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Automatensprenger in NRWBanden operieren mit Schwarzpulver aus Polen-Böllern

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In einer Bank in Erftstadt bei Köln haben unbekannte Täter Anfang August 2021 einen Geldautomaten gesprengt. (Symbolbild)

Köln – „Nicht schon wieder!“, denkt Daniel P., als ihn ein lauter Knall gegen 2:50 Uhr in der Nacht aus dem Schlaf reißt. „Nicht schon wieder ein Banküberfall wie vor zwei Jahren“, grummelt der junge Mann, der direkt über der Filiale der Volksbank Köln-Bonn im Stadtteil Brück wohnt.

Seine Nachbarin Hatka Nukovic glaubt zunächst, sie habe geträumt.

„Vom Krieg, ich habe einen überlebt, ich komme aus Bosnien“, sagt die Zuwanderin. Kurz nach dem Krach und dem Bersten der Glasscheiben der Volksbank stehen die Enkelkinder bereits an ihrem Bett. Die beiden übernachten bei der Oma. Wenig später müssen sie ihre Wohnung für Stunden räumen, ehe die Polizei das Mehrfamilienhaus wieder freigibt.

Filiale muss komplett neu aufgebaut werden

Statisch relevante Schäden sind bei der Explosion nicht entstanden. Aber in der Volksbank sind die Fenster und Türen zerstört, die Wände stark beschädigt. „Damit musste die Filiale in den Rohbauzustand versetzt und komplett neu aufgebaut werden“, heißt es bei der Pressestelle der Volksbank. Etwa 400.000 Euro werde das kosten, Ende April 2020 soll die Filiale wieder in Betrieb gehen.

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Kurz nach Weihnachten 2021 wurde der Geldautomat in Köln-Brück gesprengt.

In Deutschland vergeht kein Tag, an dem nicht irgendwo ein Geldautomat explodiert - zumindest rein rechnerisch. 392 EC-Automaten zerstörten kriminelle Banden im vergangenen Jahr. 2020 registrierte die Kriminalstatistik sogar 414 Fälle, 176 davon alleine für NRW. Bundesweit entstand laut Bundeskriminalamt ein „Beuteschaden“ von etwa 17,1 Millionen Euro. Nach dem Ende des Corona-Lockdowns haben sich die Zahlen an Rhein und Ruhr seit Jahresbeginn verfünffacht.

Andere Länder setzen Tinte zur Abschreckung ein

Die Verluste der Geldinstitute durch Gebäudeschäden liegen vermutlich noch um ein Vielfaches höher. Dennoch scheint die hiesige Finanzindustrie noch zu wenig gegen die Spreng-Attacken zu investieren. Um die Täter abzuschrecken könnte man beispielsweise Sicherheitstinte oder Sicherheits-DNA benutzen, die Geldscheine bei einer Explosion einfärbt. Bei den Schweden, Belgiern und Franzosen ist der Einsatz der Tinten-Technologie bereits gesetzlich verpflichtend. Die Niederländer diskutieren über ein ähnliches Modell. Einzig die Deutschen halten sich zurück.

Dabei spielt natürlich der Kostenfaktor für Banken und Sparkassen eine gravierende Rolle. Offiziell aber hält sich der Bundesverband deutscher Banken bei dem Thema bedeckt. „Eine One-fits-all-Lösung gibt es nicht“, erklärt die Sprecherin Tanja Beller. Auf Basis regelmäßiger Analysen müsse jedes Kreditinstitut „entsprechend der jeweiligen Risikolage des Standortes, individuelle bauliche und sicherheitstechnische Entscheidungen treffen“. Tintenpatronen jedenfalls seien keine Lösung des Problems. „Einen statistisch begründeten Nachweis zur Präventionswirkung solcher Systeme in Deutschland gibt es nicht. Vielmehr ist zu vermuten, dass sich die Täter allein durch diese Technik nicht abhalten lassen“, so Beller.

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Anfang September 2021 verwüstete eine Automatensprengung den SB-Terminal der Kreisspaarkasse Köln in Leichlingen.

Zwar steht das Landeskriminalamt (LKA) mit den Geldautomatenbetreibern im steten Austausch, um die Sicherheit zu erhöhen. „Hier gibt es allerdings noch einiges zu tun“, betont Hans-Joachim Schmitz, Chef der Abteilung für Organisierte Kriminalität (OK) im LKA. Zumal die Automatenknacker ihren Modus Operandi stetig verbessern. „Früher agierten die Gangster mit einem Gas-Luft-Gemisch, das reicht oft nicht mehr, um die Automaten zu knacken. Heute arbeiten einige Täter bereits mit Festsprengstoff.“ Dabei verarbeiten die Banden Schwarzpulvermischungen etwa aus Polen-Böllern zu selbst gebastelten Sprengsätzen. Dies erhöht die Gefahr für unbeteiligte Passanten und Anwohner.

Anwohner klagen gegen Geldautomaten

Die Meldungen über die zunehmende Zahl von Sprengungen haben etwa Wohnungseigentümer eines Mehrfamilienhauses in Ratingen derart in Angst versetzt, dass sie darauf geklagt haben, einen Geldautomaten in einer Bankfiliale im Erdgeschoss abbauen zu lassen. Nachdem die Kläger schon in erster Instanz gescheitert waren, hat nun auch das OLG Düsseldorf entschieden, dass die abstrakte Gefahr eines möglichen Überfalls per Sprengung durch Kriminelle allein nicht genüge, um dem Kreditinstitut die Nutzung des Geldautomaten zu untersagen.

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Ein Geldautomat der Kreissparkasse Köln in Kürten-Dürscheid am Hetzenegger Supermarkt wurde am 24. Februar 2022 gesprengt.

Dabei gilt NRW derzeit als „Schwerpunkt der Tätergruppen mit meist niederländisch-marokkanischen Wurzeln“, berichtet der Leitende Kriminaldirektor Schmitz. Das Gros stammt demnach aus sozialen Brennpunkten in Utrecht, Rotterdam und Amsterdam. Die Sprenger suchen die Regionen zwischen Rhein und Weser heim, weil der bargeldlose Zahlungsverkehr hierzulande nicht so gebräuchlich ist, wie in den Beneluxstaaten. Allein in NRW stehen mehr als 11.000 Geldautomaten, „das ist das Fünffache im Vergleich zu den Niederlanden“, weiß Schmitz.

Mit dem Audi fliehen die Täter über die Grenze

So gingen Bonner Zivilfahndern in der Nacht zu Mittwoch drei mutmaßliche Automatensprenger am Bahnhof Meckenheim ins Netz. Wie soft nutzten die Tatverdächtigen eine PS-starke Audi-Limousine, um nach ihrem geplanten Coup schleunigst wieder über die Grenze entschwinden zu können.

Nachdem die Fahnder den Audi durch einen Zusammenstoß stoppten, versuchten die drei Insassen zunächst zu flüchten. Nach kurzer Verfolgungsjagd wurden die 23, 25 und 35 Jahre alten Verdächtigen gestellt. Dabei hätten sie sich gegen die Festnahme erheblich gewehrt, teilte die Polizei mit. Einer der Beschuldigten stammt aus Frankreich, die beiden anderen leben in den Niederlanden. Die Festgenommenen wiesen einen maghrebinischen Migrationshintergrund auf. In ihrem Wagen fanden sich Festsprengstoff nebst Kanistern mit 160 Litern Benzin. Die Ermittler gehen davon aus, dass die Männer sich auf dem Weg zu ihrer nächsten explosiven Attacke auf einen Geldautomaten befanden.

Aufklärungsquote sank eklatant

Ein Glücksfall bei der grenzüberschreitenden Jagd nach mutmaßlichen Geldautomatensprengern. Auf Anfrage bezifferte das LKA gegenüber die Zahl der Festnahmen seit 2015 in dem Bereich auf insgesamt 161. Die Aufklärungsquote sank seit 2019 eklatant von 40 Prozent der Fälle auf gerade einmal 13 Prozent im vergangenen Jahr.

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Ein Bild der Verwüstung hinterließen die Täter im März 2021 in Mönchen Gladbach.

Hierzulande versuche man mit der landesweiten Ermittlungskommission Heat die Bandenstrukturen zu entschlüsseln, berichtet OK-Chef Schmitz: „Während der Kampf gegen die Geldautomatensprenger bei den niederländischen Behörden nicht mehr so sehr im Fokus steht.“ In den vergangenen Jahren konnten die Kollegen jenseits der Grenze die Fallzahlen stark zurückführen. „Insoweit sehen sie im Inland kein Problem mehr und haben das Ermittlungspersonal in dem Kriminalitätsbereich stark zurückgefahren. Das macht für uns die Ermittlungsarbeit nicht einfacher.“

Geringe Aufklärung in den Niederlanden macht NRW zu schaffen

Vielmehr führt dieser Trend zu massiven Informationsverlusten, wenn es um die Planung neuer Beutezüge durch die einschlägig bekannten Banden und Netzwerke in den großen Ballungsräumen jenseits der Grenze geht. Weniger kriminalistische Aufklärung in den Niederlanden führt zu geringeren Erkenntnissen der deutschen Sicherheitsbehörden.

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Mitunter vergehen auch Jahre, bis identifizierte Verdächtige ausgeliefert werden. Peter van H. (Name geändert) ist so ein Fall. Seit knapp zwei Jahren wartet die landesweite OK-Zentralstelle der Staatsanwaltschaft in Düsseldorf (ZEOS) auf die Überstellung des Beschuldigten. Der Niederländer aus Delft nahe der Küste kommt in den Jahren 2018 und 2019 für eine ganze Automatenknacker-Serie in Frage. Allein in NRW ordnet das LKA ihm sieben Fälle zu. Darunter jene Tat Ende März 2019 in Wuppertal.

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In der Nacht zum 14. Juni 2021 sprengten Unbekannte den Geldautomaten an der Volksbank in Geldern am Niederrhein.

Die Überwachungskamera zeigt den gänzlich in schwarze gekleideten 27-Jährigen und einen Komplizen nachts in der Bank-Filiale in der Marktstraße. Die maskierten Männer tragen zwei Gasflaschen, die eine mit Acetylen, die andere mit Sauerstoff gefüllt, zum Geldautomaten. Die zusammengelegte Leitung führen sie in ihr Zielobjekt ein. Dann legt einer der Vermummten eine Flüssiglunte per Spraydose mit brennbarem Inhalt und zündete sie an. Die Täter verbergen sich hinter Kontoautomaten in der Nähe, als das Gas-Luft-Gemisch hochgeht. Vier Stahlkassetten nehmen die Täter mit, als sie mit einem Motorroller davonrasen. Die geleerten Behälter werfen sie in den See der Ronsdorfer Talsperre. Zum Tatzeitpunkt lagerten gut 120.000 Euro in dem explodierten Geldautomaten. Gasflaschen und andere Utensilien, die aus Holland stammten, lassen die Sprenger zurück.

Blutspuren auf den Geldscheinen

Auf einigen Geldscheinen, die man sicherstellt, finden sich Blutspuren eines der beiden Täter. Offenbar hat er sich bei der Explosion verletzt. Eine DNA-Analyse und ein Abgleich mit der deutschen und niederländischen Genspuren-Datenbank führt zu Peter van H.. Ende Juni 2020 setzen ihn die niederländische Polizei fest. „Seither betreiben wir die Auslieferung des Beschuldigten“, berichtet der Düsseldorfer Staatsanwalt Julius Sterzel. Derzeit sei aber noch unklar, wann die hiesige Justiz mit einer Überstellung durch die niederländischen Kollegen rechnen dürfe.