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Vermisster Émile ist totDiese 7 Fälle von verschwundenen Kindern bewegen Frankreich bis heute

Lesezeit 6 Minuten
Dieses Foto wurde am 21. März 2024 in einer Kapelle in La Bouilladisse in Südfrankreich aufgenommen.

Dieses Foto zeigt ein aufgestelltes Bild von Emilé und Blumen und wurde am 21. März 2024 in einer Kapelle in La Bouilladisse in Südfrankreich aufgenommen. Wenige Tage später wurden seine sterblichen Überreste gefunden.

Frankreich trauert um den kleinen Émile. Doch viele denken auch weiterhin an diese 7 vermissten Kinder, von denen bis heute jede Spur fehlt.

Fast neun Monate nach dem spurlosen Verschwinden des zweijährigen Émile in Frankreich herrscht traurige Gewissheit: Der Junge ist tot. Eine Spaziergängerin hatte am Osterwochenende in der Nähe des südfranzösischen Bergdorfs Le Vernet Knochen gefunden. Die genetische Analyse der Ermittler habe ergeben, dass es sich um die Gebeine des seit Anfang Juli vermissten Émile handele, teilte die Staatsanwaltschaft in Aix-en-Provence mit.

Aber das ist nicht der einzige Fall von verschwundenen Kindern, der Frankreich beschäftigt. In den sozialen Netzwerken erinnern die Menschen an andere verschollene Kinder. In den folgenden sieben Fällen fehlt bis heute jede Spur.

Lina Delsarte (vermisst seit September 2023)

Bis heute fehlt jede Spur von Lina Delsarte, einem 15-jährigen Mädchen aus dem Dorf Plaine bei Saint-Blaise-la-Roche im Elsass, das am 23. September 2023 unweit der deutschen Grenze verschwand. Zuletzt wurde sie auf dem Weg zum Bahnhof gesehen, Beweise für ihre Zugfahrt fehlen jedoch. Zeitweise geriet ihr 19-jähriger Freund in den Fokus der Ermittlungen. Ein Jahr vor ihrem Verschwinden hatte sie darüber hinaus Anzeige wegen einer Gruppenvergewaltigung erstattet, das Verfahren wurde jedoch eingestellt.

Umfangreiche Suchaktionen, unter anderem mit Hunden, Drohnen und Tauchern, blieben bislang erfolglos. Sechs Monate nach dem Verschwinden nahm die französische Polizei drei Personen fest. Die drei Verdächtigen seien aufgrund von Unstimmigkeiten in ihren Angaben zum Tag des Verschwindens in Gewahrsam genommen worden, teilte die zuständige Staatsanwaltschaft in Straßburg mit. Sie wurden jedoch wieder freigelassen.


Habib Nedder (vermisst seit Januar 2014)

Am 19. Januar 2014 holte Mehdi Nedder seinen 13 Monate alten Sohn Habib bei der Mutter des Kindes in Toulouse ab, um das Wochenende mit ihm zu verbringen. Er brachte das Kind nicht zurück. Drei Monate später wurde die Leiche des Vaters enthauptet im Fluss Ariège in L'Hospitalet-près-l'Andorre gefunden. Von dem Kind fehlt bis heute jede Spur.

2016 veröffentlichte die Gendarmerie ein gealtertes Foto von Habib. Im Jahr 2022 wurden anlässlich einer Baustelle der EDF in der Nähe eines Wasserkraftwerks neue Ausgrabungen in der Ariège durchgeführt – ohne Ergebnis. Die Mutter Jennifer, die heute im Departement Gers lebt, hofft immer noch, dass Habib noch lebt, vielleicht in Algerien, woher der Vater des Kindes stammt. Die Großeltern haben eine Facebook-Seite eingerichtet, um die Erinnerung an den kleinen Habib wach zu halten.

Der Fall erinnert an den seit Januar 2006 vermissten zweijährigen Felix Heger, dessen Vater Michael Wochen später ebenfalls tot aufgefunden wurde. Von Felix fehlt bis heute jede Spur.


Mathis Jouanneau (vermisst seit September 2011)

Am 4. September 2011 wurde der achtjährige Mathis Jouanneau von seinem Vater Sylvain während eines Wochenendbesuchs in Caen entführt. Die Flucht von Vater und Sohn dauerte über drei Jahre. Der Vater wurde schließlich gefasst und 2015 wegen Entführung und Freiheitsberaubung seines Sohnes zu 20 Jahren Haft verurteilt. Während des Prozesses gab er an, das Kind in die Obhut von Vertrauenspersonen gegeben zu haben, wollte aber keine weiteren Angaben machen.

Das Kind wurde in Frankreich, Spanien, Italien und Marokko gesucht. Bis heute ist Mathis unauffindbar. Der Vater sitzt in der Dordogne in Haft. Die Mutter Nathalie Barré hat 2015 ein Buch in französischer Sprache über die Entführung und das Verschwinden ihres Sohnes veröffentlicht. Übersetzt heißt das Buch „Er hat mir meinen Sohn genommen“. Medienberichten zufolge ermittelt die französische Polizei weiter in dem Fall, der inzwischen als Mordfall behandelt wird.


Antoine Brugerolle (vermisst seit September 2008)

Bis heute fehlt jede Spur von Antoine Brugerolle. Er verschwand im September 2008 in Issoire im Departement Puy de Dôme. Seine Mutter und ihr Lebensgefährte gerieten ins Visier der Ermittlungen, nachdem bekannt wurde, dass der Junge allein gelassen wurde, während sie ein Restaurant besuchten. Trotz intensiver Suche, bei der über 4.000 Haushalte befragt und die Umgebung akribisch abgesucht wurde, blieb Antoine verschwunden.

Antoine mit seiner Mutter Alexandrine.

Antoine mit seiner Mutter Alexandrine. (Archivbild)

Jahre später waren die Mutter und ihr Lebensgefährte in einen Mordfall im Zusammenhang mit Drogenhandel verwickelt und verurteilt. Während der Haft vertraute der nunmehr ehemalige Lebensgefährte einem Mithäftling an, Antoine habe versehentlich Kokain konsumiert und sei daran gestorben. Die Leiche habe man versteckt. Die Ermittlungen zum Verschwinden von Antoine dauern bis heute an, sein Schicksal ist nach wie vor ungeklärt.


Estelle Mouzin (vermisst seit Januar 2003)

Estelle Mouzin war auf dem Heimweg von der Schule in Guermantes im Departement Seine-et-Marne, als sie am 9. Januar 2003 das letzte Mal gesehen wurde. Das Mädchen war damals neun Jahre alt. Trotz intensiver Bemühungen blieb die Suche nach dem Kind erfolglos. Es wurden Zeugenaufrufe gestartet, Hausdurchsuchungen durchgeführt und Verdächtige festgenommen. Im Jahr 2018 erklärte Frankreichs bekanntester Serienmörder Michel Fourniret, er bestreite nicht, an dem Verschwinden beteiligt gewesen zu sein. Ein Geständnis vor dem Untersuchungsrichter lehnte er jedoch ab.

Zwei Jahre später erklärte Michel Fourniret der Richterin, sie könne ihn „als schuldig betrachten“. Im Jahr 2021 gab Monque Olivier, die Ehefrau des Serienmörders, zu, bei der Entführung des kleinen Mädchens eine Rolle gespielt zu haben. Trotz aller Bemühungen und Suchmaßnahmen wurde die Leiche von Estelle nie gefunden. Michel Fourniret starb im Mai 2021 und nahm nicht nur dieses Geheimnis mit ins Grab. Bis heute fehlt unter anderem jede Spur von der 1988 verschwundenen 18-jährigen Marie-Angèle Domèce, deren Ermordung er gestanden hatte.


Marion Wagon

Am 14. November 1996 machte sich die zehnjährige Marion von der Schule in Agen zu Fuß auf den 400 Meter langen Weg nach Hause. Sie kam jedoch nie zu Hause an. Eine groß angelegte Suchaktion wurde eingeleitet, in deren Verlauf ihr Foto tausendfach verbreitet wurde und in den 1990er Jahren sogar auf Milchpackungen in Supermärkten zu sehen war. Mit dieser Methode hatte man insbesondere Anfang der 1980er Jahren in den USA nach vermissten Kindern gesucht.

Der Fall wird immer wieder von den Medien aufgegriffen, was stets ein großes Echo in der Bevölkerung hervorruft. Die größte Pariser Tageszeitung „Le Parisien“ erinnerte 2021 in einem großen Artikel an Marion und stellte unter anderem die Frage, ob nicht auch hier der Serienmörder Michel Fourniret als Täter infrage käme. Die Ermittlungen zu ihrem mysteriösen Verschwinden werden seit 2022 von der Abteilung für ungeklärte Fälle und Serienverbrechen in Nanterre geführt.


Léo Balley

Der Fall Léo Balley ist einer der rätselhaftesten Vermisstenfälle der französischen Kriminalgeschichte, nicht zuletzt, weil er zu den sogenannten „Les disparus de l'Isère“ („Die Verschwundenen der Isère“) gehört, einer Sammelbezeichnung für bis zu zwölf Kinder, die zwischen 1980 und 1996 im französischen Département Isère verschwanden oder ermordet wurden.

Der sechsjährige Junge verschwand am 19. Juli 1996 bei einem Campingausflug mit seinem Vater und einem Cousin im Vercors-Gebirge im Südosten Frankreichs spurlos. Trotz einer sofort eingeleiteten groß angelegten Suchaktion, an der sich Hunderte von Freiwilligen, Polizei und Militär mit Hubschraubern und Suchhunden beteiligten, blieb Léo verschwunden.

Im Laufe der Jahre wurden verschiedene Theorien und Spekulationen aufgestellt, die von einem Unfall in dem unwegsamen Gelände über eine Entführung bis hin zu noch düstereren Szenarien reichten. Die französischen Behörden haben den Fall nie abgeschlossen und er wird regelmäßig wieder aufgenommen, wenn neue Informationen oder Technologien verfügbar werden, die Licht ins Dunkel bringen könnten.

Zu den besagten Kindern, die zwischen 1980 und 1996 verschwunden sind, gehören auch Philippe Pignot (1980, 13 Jahre), Ludovic Janvier (1983, 6 Jahre), Charazed Bendouiou (1987, 10 Jahre) und Léo Balley (1996, 6 Jahre).