Tage nach den erneuten heftigen Ausschreitungen im Columbiabad kommt heraus: Die Mitarbeiter hatten in einem Brandbrief schon lange gewarnt.
Spucken, Pöbeln, PsychoterrorMitarbeiter von Berliner Freibad berichten in brisantem Brief von untragbaren Zuständen
Drei Tage ist es mittlerweile her, dass das Berliner Polizeibeamte das Columbiabad räumen mussten, weil Jugendliche und junge Männer die Anlage und die Becken trotz mehrfacher Aufforderung nicht verlassen wollten.
Vorausgegangen war eine Auseinandersetzung von Jugendlichen mit Beschäftigten des Bades und Mitarbeitern eines Sicherheitsdienstes. Bereits mehrfach zuvor war es in diesem Sommer zu Problemen mit den Badegästen gekommen.
Columbiabad in Berlin-Neukölln bleibt nach Ausschreitungen geschlossen
Nach dem Vorfall am Sonntagnachmittag ist das Bad geschlossen. Der Grund: Hoher Krankenstand. Viele Mitarbeiter haben sich krankgemeldet, offenbar wollen beziehungsweise können sie unter derartigen Bedingungen nicht mehr arbeiten.
Bei der Einrichtung hieß es am Mittwochmorgen, das Columbiabad bleibe vermutlich die gesamte Woche zu, es werde von Tag zu Tag neu entschieden. „Das Bad ist derzeit aus betrieblichen Gründen geschlossen“, war auf der Internetseite zu lesen.
Berlin: Mitarbeiter von Columbiabad schrieben Brandbrief an Bädergesellschaft
Brisanz birgt derweil ein Brief der Belegschaft, der am Mittwoch öffentlich wurde. Wie der Berliner „Tagesspiegel“ berichtet, sollen sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereits vor rund einem Monat an die Führung der Bäder-Betriebe gewandt haben. Darin werde „auf das untragbare Ausmaß der Umstände“ aufmerksam gemacht – und explizit darauf hingewiesen, dass das Sicherheitspersonal überfordert sei.
Täglich werde die Hausordnung „vorsätzlich missachtet“. Mitarbeitern, Frauen, Minderheiten, besonders trans und queeren Menschen, werde immer häufiger Gewalt angedroht. „Verbale Attacken, das Spucken oder Pöbeln“ seien üblich. Personal werde „bewusst psychisch terrorisiert“. Das Sicherheitspersonal sei überfordert und nicht in der Lage, Hausverbote durchzusetzen oder Straftaten anzuzeigen.
Krawall und Randale an der Tagesordnung: Belegschaft von Berliner Columbiabad kann nicht mehr
Die Bediensteten schreiben demnach von einer „eklatanten Unterbesetzung des Personals“. Sie fordern unter anderem in der Hauptzeit Zugang und Tageskarten nur für Familien mit Kindern, ständig Polizei vor Ort, nur Online-Tickets und namentlichen Einlass.
Das Freibad war wegen des hohen Krankenstands der Mitarbeiter geschlossen worden. Die Berliner Bäder-Betriebe bemühten sich, das Bad so schnell wie möglich wieder zu öffnen, so die Bäder-Betriebe am Dienstag. Bereits im Juni war das Columbiabad in die Schlagzeilen geraten, als etwa 50 jugendliche Gäste die Großrutsche des Neuköllner Bades gestürmt und randaliert hatten.
Chef der Bäderbetriebe zeigt sich besorgt – kann aber keine Lösungen präsentieren
Der Chef der Bäderbetriebe, Johannes Kleinsorg, zeigte sich zu Beginn der Woche besorgt: „Die Menge der Vorfälle und das Verhalten einiger Badegäste stellen für unsere sehr engagierten Mitarbeitenden in den Bädern in der Summe eine extreme Belastung dar. Das ist auf Dauer so nicht tragbar.“ Nach solchen Vorfällen steige die Krankenquote stark an. Die Öffnungszeiten in einigen Bädern müssten darum erheblich eingeschränkt werden.
Mit „solchen Vorfällen“ spielte Kleinsorg auch auf ein weiteres Ereignis in einem Berliner Schwimmbad am Wochenende an. Weil er ein Mädchen im Prinzenbad in Kreuzberg angesprochen haben soll, war ein 20-Jähriger niedergeschlagen worden. Er habe multiple Gesichtsverletzungen erlitten, teilte die Polizei am Montag mit. Der Mann soll laut Polizei ein 14-jähriges Mädchen angesprochen haben, worauf dies sich belästigt fühlte. Eine Gruppe um den 17 Jahre alten Bruder des Mädchen prügelte daraufhin laut ersten Erkenntnissen auf den Mann ein.
Das Mädchen soll sich durch den 20-Jährigen belästigt gefühlt haben und deswegen lautstark auf sich aufmerksam gemacht haben. Daraufhin soll ihr 17 Jahre alte Bruder mit mehreren Männern herbeigeeilt sein und sofort auf den Mann eingeschlagen haben.
Zustände in Berliner Freibädern „auf Dauer nicht tragbar“
„Auf Dauer nicht tragbar“, lautet nun also das Fazit des Bäderchefs. Fakt ist allerdings, dass die Probleme in Berliner Freibädern schon mehrere Jahre andauern. Pöbeleien, Tumulte, erhitzte Gemüter: Immer kam es der jüngeren Vergangenheit zu gewalttätigen Konflikten. Betroffen waren allein im vergangenen Jahr unter anderem das Neuköllner Columbiabad, das Olympiabad in Charlottenburg und das Bad am Insulaner in Steglitz. Alles Einzelfälle?
Bisherige Lösungsansätze der Bäder – so etwa der Einsatz von Wachpersonal privater Sicherheitsfirmen oder von Konfliktlotsen des Projekts „Bleib cool am Pool“ an den Sprungtürmen sowie das Schließen von Sprungtürmen und Rutschen führten nicht flächendeckend zum Erfolg. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) fordert Präventivmaßnahmen wie das Durchsetzen von Hausverboten. Das gestaltet sich in der Praxis oft schwierig.
Fritz Schramma mahnt Politik an, Krawallen in Freibädern ein Ende zu setzen
„Dieses Phänomen der Gewalt in und durch Gruppen besorgt uns als Polizeibeschäftigte“, sagt der Bundesvorsitzende Jochen Kopelke dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Wir sehen natürlich auch die vermeidbaren Belastungen der Einsatzkräfte sowie deren Verletzungsrisiko.“
Einen konkreten Grund für solche Ausbrüche könne er nicht nennen. Generell würden aber sinkende Gewalthemmschwellen auffallen – auch der Polizei selbst gegenüber. „Die Fähigkeit, Konflikte gewaltfrei und respektvoll zu lösen, hat durchweg abgenommen.“
Um die Situation in den Griff zu bekommen, brauche es auch die Politik, sagt Fritz Schramma, Präsident der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen (DGfdB). Man sei darauf angewiesen, „dass die politisch Verantwortlichen ihre volle Unterstützung zeigen und innerhalb der Stadtgesellschaft klare Bekenntnisse ausgesprochen werden, wie man sich ein Zusammenleben vorstellt und wie nicht“, so der ehemalige Kölner Oberbürgermeister gegenüber dem RND.
Senatorin will wegen Columbiabad Arbeitsgruppe einrichten
Die Politik scheint sich den Problemen nach langem Zögern nun annehmen zu wollen, schob die Verantwortung trotz erster Schritte aber wieder zu den Bädern. Eine Arbeitsgruppe der Senatsverwaltung solle bisherige Maßnahmen zur Gewaltprävention überprüfen, hieß es am Mittwoch. „Auftrag der Arbeitsgruppe ist es ebenso, sich mit den Ursachen auseinanderzusetzen und hierfür Vorschläge zur Begegnung zu entwickeln“, teilte die Senatsverwaltung für Inneres und Sport am Mittwoch mit.
Innensenatorin Iris Spranger (SPD) sieht dabei insbesondere die Bäder in der Pflicht, die Probleme zu lösen. „Die Berliner Bäder-Betriebe müssen für die Sicherheit in ihren Anlagen Sorge tragen und den Menschen, die Erholung suchen, offenstehen“, teilte sie mit. Dabei werde ihnen der Senat etwa mit Hilfe der Arbeitsgruppe zur Seite stehen. Die Bäder „stehen jedoch in der Pflicht, ihre Verantwortung wahrzunehmen“, hieß es. (mit dpa)