Seine Reise steht unter anderen Vorzeichen, als zu Zeiten der Regentschaft seiner Mutter. Der Gastgeber hat Forderungen an König Charles.
Blutige VergangenheitKönig Charles III. mit Camilla vor schwieriger Reise
Nächste Woche wird König Charles III. in Kenia erwartet – laut Buckingham Palace, um die „warme Beziehung“ zwischen England und dem ostafrikanischen Land aufzufrischen. Allerdings dürfte es trotz Einladung von Präsident William Ruto kein Freundschaftsbesuch werden: Die Kenianer fordern von London Entschädigungen für brutale Kolonialverbrechen.
Es war Kenia, wo Elizabeth II. als Prinzessin ankam und als Königin abreiste. Während eines Besuchs in der damaligen Kolonie hatte sie vom Tod ihres Vaters erfahren; damit wurde sie über Nacht Staatsoberhaupt. 72 Jahre später, von 31. Oktober bis 3. November, wird Kenia das erste Commonwealth-Mitglied, dem ihr Sohn als König eine Visite abstattet.
König Charles III. und Camilla reisen nach Kenia
Das Fachmagazin „The Africa Report“ schreibt von einem „hochsymbolischen“ Besuch: Im Dezember feiert Kenia den 60. Jahrestag seiner Unabhängigkeit. „Jede Aussage wird vom Monarchen sorgsam abgewogen und von den ehemals Kolonisierten genauestens geprüft“, so das Magazin. Kenia und das englische Königshaus verbindet eine absurde Beziehung. Noch im Jahr von Elizabeths historischem Besuch 1952 begann in der ostafrikanischen Kolonie der sogenannte Mau-Mau-Aufstand.
In einer jahrelangen Rebellion, die bald Züge eines Bürgerkriegs annahm, lehnten sich Freiheitskämpfer gegen die englische Verwaltung und die weißen Siedler im Land auf. „Die Kolonialregierung behandelte Afrikaner wie Sklaven. Irgendwann fragten sie sich, warum sie in ihrer eigenen Heimat so mit sich umgehen lassen sollten“, erinnerte sich ein Veteran im BBC-Interview. Doch die Rebellion stieß auf brutale Reaktion: Mehr als 90.000 Widerstandskämpfer wurden von britischen Soldaten unterjocht, gefoltert oder verstümmelt, mehr als 10.000 getötet.
König Charles soll Regierung an Entschuldigung für Kenia erinnern
Und die Queen? Sie wurde trotz dunkler Vergangenheit weiterhin mit allen Ehren empfangen. Nachdem Elizabeth die Staatsführung 1963 an den ersten Unabhängigkeitspräsidenten Jomo Kenyatta übergeben hatte, kam sie noch dreimal zum Staatsbesuch.
Nach ihrem Tod beteuerte Präsident Ruto: „Wir werden die herzliche Beziehung vermissen, die sie zu Kenia pflegte.“ Jedoch, wie das offizielle Nairobi denken bei weitem nicht alle Kenianer. „Ich hoffe, dass man König Charles daran erinnert, dass die englische Regierung Kenia eine Entschuldigung schuldet“, sagt der ehemalige Freiheitskämpfer Koigi Wamwere.
2013 versprach London mehr als 5.000 Folteropfern des Mau-Mau-Aufstands finanzielle Entschädigungen. Eine aufrichtige Entschuldigung aber fehlt bisher. Auf Worte der Reue hoffen viele Kenianer deshalb ebenso wie auf die längst überfällige Wahrheit: Tausende Unabhängigkeitskämpfer wurden in britischer Gefangenschaft erhängt oder erschossen. Ihre Leichen gelten bis heute als verschollen; so auch jene des legendären Rebellenführers und Nationalhelden Dedan Kimathi.
Königin Camilla will Kooperationen hervorhebe
Können Charles und die Londoner Regierung die historischen Verbrechen aufklären? „Das Programm Ihrer Majestäten“ – Königin Camilla reist mit – „wird widerspiegeln, wie Kenia und das Vereinigte Königreich zusammenarbeiten“, heißt es aus dem Buckingham Palace. Gemeinsames Wachstum, Klimawandel, Jobprogramme für Jugendliche. Doch auch die „schmerzhaften Aspekte“ der gemeinsamen Beziehungen sollen Thema sein.
So wolle sich Charles Zeit nehmen, um mehr über die „Missstände“ zu erfahren, unter denen die Kenianer in den 50ern litten. Ob es tatsächlich zu einer Entschuldigung für Kolonialverbrechen kommt, ist fraglich. Fest steht aber, die Probleme nehmen nicht ab. Im Gegenteil.
So belasteten zwei Vorfälle in jüngerer Vergangenheit die strapazierte Beziehung zwischen England und den Kenianern von Neuem. 2012 wurde eine junge Mutter tot aufgefunden, mutmaßlich ermordet von einem englischen Soldaten. Die Familie der 21-jährigen Agnes Wanjiru fordert Aufklärung. 2021 geriet die englische Armee erneut in die Schlagzeilen, nachdem ein Flächenbrand Teile des Bezirks Laikipia verwüstet hatte; infolge einer britischen Militärübung. Die Bewohner leiden durch die freigesetzten Giftgase bis heute unter Atem- und Sehproblemen.
Mehr als 100 seien in den vergangenen zwei Jahren gestorben, während sie um Wiedergutmachung kämpften, berichten kenianische Medien. „Wir sind nicht bereit, noch länger zu warten“, betonen die Opfer. Sie planen anlässlich von Charles' Besuch eine Demo vor der britischen Botschaft in Nairobi. (kna)