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„Wir hängen hinterher!“Harald Lesch spricht unbequeme Kernkraft-Wahrheit aus

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In seiner „Terra X“-Reihe im ZDF beschäftigt sich Harald Lesch mit der ungelösten Frage nach einem deutschen Atommüll-Endlager. (Bild: ZDF)

In seiner „Terra X“-Reihe im ZDF beschäftigt sich Harald Lesch mit der ungelösten Frage nach einem deutschen Atommüll-Endlager.

In Deutschland träumt mancher vom Kernkraft-Comeback. Nur den Atommüll will niemand haben. Lesch mahnt, wie gefährlich die verschleppte Endlager-Entscheidung ist

Wer wüsste es besser als Harald Lesch: „Die Diskussion um die Atomkraft ist wieder da.“ Der Physiker und Wissenschaftsmoderator des ZDF hat sich in den letzten Monaten oft mit Beiträgen über den von manchen geforderten „Ausstieg vom Ausstieg“ zu Wort gemeldet. Nun widmete er dem kontroversen Thema eine Ausgabe seiner „Terra X“-Reihe. „... und was vom Atomausstieg bleibt“, ist sie sinnfällig betitelt. Es geht um radioaktiven Abfall und die offene Frage, wo der in Deutschland eingelagert werden soll.

„Allein in Deutschland fallen 27.000 Kubikmeter hoch radioaktiven Abfalls an“, rechnet Lesch eingangs vor. „Das entspricht ungefähr einem Volumen von 270 Güterwaggons. Wohin damit?“

Lesch nennt die Endlager-Frage den „Elefanten im Raum“, über den niemand spricht. Viel lieber wird etwa darüber debattiert, ob nicht Mini-Kernkraftwerke eine Lösung für den Strommarkt und die Energiewende sein könnten. Sogenannte „Small Modular Reactors“ sollen aufgrund ihrer geringeren Größe leichter zu produzieren und sicherer im Betrieb sein - bei allerdings auch viel geringerer Leistung.

„Unsere Nachbarn kriegen das eindeutig besser hin. Wir hängen hinterher!“

Harald Lesch zitiert dazu das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung: Bis zu 10.000 solcher Mini-AKWs müssten gebaut und installiert werden, um die Leistung der weltweit laufenden 400 Kernkraftwerke zu ersetzen. Der Physik-Professor: „Das würde natürlich das Sicherheitsrisiko um ein Vielfaches erhöhen.“ Und: „Es entsteht in der Summe natürlich doch mehr Müll. Laut einer Studie bis zu 30-mal mehr. Und der ist dann auch noch gefährlicher, weil der Anteil an hoch radioaktiven Substanzen höher ist.“ Klingt insgesamt nicht nach einer guten Lösung.

Lesch besucht das Felslabor Mont Terri in der Schweiz, ein sogenanntes „tiefengeologisches Endlager“. 300 Meter unter der Erde trifft er Tim Vietor, Leiter Geologie und Sicherheit. „Man hat das Gefühl, dass hier in der Schweiz die Suche nach dem Endlager nicht so ein emotionales Ding ist und war wie bei uns in Deutschland“, wundert sich der Besucher. Der Gastgeber erklärt: „In der Schweiz gibt es Sicherheitskriterien, die alleine darüber entscheiden, was der beste Standort ist.“ Zudem bemühe man sich um einen „aktiven Bürgerdialog“.

„Unsere Nachbarn kriegen das eindeutig besser hin. Wir hängen hinterher!“
Harald Lesch über Atommüll-Entsorgung

Lesch ärgert sich: „Unsere Nachbarn kriegen das eindeutig besser hin. Wir hängen hinterher!“ Der Astrophysiker schockt das ZDF-Publikum mit einer Studie, wonach es bis zum Jahr 2074 dauere, bis man sich hierzulande überhaupt für einen Standort entschieden habe. „Und dann muss das Ding auch noch gebaut werden. Und dann kommt erst die Einlagerung.“ Dabei komme rund 50 Prozent von Deutschland geologisch für ein Endlager infrage. Lesch: „Das ist doch eine Super-Nachricht! Wo ist eigentlich das Problem?“

„Wir brauchen ein Endlager, und wir brauchen es schnell“

Daheim in München stellt der ZDF-Moderator dieselbe Frage Klaus-Jürgen Röhlig, Professor für Endlagersysteme von der TU Clausthal. Der verweist auf „die Gorleben-Geschichte, die mit enormen Verwerfungen einherging“. Aus der Erfahrung der Proteste in den 70er- und 80er-Jahren wolle man „jetzt alles perfekt machen“. Typisch deutsch.

Dann kommt Harald Lesch zur Kernfrage: „Wie lange können wir es uns eigentlich noch leisten, Castorenbehälter an der Oberfläche zu lassen?“ Die Antwort des Experten hinterlässt ein flaues Gefühl: „Wenn ich sehe, dass wir Krieg in Europa haben, heißt das eigentlich: so schnell wie möglich unter die Erde!“

Am Ende seiner „Terra X“-Sendung wirkt Harald Lesch geschafft wie selten. „Ein unglaublich schwieriges Geschäft“, stöhnt er. „Was wir brauchen, sind Entscheidungen!“ Egal wie man zur Kernkraft stehe: „Wir brauchen ein Endlager, und wir brauchen es schnell. Denn je länger wir warten, desto gefährlicher wird es.“ (tsch)