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Kommentar

Kolumne
Kate –Das Märchen von der perfekten Prinzessin

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Lesezeit 3 Minuten
Kate Middleton trifft zu ihrer Hochzeitszeremonie ein

Prinzessin Catherine bei ihrer Hochzeit (Archivbild)

Catherine war selbst nachts im Bett perfekt frisiert und ganz allgemein die perfekte Ehefrau, Mutter, Tochter, Schwiegertochter, Prinzessin, Herzogin und Königin in spe. Ein Märchen.

In alter Zeit, als das Wünschen noch geholfen hat, lebte eine Prinzessin auf einer Insel, die bekannt war für guten Fußball, schlechte Zähne und mieses Essen in Minzsoße. Die Prinzessin hieß Catherine Elizabeth Viktualia Rollgardina Middleton, und sie war perfekt. Sie hatte drei perfekte Kinder und 32 perfekte Zähne und war stets in perfekte Gewänder gekleidet.

Sie stand morgens um Punkt 6 Uhr auf, schlüpfte mit den Füßen in perfekt ausgerichtete Hausschuhe, gab ihrem Prinzen einen perfekt temperierten Kuss und aß ein Frühstück mit perfekt austarierten Nährwerten. Ihr Blutdruck, ihre Laune, ihr Cholesterinspiegel, ihre Handtasche – alles perfekt.

Die Prinzessin tat, sagte und dachte stets das Richtige. Nie stolperte sie, nie hatte sie Schluckauf, nie stieß sie sich den Kopf an einem offen stehenden Küchenoberschrank. Sie war selbst nachts im Bett perfekt frisiert und ganz allgemein die perfekte Ehefrau, Mutter, Tochter, Schwiegertochter, Prinzessin, Herzogin und Königin in spe. Prinzessin Kate war außerdem viel, viel perfekter als ihr Schwager und ihre Schwägerin, die als prekär beschäftigte Influencer in Amerika lebten.

„Bitte mach doch endlich auch mal einen Fehler!“

Kate war sogar so perfekt, dass ihre Perfektion den Menschen auf der Insel auf die Nerven zu gehen begann. Denn die waren nicht perfekt. Sie aßen zu viel frittierten Fisch, erkoren seltsame Leute zu ihren Anführern, trafen Entscheidungen zu ihrem Nachteil und wunderten sich dann, dass die Regale ihrer Supermärkte leer und ihre Kneipen wegen Personalmangels geschlossen waren. „Bitte mach doch endlich auch mal einen Fehler!“, dachten sie insgeheim, wenn sie Prinzessin Kate im Fernsehen sahen. „Es ist ja nicht zum Aushalten.“

Eines Tages verschwand die Prinzessin. Festliche Bälle im Schloss – ohne sie. Die Eröffnung des neuen Gemeindezentrums in South-Birmingham-on-Toast – ohne sie. Viele Monde vergingen ohne Prinzessin Kate. Man munkelte, sie sei in Behandlung beim königlichen Leibarzt.

Dann jedoch, endlich, veröffentlichten die königlichen Herolde ein wonnigliches Bildnis, das die Prinzessin im Kreise ihrer Kinder zeigte. Das Bild weckte den Argwohn des Volkes, und schnell zeigte sich eine Sensation: Zum allerersten Mal in ihrem Leben hatte Prinzessin Kate einen Fehler gemacht! Mit den Mittel alchemistischer Bildbearbeitung hatte sie versucht, das Ausmaß ihrer Perfektion noch zu steigern. Das Volk war beruhigt: „Sie ist doch eine von uns!“ Es gibt tatsächlich eine Sache, die die Prinzessin nicht beherrscht: Photoshop!

Und das erklärt auch den rätselhaften Eingriff des Leibarztes zuvor: Prinzessin Kate ist chirurgisch das Perfektionsgen entnommen worden, um sie den Menschen ähnlicher zu machen. Prompt ist auch sie in der Lage, zu dilettieren. Und wer weiß: Vielleicht werden wir sie bald auch einmal stolpern oder gar husten sehen. Und so lebt sie nun glücklich und zufrieden und wird dereinst eine perfekt unperfekte Königin sein bis ans Ende ihrer Tage.

Schönes Wochenende!


Dieser Text gehört zur Wochenend-Edition auf ksta.de. Entdecken Sie weitere spannende Artikel auf www.ksta.de/wochenende.


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