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Prozess um Johannes BündgensWegen Untreue verurteilt – Rätsel um Aachener Weihbischof

Lesezeit 4 Minuten

Der Aachener Weihbischof Johannes Bündgens

Kerpen – „Ich bin kein Prophet, aber ich wäre es manchmal gern“, sagt Peter Königsfeld, Richter am Amtsgericht Kerpen. Im konkreten Fall passt der Wunsch besonders gut, denn es geht um den Prozess gegen den Aachener Weihbischof Johannes Bündgens. Vor fast genau einem Jahr, am 13. Juli 2021, war der hohe Geistliche in Abwesenheit wegen Untreue zu neun Monaten Haft auf Bewährung und zu einer Geldbuße von 5000 Euro verurteilt worden. Seitdem tritt das Verfahren auf der Stelle. Niemand weiß, was Bündgens macht und wo er sich aufhält.

Immerhin hat eine psychiatrische Sachverständige inzwischen ein Gutachten über die Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten erstellt. Zum Inhalt wollte sich Königsfeld gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ nicht detailliert äußern. Er gehe aber davon aus, „dass wir uns im Herbst hier im Gerichtssaal in großer Runde treffen.“

Dem Bischof wird Veruntreuung von 128.000 Euro vorgeworfen

Das bedeutet, dass sich Bündgens, wenn auch mit großer Verspätung, vermutlich doch persönlich für die gegen ihn erhobenen Vorwürfe verantworten muss. Bei seinem Urteil im vergangenen Juli in Form eines Strafbefehls war das Schöffengericht der Staatsanwaltschaft gefolgt, die dem Bischof vorwirft, er habe 128.000 Euro der inzwischen gestorbenen frommen und vermögenden Witwe Marga K. veruntreut.

Bündgens habe das Vertrauen der zunehmend dementen Frau ausgenutzt, um sich diese Summe von deren Konto auf sein eigenes zu überweisen. Das Geld soll er zum Kauf eines Mehrfamilienhauses im bevorzugten Aachener Stadtteil Burtscheid in Höhe von 600.000 Euro eingesetzt haben. Das im Gegenzug angeblich zugesagte lebenslange Wohnrecht für die Frau ist nach Feststellung der Staatsanwaltschaft weder, wie in solchen Fällen vorgeschrieben, im Grundbuch eingetragen noch sonst irgendwo vermerkt.

Die veruntreute Summe hatte Bündgens laut Gericht in mehreren Tranchen vor dem geplatzten Prozessbeginn vollständig zurückgezahlt. Schon beim eigentlich im Oktober 2020 geplanten Auftakt dieses in der jüngeren deutschen Rechtsgeschichte einmaligen Falles hatte der Angeklagte ein Attest vorgelegt, das ihm Verhandlungsunfähigkeit bescheinigte.

Büngens hat den Strafbefehl nicht akzeptiert

Das Verfahren könnte längst abgeschlossen sein, wenn Bündgens den vor einem Jahr gegen ihn erlassenen Strafbefehl akzeptiert hätte. Davon hatten ihm aber seine Anwälte abgeraten, in erster Linie Christof Püschel, der nach der Urteilsverkündung am 13. Juli den wartenden Journalisten gegenüber erklärt hatte, sie sollten davon ausgehen, „dass mein Mandant unschuldig ist“. Keinen Widerspruch gegen den Strafbefehl einzulegen, hätte bedeutet, dass Bündgens als vorbestraft gegolten hätte – mit allen Konsequenzen, die das vermutlich auch kirchenrechtlich für ihn bedeutet hätte.

Es ist gut möglich, dass Bündgens auch jetzt noch ein kirchenrechtliches Verfahren droht, nachdem der weltliche Prozess in Kerpen irgendwann abgeschlossen ist – wie auch immer. Denn das so genannte kanonische Recht, das Kirchenrecht, schreibt Geistlichen vor, dass sie nicht ohne Zustimmung des jeweiligen Ortsbischofs die Verwaltung des Privatvermögens von Laien, also von Nicht-Klerikern, übernehmen dürfen.

Verhältnis zum Chef gilt als zerrüttet

Es gilt als unwahrscheinlich, dass der zuständige Aachener Bischof Helmut Dieser Kenntnis von Bündgens‘ Fürsorge um das nicht unerhebliche Vermögen von Marga K. hatte. Das Verhältnis zu seinem Chef wird als zerrüttet beschrieben, weil Bündgens die Bistumsspitze über seine heimlichen Transaktionen erst informiert hatte, als die Ermittlungen gegen ihn längst liefen und er dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“ noch gerade rechtzeitig zuvorgekommen ist.

Trotz aller bisherigen Ermittlungen ist auch ungeklärt, weshalb er sich so gut mit der wohlhabenden Witwe verstand und ob er es bei der Betreuung ihres Geldes nur an der notwendigen Sorgfalt hat fehlen lassen – oder ob er sich tatsächlich bereichern wollte. Am bisher einzigen Prozesstag vor einem Jahr wurde die Aussage einer früheren Haushälterin von Marga K. verlesen, die den angeblich geldgierigen Weihbischof entlastet: Frau K. habe immer betont, ihr größter Wunsch sei es, später zu Bündgens nach Aachen zu ziehen. Das hörte Verteidiger Püschel mit sichtlicher Befriedigung.

Bruder des Bischofs arbeitet auch als Anwalt

Püschel, auf Wirtschaftsstrafsachen spezialisiert, arbeitet in der gleichen bundesweit renommierten Kölner Kanzlei, für die auch Markus Bündgens tätig ist, der jüngere Bruder des Bischofs. Püschel muss sich des Risikos bewusst gewesen sei, das er mit seiner Verteidigungsstrategie eingegangen ist. Denn es ist keineswegs sicher, dass das Gericht sich seiner Unschulds-Einschätzung anschließt. Und ein persönliches Erscheinen vor Gericht birgt auch Unwägbarkeiten, was seine Befragung durch alle Prozessbeteiligten angeht.

Richter Königsfeld erklärte schon vor einem Jahr, er sei sich bewusst, dass das Verfahren einen „tiefen Einschnitt“ im Leben des Bischofs bedeute.

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Im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ sagte Königsfeld, er sei „überhaupt nicht glücklich“ über den zähen Verlauf des Prozesses und nannte als Hauptursache die starke Beanspruchung der Gutachterin. Sein Ehrgeiz sei es, den Prozess „in jedem Fall noch in diesem Jahr“ abzuschließen. Er habe vor, zahlreiche Zeugen zu laden.

Der bischöfliche Wahlspruch von Bündgens lautet „Das große Geheimnis – die Kirche“. Auf der Anklagebank in Saal 108 des Amtsgerichts Kerpen hat er die Chance, die Rätsel zu entwirren, die seine eigene Geschichte betreffen.