„Es ist barbarisch“Tansania will Massai für Großwildjagd aus Serengeti vertreiben
Arusha/Köln – Nachdem sich die Spannungen zwischen der Regierung Tansanias und der Volksgruppe der Massai in den letzten Wochen bereits verschärft hatten, ist es am Wochenende zu einem Ausbruch der Gewalt in der Serengeti-Region des afrikanischen Landes gekommen, das berichten die spanische Zeitung „El Pais“ und Menschenrechtsorganisationen übereinstimmend.
Demnach sei am vergangenen Freitag bei gewaltsamen Auseinandersetzungen zunächst ein Polizist getötet worden. Laut Angaben der Menschenrechtsorganisation „Survival International“ sei am Samstag dann ein Massai von einem Polizeiauto überfahren worden. Insgesamt habe es am Wochenende 44 Verletzte gegeben – die meisten davon seien durch Schüsse verwundet worden.
In den sozialen Netzwerken kursieren Videos der Auseinandersetzungen. Die Regierung bestreitet die Echtheit der Aufnahmen. Die Polizei versuche nun, „diejenigen zu verhaften, die die Videos gemacht haben“, erklärte Fiore Longo von „Survival International“ unterdessen gegenüber der spanischen Zeitung.
Tausende Massai vor Gewalt geflohen
Als Reaktion auf die Repression der Regierung seien mittlerweile tausende Massai in den Busch oder in Wälder geflohen, berichtet die Menschenrechtsorganisation weiter. „Unsere Regierung hat beschlossen, die gesamte Macht des Militärs einzusetzen, um uns von unserem Land zu vertreiben, wobei viele Menschen durch Schüsse verletzt wurden und Kinder im Busch herumlaufen", wird ein anonymer Massai-Vertreter zitiert. „Die Regierung weigert sich, die Verletzten zu behandeln. Viele Menschen sind ohne Nahrung.“ Das Gebiet sei „angestammtes Land“ der Massai. „Es ist barbarisch, unser Land für die Luxusjagd zu nehmen.“
Hintergrund des Konflikts um das Land der Massai in Tansania sind Bestrebungen der Regierung, das Gebiet umzuwidmen, um dort ein Wildreservat zu eröffnen – offenbar auch für die touristische Großwildjagd.
Regierung will Gebiet für Großwildjagd freigeben
Grund für die Vertreibung seien Pläne der „Otterlos Business Company“ aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, die mehrfach Interesse bekundet hatte, in dem Gebiet ein Wildreservat zu schaffen, um Jagdsafaris anbieten zu können, heißt es in der spanischen Zeitung. Aus diesem Grund sollten bereits 2009 Massai-Familien aus der Region vertrieben werden, die Pläne wurden vom Ostafrikanischen Gerichtshof jedoch damals vorerst gestoppt.
Nun folgt offenbar der nächste Versuch Tansanias. Damit würden mehr als 70.000 in dem Gebiet lebende Massai aus ihrer Heimat vertrieben. Die Regierung des Landes behauptet, so berichtet „El Pais“, sie habe den Bewohnern des Gebiets am berühmten Ngorongoro-Krater ein freiwilliges Umsiedlungsprogramm angeboten.
Kritik von der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt
Die „Afrikanische Kommission für Menschen- und Völkerrechte“ rief die Regierung Tansanias am Montag zur Beendigung der Vertreibung der Massai-Gemeinde auf. Der Plan für die Errichtung eines Wildreservats müsse überprüft werden, die betroffenen Gemeinden sollten konsultiert werden.
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Kritik am Vorgehen der Regierung kommt auch aus Deutschland: Angesichts der Zuspitzung des Landkonflikts in der Serengeti-Region hat die Zoologische Gesellschaft Frankfurt (ZGF) jegliche Gewalt verurteilt. Gleichzeitig betonte sie in einer am Wochenende veröffentlichten Stellungnahme, die ZGF habe keinerlei Anteil an der Markierung eines 1500 Quadratkilometer großen Gebiets im Bezirk Loliondo.
„Serengeti darf nicht sterben“ hat Gebiet bekannt gemacht
Die ZGF reagierte bestürzt auf die Berichte über Gewalt und betonte, sie erkenne das Recht der örtlichen Bevölkerung auf Sicherung ihres Lebensunterhalts an und arbeite bei ihren Projekten eng mit den örtlichen Gemeinden zusammen. Das insgesamt etwa 4000 Quadratkilometer umfassende Loliondo-Gebiet sei ein wichtiger Teil des Serengeti-Ökosystems, ein wichtiger Weidegrund der Massai und ein bedeutsames Wasserhaltebecken für Menschen, Vieh und Wildtiere.
Die als Weltnaturerbe ausgezeichnete Serengeti ist das älteste Projektgebiet der Frankfurter Zoologischen Gesellschaft. Der damalige Frankfurter Zoodirektor Bernhard Grzimek hatte das Gebiet mit seinem Film „Serengeti darf nicht sterben“ weltweit berühmt gemacht und die Bedeutung des Schutzes großer Wildnisgebiete betont. (mit dpa)