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Kommentar zu Ralf Schumacher
Braucht man 2024 noch ein Coming-out? Ja!

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Ex-Formel-1-Profi Ralf Schumacher.

Ex-Formel-1-Profi Ralf Schumacher.

Die Reaktionen auf Ralf Schumachers Coming-out zeigen, warum es immer noch wichtig ist, dass Promis öffentlich über ihre Sexualität reden.

Wer daran zweifelt, dass es heutzutage noch notwendig ist, dass sich Prominente in der Öffentlichkeit outen, muss nur einen Blick unter den Instagram-Post von Ex-Formel-1-Profi Ralf Schumacher werfen, in dem er seine Beziehung zu seinem Partner öffentlich macht.

Kotz-Emojis, unverblümte Homophobie, Hinweise auf die Unvereinbarkeit von Queerness und Religion, Beiträge, die Ex-Frau Cora Schumacher für seine Homosexualität verantwortlich machen. Wer die Reaktionen auf das Coming-out des ehemaligen Rennfahrers auf Social Media liest, braucht starke Nerven.

Ralf Schumacher zeigt sich Arm in Arm mit Partner

Schumacher war ein erfolgreicher Rennfahrer. Der Bruder von Michael Schumacher bestritt 180 Formel-1-Rennen, von denen er sechs gewann. Er war 14 Jahre mit Cora Schumacher verheiratet und hat mit ihr den Sohn David, der ebenfalls Rennfahrer ist.

„Das schönste im Leben ist, wenn man den richtigen Partner an seiner Seite hat, mit dem man alles teilen kann“, schrieb der 49-Jährige am Sonntag auf Instagram. Ein Foto zeigt ihn Arm in Arm mit seinem Partner. Und so einfach sollte es doch sein, oder nicht?

Vielleicht in einer perfekten Zukunft. Denn die Realität sieht für viele Menschen aus der LGBTQ+-Community noch anders aus. 2023 gab es 1.499 Straftaten in Bezug zu sexueller Orientierung und 854 Straftaten in der Kategorie geschlechtsbezogene Diversität, wie aus Daten des Bundesinnenministeriums und des Bundeskriminalamts hervorgeht. Das bedeutet im Vergleich zum Vorjahr jeweils eine 50%ige bzw. 100%ige Steigerung der Vorfälle.

Queerness ungern gesehen im Profisport

Das Coming-out von Prominenten hat immer eine Strahlwirkung auf die gesamte Community. Sicher ist Ralf Schumacher nicht der wichtigste Promi in Deutschland. Dennoch schlägt seine Homosexualität Wellen. 

Das mag auch daran liegen, dass das Thema Homosexualität im Sport nach wie vor komplex ist. Während Profifußballerinnen vergleichsweise wenig Probleme haben, ihre Sexualität öffentlich zu machen, sieht das bei männlichen Sportlern oft anders aus. Zwar wird das Thema Coming-out während einer aktiven Profikarriere in Deutschland mittlerweile viel diskutiert, doch ist die Zahl der Spieler, die diesen Schritt bisher gewagt haben, noch sehr klein.

Wie wirkungsvoll es sein kann, die eigene Sexualität auch im Kleinen - im eigenen Umfeld - nicht zu verstecken, zeigt das Beispiel des bisexuellen Amateur-Fußballschiedsrichters Pascal Kaiser aus Köln. Im Gespräch mit dieser Zeitung berichtete er, dass sich nach seinem Coming-out viele Spieler bei ihm gemeldet hätten, die sich durch ihn inspiriert ebenfalls geoutet hätten. „Du hast mir Mut gemacht“, habe er von vielen gehört.

Ralf Schumacher wird mit seinem Coming-out vielen Menschen Mut machen

Auch Ralf Schumacher wird mit seinem Coming-out vielen Menschen Mut machen. Mehr als 350.000 Likes hat sein Instagram-Beitrag in weniger als 24 Stunden erhalten, Tendenz steigend. Vielleicht outet sich, inspiriert von ihm, ein weiterer Rennfahrer. Vielleicht wagt ein Fußballprofi den Sprung ins kalte Wasser.

Und - mindestens genauso wichtig - vielleicht wird ein Kölner Rechtsanwalt, eine Bamberger Kassiererin oder eine nicht-binäre Lehrkraft aus einem 1000-Seelen-Dorf endlich die Befreiung spüren, sich auch in der Öffentlichkeit nicht mehr verstecken zu müssen. Solange es 2024 für queere Menschen immer noch nicht selbstverständlich ist, ihre Sexualität offen zu leben, ohne in ihrem Umfeld homophob angefeindet zu werden, können Promis einen Schritt zur Normalisierung beitragen. Und allein deshalb ist Schumachers Coming-out genauso notwendig, genauso wichtig wie all die Coming-outs mutiger Menschen vor ihm.