Die Grünen sagen Nein zum Schulden-Plan von Union und SPD. Damit fehlt die Zweidrittel-Mehrheit im Bundestag: „Jetzt hat Friedrich Merz ein echtes Problem“, stellte Louis Klamroth am Montag bei „Hart aber fair“ fest.
„Etikettenschwindel“Grünen-Chef Banaszak übt harte Kritik am schwarz-roten Schuldenplan

Der zugeschlatete Co-Vorsitzende der Grünen, Felix Banaszak, sparte bei „Hart aber fair“ nicht mit Kritik am Schuldenplan von Union und SPD. (Bild: WDR/Dirk Borm)
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Louis Klamroths Timing hätte kaum besser sein können: Da lud er Montagabend zum Thema „Alte Krisen, neue Schulden - was bringt Schwarz-Rot?“ ein - und am selben Tag verkündeten die Grünen ihr „Nein“ zum riesigen Investitionspaket von Union und SPD. „Jetzt hat Friedrich Merz ein echtes Problem“, brachte es der Hart aber fair-Moderator auf den Punkt - denn damit fehlt die benötigte Zweidrittel-Mehrheit im Bundestag.
Für „Table Media“-Chefredakteur Michael Bröcker kam die Reaktion der Grünen nicht überraschend: „Das, was die Union gemacht hat, kann mam nicht einfach so abschütteln“, sprach er die feindselige Haltung von Unions-Politikern wie etwa CSU-Chef Markus Söder an: „Das ist wie ein Teenager, der versucht ein Mädchen zum Date zu überreden, Er hat es ein Jahr lang bespuckt“, brachte er einen plakativen Vergleich, „und im neuen Schuljahr fragt er: Willst du mit mir gehen. So einfach geht es nicht.“
„Hart aber fair“: Klimakrise komplett ignoriert
Bei dem Bild musste der aus Berlin zugeschaltete Co-Bundesvorsitzende der Grünen, Felix Banaszak, grinsen. „Uns geht es um die Sache“, wollte er das Nein allerdings nicht als Teil eines „Pokerspiels“ - wie es Nordrhein-Westfalens CDU-Innenminister Herbert Reul vorher formuliert hatte - verstanden wissen. Der Vorschlag sei „Etikettenschwindel“ und ein „Verschiebebahnhof“. Zudem würden viele notwendigen Dinge, allen voran die „zentrale Zukunftsherausforderung unserer Zeit: die Klimakrise und ihre Bewältigung“ zurückstehen.

Louis Klamroth (Mitte) begrüßte (von links nach rechts) ARD-Reporter Vassili Golod, Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU), die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD), Linken-Chef Jan van Aken, Wirtschaftsexpertin Veronika Grimm und den Journalisten Michael Bröcker im Studio. (Bild: WDR/Dirk Borm)
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„Die Union hat die Ampel wegen 60 Milliarden Euro verklagt - und jetzt wollen sie 500 Milliarden schaffen und sich einen Blankoscheck dafür holen“, sagte Banaszak unter Applaus. Das wäre so nicht möglich: „Wenn sie die Stimmen der Grünen brauchen, müssen sie sich auch anhören, was die Grünen wollen“, lautete seine Botschaft an Union und SPD. Die Partei hätte heute einen eigenen Gesetzesentwurf eingebracht, um den Punkt Verteidigungsfähigkeit und Friedenssicherung schnell noch im alten Bundestag zu regeln und später mit Einbezug der Linken über die Reform der Schuldenbremse zu sprechen. Denn auch wenn Friedrich Merz im Wahlkampf von „grünen und linken Spinnern“ gesprochen hätte, müsste er genau die jetzt „mal zum Kaffee einladen“. „Es wird noch viel zu reden sein“, sprach Louis Klamroth das Offensichtliche aus.
Wirtschaftsexpertin bei „Hart aber fair“: „Ich dachte erst, es sei Satire.“
Dass die Grünen „stinkesauer“ seien, konnte Reul verstehen. Es wäre aber nicht die „Haltung, mit der man jetzt Politik machen darf“, sonst könnte man die „Prozentzahlen bei der komischen Partei“ hochgehen sehen, warnte er vor dem Erstarken der AfD. Dass man mit den Grünen gut zusammenarbeiten könnte, zeige seine eigene Erfahrung in Nordrhein-Westfalen.
Zuversichtlich gab sich auch Anke Rehlinger, stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende und Ministerpräsidentin des Saarlands. Das vorgeschlagene Sondervermögen für Infrastruktur und Verteidigung wäre jedenfalls „abolut klug, richtig und notwendig“, sprach sie sich als Mitglied im Sondierungsteam für den Vorschlag von Union und SPD aus. Damit setze man ein „entscheidend starkes Signal: Wir wollen Deutschland wieder fit machen“, betonte sie, und zwar ohne „die äußere Sicherheit gegen die soziale Sicherheit auszuspielen“. Diese sollten einerseits dem Wirtschaftsstandort gute Infrastruktur und gleichzeitig Wachstumsimpulse für die Wirtschaft liefern. Die Kritik, dass es sich um einen „Verschiebebahnhof“ handle, lehnte sie ab, gab aber zu: Die Finanzierung von Maßnahmen wie der Mütter-Rente oder Agrardiesel, die im Wahlkampf versprochen wurden, wäre noch zu klären.

Herbert Reul (CDU) und Anke Rehlinger (SPD) argumentierten für das schwarz-rote Finanzpaket. (Bild: WDR/Dirk Borm)
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Es sind nicht die einzigen offenen Frage: „Ich dachte erst, es sei Satire“, kritisierte Ökonomin Veronika Grimm. „Das Volumen ist geeignet, uns in Europa in die Bredouille zu bringen“. Die „Wirtschaftsweise“ warnte eindringlich vor steigenen Zinsen, die hoch verschuldete europäische Staaten in Schwierigkeiten bringen könnten. Auch drohe Deutschland weiter gegen europäische Fiskalregeln zu verstoßen. Zudem bekrittelte sie, dass es bei den Sicherheitsausgaben keine Begrenzung nach oben gäbe. „Da ist vieles undurchdacht.“ „Nur dicke Summe reinzuschreiben, wäre zu dünn“, stimmte auch Michael Bröcker zu. Die Gelder seien mit „Zweckbindung und Nachhaltigkeit“ zu versehen.
„Kommt alles noch“, verwies Rehlinger auf die anstehenden Koalitionsverhandlungen. Bisher gäbe es bloß ein Sondierungspapier zwischen Union und SPD. Eben dieses „schockierte“ viele ihrer Kollegen, merkte Grimm an. Wirklich Reformen blieben aus und vieles wäre „schwammig“ formuliert.
SPD-Ministerpräsidentin warnt bei „Hart aber fair“ vor Alleingang bei Migrationspolitik
So schwammig, dass selbst zwischen den Gesprächspartnern keine Einigkeit herrscht - wie sich bei Klamroth herausstellte. Der hatte einen „Knackpunkt im Sondierungspapier“, nämlich die Zurückweisung an den Staatsgrenzen von Asylsuchenden herausgegriffen und bat die Anwesenden um Erklärungen.

Journalist Michael Bröcker (rechts) sah in der Ablehnung des schwarz-roten Schuldenplans durch die Grünen eine Revanche anch dem feindseligen Wahlkampf der Union. (Bild: WDR/Dirk Borm)
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Eine Zurückweisung könne nur „in Abstimmung mit den europäischen Nachbarn“ stattfinden, verwies Rehlinger auf die Praxis an der deutsch-französischen oder deutsch-luxemburgischen Grenze. Denn „wenn es um gute Nachbarschaft geht, macht man nichts gegen den Nachbarn“, betonte sie.
„Jens Spahn sieht das anders“, widersprach Klamroth: Im Podcast von Michael Bröcker hätte der CDU-Politiker gemeint, dass man sich nicht abhängig von der Zustimmung der anderen mache. „Er hat hinzugefügt: Im Notfall machen wir das alleine“, ergänzte der „Table Media“-Chefredakteur. Der Union gehe nationales Recht vor Europarecht und die SPD hingegen bestünde auf dem Europarecht. „Ich weiß nicht, wie viele Stunden Sie zusammengesessen sind, dass Sie das nicht aufgelöst haben“, merkte Bröcker bissig an. „Haben wir“, widersprach Rehlinger, denn „die Frage der Migration“ könne man nur gemeinsam in Europa klären. „Wenn ich allererstes meinen europäischen Nachbarn die Tür vor der Nase zuschlage, ist das kein Grundlage“, warnte sie, dann gäbe es keine europäische Lösung für andere Fragen: „Das kann auch Merz nicht wollen.“
Jan van Aken (Die Linke): „Wer Frieden will, muss Frieden vorbereiten“
„Gespräche muss es geben“, stand für Jan van Aken, Bundesvorsitzender der Linken, fest. Die Linke hat Klage eingereicht, weil sie überzeugt ist, dass Beschlüsse etwa zum Aufheben der Schuldenbremse nur im neuen Bundestag getroffen werden könnten. In diesem hätten die Linke und die AfD eine Sperrminorität: „Dann gibt es die Einladung zum Kaffee“, bezog er sich auf das von Banaszak vorgeschlagene Kaffeekränzchen.
Ein solches wird wohl alles andere als entspannt ablaufen: „Das Geld ist da, man muss es nur für die richtigen Dinge einsetzen“, sprach sich der Linken-Politiker gegen die Erhöhung des Verteidigungsbudgets aus. Wer Frieden wollte, müsste nicht den Krieg vorbereiten - widersprach er Rehlinger und Reul, die sich zuvor für eine Aufrüstung ausgesprochen hatten. „Nein, ich bin überzeugt: Wer Frieden will, muss Frieden vorbereiten“, setzte van Aken nach. Das sei eine „Platitüde, da macht Putin im Kreml den Sekt auf“, ätzte Bröcker. Putin verstünde nur die Sprache der Stärke, deshalb müsste Europa eine Verhandlungsmacht bekommen.
Dafür müsse man Geld investieren, tat sich auch ARD-Korrespondent Vassili Golod mit van Akens Spruch schwer. „Russlands Aggression kennt keine Grenzen“, wusste der Reporter, der ausnahmsweise live im Studio war. Niemand wolle den Frieden mehr als die Menschen in der Ukraine. Europa und Deutschland müssten „weniger sprechen, dass wir handeln müssen, sondern etwas tun“.
Angesichts von Putin und der Trump-Regierung wäre es jetzt „allerhöchste Eisenbahn“, plädierte auch Reul und holte zum Rundumschlag gegen die Linke aus (“weil ich gerade mal dran bin, sonst komme ich nie dran“). Mit der Partei könne man keine Mehrheit hinkriegen. Deshalb wäre es ein „fataler Fehler, wenn wir warten, bis Sie zu einem besserem Ergebnis kommen“, appellierte er unter Applaus. „Wir sind uns einig, dass Putin ein Imperialist ist“, stimmte van Aken zu, „aber mehr Geld für Verteidigung... da sind wir uns uneinig.“ Es wird noch viel zu reden sein... (tsch)