2023 gab es 30 Mal mehr Masernfälle in der Region Europa als 2022. Das hochansteckende Virus kann zu Behinderungen und Tod führen.
„Müssen dringend Maßnahmen ergreifen“WHO und Virologen schlagen wegen Anstieg von Masern-Fällen Alarm
Das Regionalbüro der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Europa schlägt Alarm: Zwischen Januar und Oktober 2023 seien in der Region 30 Mal so viele Masernfälle registriert worden wie im ganzen Jahr davor. In diesem Zeitraum seien aus 40 der 54 Mitgliedsstaaten der Region, die sich bis Zentralasien erstreckt, über 30.000 Fälle gemeldet worden – gegenüber 941 Fällen im gesamten Jahr 2022, teilte das WHO-Büro am Dienstag mit.
WHO warnt vor Masern: Hochansteckende Viruserkrankung auf dem Vormarsch
Ein Trend, den Virologen mit Sorge betrachten. „Aktuell starker Anstieg von Masern. Masern sind hochansteckend, können schwere Akuterkrankung und schwere Komplikationen hervorrufen“, schreibt Isabella Eckerle am Montag auf X, vormals Twitter. Die bekannte deutsche Virologin und Professorin mahnt an, dass es seit Jahrzehnten eine wirksame Impfung gegen Masern gebe. „Kein Kind (auch kein Erwachsener!) sollte heute an Masern erkranken. Sogar Ausrottung wäre möglich“, so Eckerle.
Die Impfquoten gegen Masern sind laut WHO während der Corona-Pandemie weltweit gesunken. Im Jahr 2022 erhielten 83 Prozent der Kinder in ihrem ersten Lebensjahr eine erste Masernimpfung, 2021 waren es demnach sogar nur 81 Prozent. Vor Beginn der Corona-Pandemie lag der Wert laut WHO noch bei rund 86. Im Jahr 2021 gab es weltweit schätzungsweise 128.000 Todesfälle durch Masern, die meisten davon bei unter- oder ungeimpften Kindern unter fünf Jahren.
Enormer Anstieg von Masern in Europa: Virologin Isabella Eckerle rät zur Impfung
Anhaltende Immunitätslücken und verpasste Impfungen hätten viele Menschen, darunter eine größere Zahl von Kindern, für diese potenziell tödliche Krankheit anfällig gemacht. Allein in der WHO-Region Europa wurden demnach rund 1,8 Millionen Säuglinge zwischen 2020 und 2022 nicht gegen Masern geimpft.
Umso dringlicher sei es, die Impfanstrengungen zu verstärken, um eine Wiederausbreitung zu verhindern, erklärte das Regionalbüro. Alle Länder müssten darauf vorbereitet sein, „Masernausbrüche rasch zu erkennen und rechtzeitig darauf zu reagieren“, so WHO-Regionaldirektor Dr. Hans Kluge. Sonst wären die Fortschritte bei der Ausrottung der Masern in Europa gefährdet.
Isabella Eckerle zu Masern: „Nicht auf Schwurbler reinfallen“
„Eltern mit Zweifeln zur Impfung empfehle ich, sich bei seriösen Quellen zu informieren und mit Ihrem Kinderarzt zu sprechen. Die Masern sind einfach eine furchtbare Infektionskrankheit und jedes Kind hat es verdient, davor geschützt zu sein. Bitte: Nicht auf Schwurbler reinfallen“, wird Isabella Eckerle deutlich.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach hatte bereits im Sommer 2022 hinsichtlich der Bestätigung der Masern-Impfpflicht durch das Bundesverfassungsgericht klar Stellung bezogen. „Eine Masernerkrankung ist lebensgefährlich – für die Erkrankten und ihr Umfeld“, so der SPD-Politiker. Es sei deshalb Aufgabe des Staates, Infektionen in Gemeinschaftseinrichtungen wie Kitas oder Schulen zu vermeiden. „Wer dort betreut oder unterrichtet wird und wer dort arbeitet, muss nachweislich vor einer Maserninfektion geschützt sein. Und für alle anderen ist die Masernimpfung ein Gebot der Vernunft.“
Massiver Anstieg bei Masernfällen in Europa besorgt WHO
Am stärksten von Masernfällen betroffen waren laut Angaben der aktuellen WHO-Erhebung Kasachstan und Russland mit jeweils mehr als 10.000 Fällen. In Westeuropa war Großbritannien mit insgesamt 183 gemeldeten Fällen am meisten betroffen. Besonders „besorgniserregend“ sei es, dass es in dem Zeitraum 21.000 Einweisungen in Krankenhäuser und fünf Todesfälle gegeben habe, erklärte WHO-Regionaldirektor Dr. Hans Kluge.
„Wir haben in der Region nicht nur einen 30-fachen Anstieg der Masernfälle, sondern auch fast 21.000 Krankenhausaufenthalte und fünf masernbedingte Todesfälle (in zwei Ländern) zu verzeichnen. Die Impfung ist die einzige Möglichkeit, Kinder vor dieser potenziell gefährlichen Krankheit zu schützen. Es müssen dringend Impfmaßnahmen ergriffen werden, um die Übertragung zu stoppen und eine weitere Ausbreitung zu verhindern“, erläutert Dr. Kluge.
In Großbritannien warnte die Leiterin der britischen Gesundheitsbehörde (UKHSA) Ende Januar, dass sich das Vereinigte Königreich in Bezug auf die Ausbreitung der Masern auf einem „Weg der Verschlechterung“ befinde. Prof. Dame Jenny Harries sagte, es seien „konzertierte Maßnahmen“ erforderlich, um das Virus zu bekämpfen. Die meisten Menschen hätten nichts gegen eine Impfung für ihr Kind, es bedürfe aber mehr Aufklärung, um sie in dieser Entscheidung zu bestärken.
Masern vor allem für Kleinkinder sehr gefährlich
„Was wir im Moment bei den Masern beobachten, ist, dass die Menschen vergessen haben, was für eine ernste Krankheit es ist ... Wir hatten sehr hohe Impfraten, vor allem bei jungen Familien, aber sie sind im Moment niedrig“, so Prof. Dame Jenny Harries im englischen „Guardian“.
Die Masern zählen zu den hochansteckenden Infektionskrankheiten. Ungeimpfte Kleinkinder und Schwangere haben das höchste Risiko für schwere Masernkomplikationen. Die Übertragung des Virus erfolgt beispielsweise durch Husten, Niesen oder Sprechen. Zu den häufigsten Symptomen gehören Fieber, Husten, Schnupfen und ein rötlich-brauner Hautausschlag.
Das Virus ist äußerst gefährlich, kann zu schweren Komplikationen, lebenslanger Behinderung und zum Tod führen. Masern können Gehirnentzündungen verursachen und sogar Jahre später zu einer äußerst seltenen, aber tödlichen Spätfolge führen – der subakuten sklerosierenden Panenzephalitis (SSPE). (mit afp/dpa)