Dortmunder Polizeieinsatz in KritikBodycams der Polizisten waren nicht eingeschaltet
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Dortmund/Köln – Die Aufklärung der tödlichen Schüsse durch einen Polizisten auf einen 16-jährigen senegalischen Asylbewerber vor gut einer Woche in Dortmund und die Aufarbeitung des gesamten Einsatzes wirft erste Fragen auf: Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ blieben die Bodycams der zwölf Beamten während des Einsatzes auf dem Innenhof einer Jugendhilfeeinrichtung in der Dortmunder Nordstadt ausgeschaltet. Folglich wurde der Tathergang durch polizeiliche Kameras, die meistens vorne an einer multifunktionalen Weste getragen werden, nicht aufgezeichnet.
Wie weiter zu erfahren war, begründete das Polizeipräsidium Dortmund in einem internen Bericht an das Innenministerium dieses Versäumnis damit, dass es sich bei dem Einsatz am vorvergangenen Montag um eine dynamische Lage gehandelt habe. Im Zuge der Stresssituation habe man vergessen, die Bodycam einzuschalten. Im Innenministerium wollte man sich auf Anfrage nicht zu dem Vorgang äußern. Die Frage des Bodycam-Einsatzes sei Gegenstand der derzeitigen Ermittlungen, hieß es.
Betreuer ging von Suizidgefahr aus
An jenem Nachmittag gegen 16.30 Uhr hatte ein Betreuer die Polizei zur Jungendhilfe-Einrichtung gerufen, weil Mouhamed D. auf dem Innenhof der Einrichtung mit einem langen Messer hantierte; er ging offenbar von Suizidgefahr aus. Zunächst sollen sich vier Zivilbeamten dem psychisch auffälligen Flüchtling genähert haben, um ihn zu beruhigen. Im Fachjargon ist vom „Runtersprechen“ die Rede. Als der Versuch misslang, gab der Dienstgruppenleiter den Befehl, Reizgas einzusetzen, um Mouhamed D. von einem Selbstmordversuch abzuhalten.
Dieser Plan scheiterte, genauso wie der Einsatz von Tasern. Der Jugendliche soll daraufhin mit gezücktem Messer auf die Beamten zugeeilt sein. Kurz bevor er einen der Taser-Polizisten erreichte, soll ein 29-jähriger Polizeikommissar den Angreifer als Sicherungsschütze mit einer Maschinenpistole getötet haben. Dies ist die bisher bekannte Polizeiversion.
Aufnahmen der Bodycams hätten die Darstellung einwandfrei unterfüttern oder widerlegen können. Genau aus diesem Grund waren die 142 Gramm leichten Kameras 2020 auf den Wachen an Rhein und Ruhr eingeführt worden. Das sieben Mal neun Zentimeter große Gerät verfügt über eine auffällige Taste an der Vorderseite, die eigentliche Optik ist am Rand angebracht. Schwarze Aufdrucke auf gelbem Grund weisen auf das Aufnahmegerät hin.
Eine Bodycam fertigt nicht nur Videoaufnahmen in HD-Qualität an, sondern ist auch mit einem Mikrofon ausgestattet. So können Einsätze im Falle einer Aufzeichnung in Bild und Ton nachvollzogen werden. Auch soll der Clip Beweise von Straftaten sichern. „Allerdings besteht keine Pflicht für die Beamten, die Kamera einzuschalten“, sagt Christoph Arnold. Der Bonner Rechtsanwalt vertritt seit Jahren zahlreiche Polizisten in Straf- und Zivilverfahren. „Das Problem ist, dass man etwa 20 bis 30 Sekunden braucht, um eine Bodycam anzuschalten“, führt Arnold aus. „Wenn sich der Beamte aber in einer bedrohlichen Lage befindet, denkt er oft gar nicht daran, die beiden Knöpfe zu drücken, weil er gerade anderes im Sinn hat.“
Seiner Einschätzung nach sei es Glückssache, dass Aufnahmen als Beweis taugten. „Bei schnellen Bewegungen oder in der Nacht kann man häufig nicht viel auf den Videos erkennen“, so Arnold. Das Aufzeichnen mit der Bodycam unterliegt rechtlichen Beschränkungen. So ist der Einsatz in Wohnungen nur dann zulässig, wenn Gefahr für Leib oder Leben besteht. „Auch müssen die Polizisten ihr Gegenüber zuvor darauf hinweisen, dass sie jetzt die Kamera einschalten“, erläutert Arnold. Einzige Ausnahme: Wenn Gefahr im Verzuge ist.