der Vergangenheit ist: Das Licht der Andromeda-Galaxie hat 2,5 Millionen Jahre bis zur Erde gebraucht – was wir jetzt sehen, ist also eine Momentaufnahme von vor 2,5 Millionen Jahren.

Wer in Zeitschriften oder Fachbüchern über Astrofotografie blättert, die vor 30 Jahren erschienen sind, bemerkt sofort den Fortschritt der Kameratechnik: Bilder, die seinerzeit als druckreif galten, erscheinen heute massenhaft bei Instagram oder Youtube – sehr viele sind sogar deutlich besser als die Profifotos von damals.

„Mir war vorher nicht klar, wie einfach die Astrofotografie im Grunde geworden ist – aber als ich das im Internet gesehen habe, war es um mich geschehen“, sagt Seidel. Schnell hat sie sich das nötige Wissen angeeignet, jede sternenklare Nacht genutzt und sich praktisch jede Woche an einem neuen Motiv versucht.

Schöne Sternenbilder sind auch ohne großen Aufwand möglich

In den folgenden Jahren hat sie tanzende Polarlichter auf Island, schneebedeckte Landschaften unter Norwegens Sternenhimmel und die Milchstraße in den italienischen Dolomiten fotografiert. Auch die spektakuläre Polarlichtshow in der Nacht vom 10. auf den 11. Mai dieses Jahres hat sie sich nicht entgehen lassen. Sie war gerade auf Familienbesuch in Chemnitz, als das Nordlicht beinahe den ganzen Himmel rot, grün und magentafarben illuminierte.

Dennoch nennt Seidel zuerst die Nacht im niedersächsischen Flachland, als der Komet Neowise neben den leuchtenden Eiswolken zu sehen war, wenn man sie nach ihrem beeindruckendsten Erlebnis als Astrofotografin fragt. Das passt zu ihrem Ansatz: Ihr Schwerpunkt ist die Astro-Landschaftsfotografie, sie will in der Nacht schöne Bilder ohne allzu großen technischen Aufwand machen.

Das Foto zeigt den Komet 12P/Pons-Brooks. Er leuchtet grün vor dem Sternenhimmel und zieht einen blau-weißen Schweif nach sich.

Astrofotografen investieren oft viel Zeit und Geld, um die bestmöglichen Aufnahmen zu bekommen.

Im Laufe der Zeit hat sie zwar aufgerüstet mit weiteren Kameras, besseren Objektiven, Stativen und sogenannten Nachführungen. Diese Geräte werden zwischen Stativ und Kamera montiert, sie drehen die Kamera synchron zur Erdrotation, so gleichen sie die scheinbare Bewegung des Sternenhimmels aus und ermöglichen lange Belichtungszeiten ohne Bewegungsunschärfe.

Für Seidel muss das Zubehör aber immer möglichst einfach und leicht sein, damit sie es mitnehmen und schnell aufbauen kann, wenn sie mit ihrem geliebten Camper, einem Ford Nugget, irgendwohin zum Fotografieren fährt. Dabei nutzt sie immer noch gern ihre Canon 6D, die vor elf Jahren auf den Markt gekommen und inzwischen gebraucht für unter 300 Euro zu haben ist.

Eine vollständig computergesteuerte Ausrüstung, die per Knopfdruck das Zielobjekt anvisiert, fokussiert und stundenlang fotografiert, ist nicht ihr Ding. „Ich mag das Handwerkliche, nicht den Automatismus“, erklärt Seidel. Sie zieht Geräte vor, bei denen Aufwand und Nutzen in genau dem Verhältnis zueinander stehen, dass sie die Bilder machen kann, die sie schön findet.

Jagd nach Polarlichtern

So hält sie es auch mit der Bildbearbeitung, an der man in der Astrofotografie schon in einem frühen Stadium nicht vorbeikommt. Neben weit verbreiteter Software wie Lightroom und Photoshop gibt es aufwendige, nicht selten kostenpflichtige und englischsprachige Programme, mit denen sich Astrofotos gezielt bearbeiten lassen.

„Die Bildbearbeitung ist ein Muss, aber für mich eher ein notwendiges Übel“, sagt Seidel. „Ich möchte ein Foto nicht stundenlang bearbeiten, dafür bin ich zu ungeduldig. Mir reicht meistens einfache Software, um ein Ergebnis zu erzielen, das mir gefällt – auch wenn andere Profis sagen würden, da geht aber noch was.“

Seidel hat Freude daran, ihr Wissen weiterzugeben. Auch deshalb hat sie Anfang 2022 ihren gut bezahlten und sicheren Job als IT-Beraterin aufgegeben, um sich ganz auf die Fotografie zu konzentrieren. Schon 2016 hatte sie ihr erstes, in der Szene hoch gelobtes Buch über Astrofotografie ohne Spezialausrüstung geschrieben, das inzwischen in der dritten Auflage erschienen ist.

Polarlichter (Aurora borealis) leuchten am nächtlichen Himmelüber dem Wagenbrüchsee in Bayern.

Dieses Jahr konnte man Anfang Mai sogar in Deutschland Polarlichter sehen.

Damals kamen bessere, bezahlbare Digitalkameras auf den Markt, die neue Möglichkeiten auch fürs Fotografieren in der Nacht eröffneten. Das hat einen Boom in der Astrofotografie ausgelöst, der bis heute anhält. Inzwischen gibt es mehrere Bücher zu dem Thema, bei Facebook treffen sich Amateure in Foren mit Tausenden Mitgliedern zum Meinungsaustausch, und bei Youtube finden sich zahllose Erklärvideos zu praktisch allen Aspekten des Hobbys.

Seidel organisierte Workshops und schrieb Artikel in Fachzeitschriften – bis die Doppelbelastung zu viel wurde und sie ihre Festanstellung kündigte: „Ich habe jahrelang darüber nachgedacht, aber mir wurde irgendwann klar, dass es so nicht weitergehen konnte.“ Bereut habe sie die Entscheidung nicht.

„Aber das ist jetzt ein anderes Leben.“ Denn sie weiß nie sicher, wie viel Geld im nächsten Monat aufs Konto kommt, und muss sich von Steuerfragen bis zur Reiseplanung für Workshops um alles selbst kümmern. Auch für sie ganz neue Vertriebswege hat sie sich erschlossen, so will Seidel schon sehr bald ihr erstes Videotutorial über Polarlichtfotografie anbieten – das Nordlicht ist seit Jahren ihre große Leidenschaft, sie spricht sogar von „Sucht“.

Finanziell steht sie heute schlechter da als früher im Job, sagt sie. Und ob sie das ewig so machen will, sei auch nicht sicher. „Aber jetzt ist es das Richtige für mich.“

Hohe Frustrationstoleranz

Seidels Workshops im Harz oder im Norden Norwegens, wo es um die Jagd nach Polarlichtern geht, sind gut besucht. Die meisten Teilnehmer sind Männer, viele über 50 oder auch schon im Rentenalter. Astrofotografie braucht eben Zeit und kann viel Geld kosten.

Wer noch gar keine Fotoausrüstung hat, kann sich zwar schon für rund 1000 Euro eine Grundausstattung beschaffen, aber schnell wachsen die Bedürfnisse, die Technik wird spezieller, die Kosten steigen. Um lichtschwache Objekte wie Galaxien gut zu fotografieren, sind zudem wirklich dunkle Orte nötig – große Städte „verschmutzen“ den Nachthimmel mit ihrem Licht.

Stadtbewohnern reicht es vielleicht, deswegen gut 40 bis 50 Kilometer hinaus aufs Land zu fahren. Wer später bessere Fotos oder spektakulärere Landschaften im Vordergrund haben will, fängt an, Urlaubsziele nach dem Grad der Dunkelheit auszuwählen. La Palma oder Teneriffa gelten als Mekka der Astrofotografie – und mit diesen Inseln können sich vielleicht auch die anderen Familienmitglieder anfreunden.

Die Ausrüstung bei Wind und Wetter zu haben, ist entscheidend

Nicht wenige geben das Hobby aber auch nach einiger Zeit wieder auf. Denn Astrofotografen brauchen eine hohe Frustrationstoleranz: Im Sommer ist es nur wenige Stunden spät in der Nacht richtig dunkel, im Winter ist es zwar früh dunkel, aber oft bitterkalt.

Thermounterwäsche, Wärmepads für Füße und Hände sowie Handschuhe, mit denen die Finger warm und zugleich beweglich genug zur Bedienung der Fotoausrüstung bleiben, sind beliebte Themen in Astroforen im Internet. Nicht jedem behagt es auch, nachts meist allein unterwegs zu sein.

Seidel schwärmt dagegen vom Naturerlebnis, das in der Nacht so anders sei als am Tag, weil praktisch keine Menschen unterwegs seien und es höchstens mal im Gebüsch raschele. Die wenigen Geräusche würden sie neugierig machen, Angst habe sie nicht. „Angst entsteht im Kopf, man macht sich Kopfkino“, weiß sie.

Die Gefahr zum Beispiel, nachts überfallen zu werden, sei in der Natur viel geringer als in der Großstadt. Allerdings hat sie – im Gegensatz zu manchen anderen Astrofotografen – nachts auf dem Feld auch noch keine Bekanntschaft mit aufgeregten Wildschweinen gemacht.

Viel hilft viel

Die Gedanken von wenig schreckhaften Astrofotografen kreisen eher um die Technik. Allein schon das manuelle Scharfstellen in der Nacht fällt vielen anfangs schwer, immerhin sind die meisten spannenden Himmelsobjekte im Kamerasucher kaum zu sehen. Manche verzweifeln fast auch daran, die Nachführung auf den Polarstern auszurichten, das sogenannte Einnorden.

„Man muss sich mit der Technik befassen und lernen, seine Kamera im Dunkeln zu bedienen“, rät Seidel. Aber auch sie hat wie alle Astrofotografen und -fotografinnen die Erfahrung gemacht, dass oft irgendwas schief geht: Man vergisst Ersatzakkus oder eine zweite Speicherkarte (und wenn sie doch in der Fototasche ist, ist sie noch voll), die Batterie im Fernauslöser ist leer, der Adapter für den Kugelkopf fehlt, die Objektivheizmanschette (gegen Tau auf der Linse) oder der passende Imbusschlüssel zum Festziehen der plötzlich wackeligen Stativbeine ist zu Hause geblieben … Oft steigt die Pannenquote mit den Ansprüchen, weil dann immer mehr und komplexere Gerätschaften hinzukommen.

Denn mehr und besser geht immer. Viel hilft viel – das gilt für die Astrofotografie besonders dann, wenn feinste Details der Zielobjekte sichtbar werden sollen. Einer, der diese Technik zur Perfektion getrieben hat, ist Andreas Zirke. Er gilt in seinem Bereich als einer der besten deutschen Astrofotografen.

Mit seinen Kameras dringt er manchmal in Regionen vor, die so noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat. Sein Spezialgebiet sind „planetarische Nebel“. Das sind Hüllen aus Gas und Plasma, die von Sternen gegen Ende ihrer Lebensphase ins All geschleudert wurden. Weil sie damals beim Blick durch die relativ schlechten Teleskope Planeten ähnelten, nannte der Astronom Wilhelm Herschel sie 1785 irrigerweise „planetarische Nebel“.

Manche Objekte sind bis zu 24 Trillionen Kilometer entfernt

Zirke lebt im niedersächsischen Völksen, einem Ort, der durch einen Ausläufer des Deisters vor der Lichtverschmutzung durch Hannover ein wenig geschützt ist. Auf seinen Fotos sieht man nicht nur die oft hauchdünnen Strukturen interstellarer Nebel, sondern auch gewaltige Galaxien. Auf vielen Astrofotos sind diese Welteninseln jedoch nur sehr klein, manche sind kaum zu erahnen.

Denn ein Astrofoto ist nicht nur ein Blick in die Vergangenheit, es überbrückt auch gewaltige Distanzen. Die Andromeda-Galaxie ist mit 24 Trillionen Kilometer das am weitesten entfernte Objekt, das mit bloßem Auge noch zu sehen ist. Zirke hat allerdings schon Motive abgelichtet, die noch tausendfach weiter von der Erde weg sind – von ihnen erkennt man dann oft nicht mehr sehr viel auf den Bildern.

Manchmal arbeitet Zirke in einem Team. Die Hobby-Astronomen Marcel Drechsler, Xavier Strottner und Dana Patchick untersuchen öffentlich zugängliche Aufnahmen von Sternregionen, die von Weltraumteleskopen wie dem berühmten Hubble-Teleskop gemacht wurden. Was sie antreibt, ist neben der Begeisterung für die Astronomie das Ziel, ganz neue Objekte im Universum zu entdecken.

Um bessere Ergebnisse zu erzielen, muss sogar eine eigene Sternwarte her

Dafür investieren sie zahllose Stunden, um die mit relativ kurzen Belichtungszeiten entstandenen Hubble-Aufnahmen zu analysieren. Zuweilen stoßen sie dabei auf Strukturen, die auf bisher nicht katalogisierte Nebel hindeuten können.

„In so einem Fall schicken sie mir die Koordinaten, damit ich die Gegend fotografieren kann“, berichtet Zirke. Denn nur durch Fotos mit sehr langen Belichtungszeiten kann gezeigt werden, ob sich in der betreffenden Region tatsächlich ein Nebel befindet.

Zirke, von Beruf Metallbaumeister, hat sich in seinem Garten eine eigene Sternwarte konstruiert. Dort hat er drei Teleskope und Kameras zusammengeschaltet, die computergesteuert das gewünschte Ziel die ganze Nacht hindurch fotografieren können.

Für den Titan-Nebel habe ich 129 Stunden Belichtungszeit gebraucht.
Andreas Zirke, Astrofotograf

So entstehen Hunderte Aufnahmen mit jeweils fünf bis zehn Minuten Belichtungszeit, die in einer speziellen Software addiert und verarbeitet werden. Trotzdem muss Zirke manche Objekte in mehreren Nächten fotografieren, bis überhaupt etwas zu erkennen ist. „Für den Titan-Nebel habe ich 129 Stunden Belichtungszeit gebraucht, das ist bisher mein Rekord“, berichtet der 49-Jährige.

Jeder Fotograf kennt das Phänomen: Unterbelichtete Fotos werden rasch körnig, sie „rauschen“. Bei Astrofotos potenziert sich das Problem – nur mit langen Belichtungszeiten lässt sich das Bildrauschen reduzieren, sodass auch die schwächsten Lichtsignale herausgearbeitet werden können.

Sieben klare und mondlose Nächte hat Zirke für den Titan-Nebel gebraucht. Offiziell heißt der nach den drei Entdeckern aus dem Team etwas sperrig Patchick-Strottner-Drechsler 9 – seinen Spitznamen trägt er wegen seiner titanischen Ausmaße.

Die Grenzen verschieben

Sieben so gefundene Objekte hat Zirke als Erster fotografiert. In der Regel schickt er die Fotos an Hobby-Astronom Drechsler, der sie weiter bearbeitet. Wenn Zirke ein Bild nicht für das Team, sondern nur für sich fotografiert, macht er die Bearbeitung selbst – im Schnitt braucht er zehn Stunden bis zur fertigen Aufnahme.

Ein Nebel trägt sogar auch seinen Namen: Drechsler-Zirke 1, ein 2019 entdeckter Nebel im Sternbild Schwan, den er mit mehr Aufnahmen, also Belichtungszeit, zum Vorschein gebracht hat, als Drechsler die Hoffnung schon aufgegeben hatte.

Es ist schön zu sehen, dass es immer noch eine Steigerung gibt.
Andreas Zirke, Astrofotograf

Zirke hat sich mit 20 sein erstes Teleskop gekauft. Mit einer damals noch analogen Kamera hat er einige Zeit lang den Mond fotografiert. Doch erst vor zwölf Jahren hat er ernsthaft mit der Astrofotografie angefangen, als er eine Digitalkamera an sein neues Teleskop angeschlossen hat.

„Ich hab dann immer wieder neue Teleskope und Kameras gekauft, alte verkauft, bis ich vor drei Jahren mein heutiges Set-up gefunden habe“, sagt er. Bei allem Aufwand ist die Astrofotografie für ihn nur ein Hobby. Bekommt er für eine Aufnahme oder einen Vortrag Geld, spendet er es.

Wie Katja Seidel geht es Zirke darum, schöne Fotos zu machen und mit den Bildern Dinge sichtbar zu machen, die man sonst nicht sehen könnte. „Egal, in welche Himmelsrichtung man fotografiert, immer lässt sich dort etwas finden, was für das menschliche Auge sonst unentdeckt bleiben würde“, erklärt er. Dabei treibt er Aufnahmetechnik und Bildbearbeitung immer weiter voran, um einzigartige Fotos zu kreieren.

In der Astrofotografie gibt es im Grunde keine Grenzen, weil fast jedes Objekt durch immer mehr Belichtungszeit immer besser zur Geltung kommt. Das gilt für Aufnahmen mit Hubble oder dem James-Webb-Weltraumteleskop im Prinzip ebenso wie für eine Amateur-Sternwarte in einem Völksener Garten. Das kann frustrierend sein. Zirke sieht das anders: „Es ist schön zu sehen, dass es immer noch eine Steigerung gibt.“


Dieser Text gehört zur Wochenend-Edition auf ksta.de. Entdecken Sie weitere spannende Artikel auf www.ksta.de/wochenende.