NRW-Schule nimmt StellungSchüler sollen Märchen auf „kanakisch“ bearbeiten
Duisburg – „Murat und Aische gehen dursch Wald, auf Suche nach korrekte Feuerholz“. So beginnt das Arbeitsblatt, das an einer Duisburger Schule an Schülerinnen und Schüler verteilt wurde. Die Überschrift des Zettels lautet „Hänsel und Gretel auf Kanakisch“ – ein Text, der von vielen Seiten wegen Rassismus kritisiert wird. Mittlerweile hat die Schule, die den Titel Europaschule trägt, Stellung bezogen.
Schülerin veröffentlicht rassistisches Arbeitsblatt
Das Arbeitsblatt, das am Krupp-Gymnasium in Duisburg verteilt wurde, ist voll mit rassistischen Stereotypen, sprachlichen Modifikationen, die auf eine vermeintlich migrantisch-geprägte Aussprache hindeuten sollen. So ist etwa zu lesen: „Aische: Normal, isch hab kein Plan, zeigen mal, wie geht!“ oder „Die Hexe buckte sisch, um den Dönerofen anzuschmeissen. In den Augenblick Aische kickte mit korrekten Kick-Box-Kick in die fette Arsch“.
Eine Einordnung oder Erklärung im Arbeitsplatt, warum diese Sprache gewählt wurde? Fehlanzeige. Neben der Sprache bedient auch der Inhalt rassistische Stereotypen: Gewalt, Dummheit, Beleidigung, die in der „deutschen“ Fassung den Figuren nicht in den Mund gelegt wird.
Die Schülerinnen und Schüler sollten laut Zettel dann vier Aufgaben erledigen: Erstens, Abweichung von der Standardsprache bei Wortschatz, Satzbau oder Morphologie benennen. Zweitens, den Begriff „Kanake“ nachschlagen und erklären. Drittens, einen weiteren Text in dieser rassistischen Sprache lesen und bearbeiten. Und Viertens, selbst ein Märchen auf „kanakisch“ umschreiben.
Was wohl ein Versuch war, Jugendsprache, ein durchaus anerkanntes Feld in der Sprachforschung, zu beschreiben und so semantische und morphologische Abweichungen zu erklären, ging klar nach hinten los. Publik wurde der Vorfall unter anderem durch eine Twitter-Nutzerin, die das Arbeitsblatt teilte. Dazu schrieb sie: „Mir sagt man andauernd ich sei viel zu radikal und solle doch etwas entspannter sein. Wie soll ich das deutsche Schulsystem jetzt bitte nicht beleidigen? Welche Reaktion erwartet ihr von mir?“
Viele Userinnen und User zeigten ebenso wenig Verständnis für das Arbeitsblatt aus dem Klett-Verlag. Sie sahen rassistische Äußerungen, einen gescheiterten Versuch, Brücken zwischen verschiedenen Kulturen zu schlagen.
Schulleitung veröffentlicht Statement
Mittlerweile hat auch die Schulleitung Stellung zu dem Vorfall bezogen. „Wir stellen klar, dass sich die Schulgemeinde des Krupp-Gymnasiums eindeutig und entschieden gegen jede Form von Rassismus stellt“, heißt es in einem Statement auf der Schul-Homepage. „Wie in der Vergangenheit so auch in Zukunft steht und lebt das Krupp-Gymnasium die europäischen Werte von Freiheit und Einheit in Vielfalt“, werden die Schulleiterin Benedikte Herrmann und ihr Stellvertreter Martin Goerlich zitiert.
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In einem Statement hat die Schule am Mittwoch erklärt, dass es sich um einen „parodistisch angelegten Text“ handele, der für den Deutschunterricht der Neunten Klasse vorgesehen war. Demnach sei das Arbeitsblatt Teil der mehrwöchigen Reihe „Nachdenken über Sprache – Sprachgebrauch, Sprachwandel, Sprachkritik”. Laut Schule kam die Anregung den Ethnolekt „Kanakisch“ zu besprechen aus den Reihen der Schülerinnen und Schüler.
Die Lehrkraft und die Schulleitung bedauere, dass der Text Unmut und Irritationen ausgelöst hat. Hinzukäme, dass der Text nicht als Parodie im Gesamtkonzept der Unterrichtsreihe wahrgenommen worden sei. Das Arbeitsblatt werde künftig nicht mehr genutzt, schreibt die Schulleitung.
Duisburg ist auch bei Schülerinnen und Schülern stark von Migrantinnen und Migranten geprägt. Laut eines Berichts der Stadt Duisburg aus dem Jahr 2021 machen Migrantinnen und Migranten in der Altersgruppe 6-10 Jahre 27,5 Prozent aus (NRW: 15,5), bei den Zehn- bis Sechzehnjährigen 20 Prozent (NRW, 13.1) und bei den 16- bis 18-Jährigen 16,8 Prozent (NRW 11,3).