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Interview mit Filmstar Emma Thompson„Was soll denn dieser lächerliche Jugendwahn?“

Lesezeit 7 Minuten

Emma Thompson

  1. Die Schauspielerin Emma Thompson spielt in der neuen Komödie „Late Night – Die Show ihres Lebens” eine Talk-Show-Moderatorin.
  2. Diese Rolle hat ihr vor allem aus einem Grund sehr viel Spaß gemacht hat.
  3. Ein Gespräch über würdevolles Altern als Frau, die Gefahren, als erfolgreiche Schauspielerin im Show-Business größenwahnsinnig zu werden und ihr monatelanges Schweigen, wenn sie in Arbeitsprojekten versinkt.

Mrs. Thompson, Sie waren schon in vielen Talk-Shows zu Gast. Konnten Sie da auch hinter die Kulissen schauen? Und hat Ihnen das bei der Vorbereitung auf Ihre Rolle geholfen?

Bis man in diesen Talk-Shows endlich selbst auftritt, wartet man ja in einem Green-Room, und da kriegt man schon viel von der Hektik mit, die bei solchen Live-Shows hinter der Bühne aufkommt. Aber ich habe natürlich nie die Erfahrung gemacht, wie es wirklich im Writer’s Room zugeht. Also dort, wo all die kreativen Köpfe die Witze, Sketche und Gags für die Show erfinden. Ganz im Gegensatz zu Mindy Kaling, die unser Drehbuch schrieb und auch selbst eine Rolle übernommen hat. Mindy hat mir erzählt, dass sie in der Late Night Show von Conan O’Brien als Praktikantin gearbeitet hat. Aus dieser Zeit sind sicher viele Erfahrungen und Beobachtungen ins Drehbuch mit eingeflossen.

Im Film sind Sie eine sehr reiche, erfolgreiche und privilegierte Frau – wie auch im wirklichen Leben.

(Lacht) Ja, es trifft zu, dass ich schon lange ein sehr gutes Leben führen kann. Ich habe – im Vergleich zu anderen Frauen und gerade auch zu Schauspiel-Kolleginnen – sehr viel Glück gehabt. Ich fühle mich dadurch tatsächlich sehr privilegiert. In den zurückliegenden Jahren habe ich viele Reisen in sogenannte Dritte-Welt-Länder und in Krisengebiete unternommen; ich war oft sehr bestürzt zu sehen, unter welchen Bedingungen Frauen dort leben, überleben müssen. Zu diesen Missständen habe ich mich auch oft in Zeitungen und anderen Medien geäußert, bin mir also über dieses Ungleichgewicht sehr im Klaren.

Sie spielen diesen Part nicht nur mit viel Leidenschaft, sondern Sie verstecken Ihr Alter nicht. Wurden sie nicht schon gefragt, ob sie dem natürlichen Alterungsprozess entgegenwirken wollen?

Nein, absolut nicht. Ehrlich gesagt, finde ich diesen kindischen Umgang mit dem Alter sehr schlimm. Wann akzeptieren wir endlich, dass das Älterwerden ein ganz natürlicher Prozess bei jedem von uns ist? Was soll denn dieser lächerliche Jugendwahn? Dadurch pflanzen wir unseren Kindern doch nur die Angst vorm Älterwerden ein. Und das finde ich wirklich schändlich. Ganz abgesehen davon will ich jeden einzelnen Tag freudig erleben. Ich bin so froh, dass ich noch am Leben bin! Denn viele meiner Freunde sind in den letzten Jahren leider viel zu früh gestorben.

Wie haben Sie denn Ihre künstlerischen Ansprüche mit der harten Business-Realität vereinbart?

Ich habe keine Business-Meetings. Und mit Studio-Bossen spreche ich nur, wenn die mal am Set auftauchen und fragen, ob alles okay ist; dann sage ich natürlich: „Alles Bestens!“ Und sie ziehen zufrieden wieder ab.

Drehbuchautorin und Schauspielerin: Emma Thompson

Sie machen aus Ihren politischen Überzeugungen und Ihrer sozialen Verantwortung keinen Hehl. Hat Ihnen diese Offenheit nie geschadet?

Sie meinen, ob ich dadurch schon mal eine Rolle verloren oder erst gar nicht bekommen habe? Nicht, dass ich wüsste. Und wenn es so gewesen wäre, würde mir das überhaupt nichts ausmachen. Andererseits musste ich mir mein Standing in einer sehr männlich dominierten Welt auch hart erkämpfen. Vor allem als ich noch als Autorin im TV-Sender Chanel 4 mein Geld verdienen musste. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich einmal ein Comedy-Special schrieb, in dem sich meine Mutter über Penisse ausließ. Das fanden die Channel-4-Herren gar nicht witzig. Erst als ich ihnen den Sketch vorspielte, gaben sie mir grünes Licht.

Sie sind selbst eine sehr erfolgreiche Drehbuchautorin. Was halten Sie von Mindy Kalings Drehbuch zu „Late Night – Die Show ihres Lebens“?

Mindys Script war das beste Drehbuch, das ich seit Jahren gelesen habe. Und auch der Grund, warum ich diesen Film unbedingt machen wollte. Es war witzig, wortgewandt, authentisch und herzerwärmend, ja sogar weise. Wenn es dann auch noch einen paar gute Botschaften enthält, die durchaus zum Nachdenken anregen, finde ich das wirklich sehr gut. Aber das ist nur das Plus von „Late Night – Die Show ihres Lebens“. Denn ich würde nie einen Film machen, der nur platte Messages unter die Leute bringen will.

Werden Ihnen oft Rollen auf den Leib geschrieben?

O Gott, ja! Und als Mindy mir sagte, sie habe mir diese Rolle auf den Leib geschrieben, war ich zuerst sehr skeptisch. Denn wenn Leute das machen, geht es oft schief. Sie wollen einem doch meist nur schmeicheln – und das funktioniert bei mir gar nicht. Aber nicht so Mindy. Sie hat mir mit Katherine Newbury eine Rolle aus echtem Fleisch und Blut gegeben, mit vielen Ecken und Kanten. Meilenweit entfernt von jedem Klischee – und jeder Bauchpinselei. Doch die nächste Hürde war dann: Wie ist diese Mindy denn wirklich? In der täglichen, kreativen Zusammenarbeit? Und da waren wir schnell auf derselben Wellenlänge. Wir haben uns gegenseitig dabei geholfen, die Szenen immer besser und witziger zu machen. Wissen Sie, für mich ist es sehr wichtig, dass man mir bei meiner Arbeit die Wahrheit sagt. Wenn etwas nicht funktioniert, dann soll man mir das bitte schön auch deutlich machen und es nicht weichspülen, um mich zu schonen. Mit Mindy hatte ich eine Verbündeten am Set, und so etwas ist sehr selten, sehr erfrischend und gut.

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Der Film ist oft sarkastisch. Er macht sich über stereotypisches Rollenverhalten und Vorurteile lustig. Leider mündet er in ein märchenhaftes Happy-End. Hätten Sie sich einen realistischeren Schluss gewünscht?

Ich habe überhaupt nichts dagegen, dass der Film so positiv endet. Mindy wollte keinen der Charaktere als Opfer darstellen und schon gar nicht mich als Late-Night-Host. Alle Rollen in diesem Film sind dreidimensionale Figuren, die sich im Laufe des Films auch entwickeln. Mindy hatte den Mut, die Erwartungen der Zuschauer zu unterlaufen und ihre eigene, starke Version dieser Geschichte zu liefern. Sie spielt sich auf gewisse Weise selbst: Dass sie als indische Frau in der amerikanischen Film-und Fernseh-Branche oft als Quoten-Frau eingesetzt wurde, entspricht ja ihrer eigenen Biografie.

Was hat Sie davor bewahrt, trotz Ihres großen Erfolges nicht in die Selbstglorifizierung abzurutschen?

(Denkt lange nach) Ich versuche, den Ansprüchen meiner Mutter gerecht zu werden. Ganz im Ernst: Ich versuche, die Erwartungen meiner Mutter zu erfüllen. Sie ist eine echte Schottin. Sie ist absolut unfähig stolz zu sein. Auf mich oder irgendwen sonst in meiner Familie. Denn das tut man einfach nicht. Wir wohnen beide in derselben Straße, in der ich auch aufgewachsen bin. Seit 60 Jahren lebe ich in derselben Straße in London und demselben Dorf in Schottland - also mein ganzes Leben lang. Da ist kein Platz für Allüren. Und in dieser Straße da gibt es auch noch Mr. Carmelli, einen portugiesischen Automechaniker, der sehr unverschämt sein kann. Der brüllte mir lange Jahre immer nach: „Was hast du jetzt schon wieder gemacht, Emma? Du kannst die Welt doch nicht ändern, du dummes Mädchen! Warum bist du nicht schwanger?“

Und wenn Ihre Kollegen Sie loben…

… dann wirkt das auf mich wie Kryptonit auf Superman. (Lacht) Meine Mutter ist mein Kryptonit. Sie würde mich nie dafür loben, wenn ich etwas gut gemacht habe. Das wäre einfach das natürlichste von der Welt. Sie würde einfach fragen: „Was machst du als Nächstes?“ Meine Erziehung hat mich davor bewahrt, größenwahnsinnig zu werden.

Wie sehr definieren Sie sich durch Ihre Arbeit?

Mehr, als ich möchte. Vor allem wenn ich schreibe, bin ich auch immer sehr persönlich. Und auch das empfinde ich als großes Privileg. Das Schreiben hilft mir ganz sicher bei meiner Selbstfindung. Es hilft mir, mich selbst besser zu verstehen. Aber schreiben kann man ganz alleine. In einem Zimmer, mit Papier und Bleistift. Oder auf dem Laptop. Ich weiß also gar nicht, ob es auf mich zutrifft, dass ich mich über meine Arbeit definiere… Denn oft arbeite ich ja gar nicht. Ich habe auch schon mal ein paar Jahre Pause gemacht. Und da verbringe ich oft sehr viel Zeit ganz mit mir allein. Ich meine: monatelang. Da spreche ich mit niemanden. Übrigens sehr zum Verdruss meines Ehemannes.

Sie sprechen monatelang nicht mit Ihrem Mann?

(Lacht) Okay, bei ihm mache ich meist eine Ausnahme.