Köln – Mit einer Protestaktion am Erzbischöflichen Berufskolleg (EBK) an der Berrenrather Straße in Köln-Sülz haben Studierende der Universität zu Köln am Sonntag den massiven Druck der Kollegsleitung auf deren eigene Schülerschaft angeprangert.
Laut einer internen Korrespondenz, die dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt, sollten kritische Äußerungen gegen den Kölner Kardinal Rainer Woelki, der sich am Wochenende zu einer zweitägigen Veranstaltung des Erzbistums im Berufskolleg aufhielt, unbedingt verhindert werden. Das Treffen mit 150 Teilnehmern – unter ihnen Mitglieder des Diözesanpastoralrats sowie Aktive aus dem Erzbistum – war der Vorbereitung der von Papst Franziskus für 2023 anberaumten Weltsynode in Rom gewidmet. Dort soll es um mehr Teilhabe und Mitbestimmung der Gläubigen in der katholischen Kirche gehen.
Berufskolleg ist laut Schulleitung „das Haus des Kardinals“
Die Schülervertretung (SV) des EBK, wo derzeit 1100 junge Menschen ausgebildet werden, wollte den Unmut der Schülerschaft unter anderem über Woelkis Umgang mit dem Missbrauchsskandal im Erzbistum Köln artikulieren. Sie wandte sich auch dagegen, dass ein Porträt des amtierenden Erzbischofs, das in der Schule während Woelkis Auszeit durch ein Foto von Bistumsverwalter Rolf Steinhäuser ersetzt worden war, nun wieder an seinem Platz hängt.
Der stellvertretende EBK-Leiter Carsten Arntz untersagte der Schülervertretung in einer Mail jegliche öffentlichkeitswirksame Aktion für die Zeit von Woelkis Besuch im Berufskolleg, bei dem es sich – so Arntz wörtlich – um „das Haus des Kardinals“ handele. „Ich weise hier unmissverständlich darauf hin, dass die äußerst wichtige Diözesanpastoralratsveranstaltung am Wochenende mit dem Erzbischof und 150 Vertreter*innen aus den verschiedenen Bereichen durch keinerlei Aktion der SV gestört werden darf!“, heißt es in einer Mail an eine SV-Vertreterin. Diese wird von Arntz überdies aufgefordert, „besänftigend auf die SV einzuwirken“. Zur Rolle der Schülervertretung insgesamt führt Arntz aus, die SV habe formal lediglich ein „Anregungsrecht“, aber kein „Mitbestimmungsrecht“.
Studenten der Uni Köln protestieren stellvertretend für Schüler des Erzbischöflichen Berufskollegs
Unter Eindruck dieses Drucks auf die Schülerschaft des EBK übernahmen Studierende der Kölner Universität, die sich zu einer sogenannten politisch-theologischen Aktionsgruppe zusammengeschlossen haben, stellvertretend den Protest. Wie die Mitinitiatorin Sarah Jane Lehmann dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichtete, zogen sie und drei weitere Kommilitoninnen und Kommilitonen mit einem Transparent „Kirche entmachten“ am Sonntagvormittag vor das Berufskolleg.
Teilnehmer der Veranstaltung, unter ihnen auch der Kardinal, seien auf sie aufmerksam geworden und hätten sich zunächst vor dem Kolleg mit der Gruppe unterhalten. Durch ein Mehrheitsvotum aller Teilnehmenden erhielt die Gruppe dann Gelegenheit zu einem kurzen Statement.
Uneindeutig waren die Angaben über Woelkis Abstimmungsverhalten*. Während Lehmann sagte, der Kardinal habe zusammen mit Weihbischof Ansgar Puff dagegen votiert, sie reden zu lassen, berichteten andere Teilnehmer von einer „eher teilnahmslosen“ Reaktion Woelkis. Erst durch eine Intervention Puffs sei die Versammlung überhaupt in die Lage gekommen, eine Entscheidung herbeizuführen. „Die Stimmungslage dazu war vorher schon eindeutig“, sagte ein Teilnehmender dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Für die Demonstrierenden formulierte Lehmann ihren Protest sowohl gegen das repressive Vorgehen der EBK-Leitung als auch gegen Woelki selbst. Sie legte offen, dass die Schülerschaft des EBK unter dem Druck der Schulleitung schweigen müsse. Die Leitung des EBK mache sich einem „alten Kirchenverständnis“ dienstbar, indem „nach außen alles tadellos präsentiert wird, während es innen brodelt“.
Die Bistumsveranstaltung in den Räumen des EBK gegen den Willen der Schülerschaft zeige an, „wie sehr die Hierarchie der Kirche und ihre Macht“ im Widerspruch zu den „Sorgen, Nöten und Ängsten der Menschen dieser Zeit“ stünden. Protest und Kritik würden durch „Angst und Zensur kontrolliert und mundtot gemacht“.
Der Erzbischof, so Lehmann weiter, sollte als Diener der Gläubigen „nicht seinem Ego, sondern der Gemeinde dienen“ und allen Mitgliedern zuhören und Beachtung schenken. „Die rücksichtslose und ignorante Art von Herrn Woelki spricht eine andere Sprache und dient ebenfalls einem angestaubten Kirchenverständnis.“
Studenten der Universität Köln fördern: „Entmachtet die Kirche“
In ihrer Ansprache prangerte Lehmann auch die nach ihren Worten intransparente und lückenhafte Aufklärung des Missbrauchsskandals an sowie die Unterdrückung von Diskurs auch beim „Synodalen Weg.“ Grund dafür sei Macht, die „gewissenlos, engstirnig und starr“ mache. „Unsere Forderung deshalb: Entmachtet die Kirche.“
Die Reaktionen auf die Aktion und ihre Ansprache seien zu ihrer Überraschung ausnehmend positiv ausgefallen, berichtete Lehmann. Aus den Reihen der Teilnehmenden sei geltend gemacht worden, auch sie arbeiteten unter anderem genau an den Themen, die die Protestierenden angesprochen hätten. Über die Versuche der EBK-Leitung, einen Schülerprotest zu unterbinden, hätten sich Zuhörende entrüstet und schockiert gezeigt. Woelki selbst sei auf den Auftritt der Studierenden nicht mehr eingegangen.
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Ein Vertreter des Erzbistums bestätigte dem WDR den Vorfall und sprach davon, dass es aktuell großen Diskussionsbedarf zwischen der Schülervertretung und der Schulleitung des EBK gebe. Dazu sei bereits ein Gespräch zwischen beiden Seiten anberaumt worden. Kritischer Austausch sei der EBK-Leitung ein Anliegen. Allerdings sei die Versammlung zur Vorbereitung der Synode dafür „aus Sicht der Schulleitung nicht der richtige Ort gewesen“.
An diesem Montag will Woelki die Ergebnisse der zweitägigen Beratungen in einer Pressekonferenz im Domforum vorstellen.
*Die Angaben in diesem Absatz beruhen auf ergänzenden Informationen. Die Aktualisierung erfolgte am 2. Mai um 07:35 Uhr.