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Gefährliche KörperverletzungWeihnachtsmann schlägt Kind mit Rute ins Gesicht – dieser streitet ab

Lesezeit 4 Minuten
Ein Weihnachtsmann am 25. November auf dem Weihnachtsmarkt in der Stralsunder Altstadt

Ein Weihnachtsmann Udo Jünger am 25. November auf dem Weihnachtsmarkt in der Stralsunder Altstadt. Ihm wird vorgeworfen, ein Kind geschlagen zu haben.

Der Vorfall ereignete sich in Stralsund, die Polizei ermittelt. Der Weihnachtsmann-Darsteller stellt den Vorfall anders dar.

Die Auseinandersetzung eines Vierjährigen mit einem Weihnachtsmann hat in Mecklenburg-Vorpommern Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung ausgelöst. Wie die Polizei in Stralsund am Dienstag mitteilte, streckte das Kind dem kostümierten 62-Jährigen am Montag auf dem örtlichen Weihnachtsmarkt die Zunge heraus. Daraufhin schlug der Nikolaus dem Jungen mit seiner Rute ins Gesicht, wodurch dieser Schmerzen erlitt.

Der 62-Jährige habe „seine Handlung offenbar als erzieherische Maßnahme“ angesehen, erklärte die Polizei. Sie habe ihm allerdings eine Strafanzeige wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung eingebracht.

Der Vierjährige war auf dem Weihnachtsmarkt demnach mit seiner 34-jährigen Mutter und weiteren Geschwistern unterwegs. Der Markt in der Stralsunder Altstadt war am Montag mit dem traditionellen Stollenanschnitt eröffnet worden. Auf dem Alten Markt finden bis zum 31. Dezember zahlreiche Veranstaltungen statt, auf dem Neuen Markt gibt es bis zum 2. Dezember eine Eisbahn und mehrere Fahrgeschäfte.

Stralsund: Weihnachtsmann-Darsteller schildert Vorfall anders als Polizei

Der 62-Jährige, der mit bürgerlichem Namen Udo Jünger heißt, schildert die Tat der Deutschen Presse-Agentur allerdings anders. Er habe dem Kind keinesfalls ins Gesicht geschlagen, sondern auf die linke Seite in Richtung Po „so draufgeklatscht“. Zuvor habe das Kind ihm wiederholt die Zunge herausgestreckt. Die Mutter habe sich ihm zusammen mit ihrem Sohn „förmlich aufgedrängt“.

Er sei dann in die Knie gegangen, um mit dem Kind zu reden und habe gesagt, „das macht man nicht. Sei doch artig. Du weißt sehr wohl, die Kinder, die nicht artig sind, die kloppt der Weihnachtsmann auf die Hosen“. Der Junge habe geantwortet, „Du bist doof“ und weiter die Zunge gezeigt. Dann habe er dem Jungen den „Klaps“ gegeben, aber nicht ins Gesicht. Das sei in der Position gar nicht möglich gewesen. Der Junge habe sich erschreckt. „Das sollte er ja auch.“ Die Mutter habe gekreischt und ihn beschuldigt, das Kind zu schlagen.

Der 62-Jährige sei selber schockiert, was nun aus dem Vorfall geworden sei. Er arbeite seit mehr als 50 Jahren als Weihnachtsmann und würde Kinder nicht schlagen. Er habe sich einen Anwalt genommen und lasse seinen Job vorerst ruhen. Die Mutter will sich laut Polizei nicht öffentlich äußern, auch um ihren Sohn zu schützen.

Zuspruch für Stralsunder Weihnachtsmann in sozialen Medien

In den sozialen Medien fallen die Reaktionen auf die Meldung aus Stralsund höchst unterschiedlich aus. So veröffentlichte das Stralsunder Newsportal „Sundblick“ die Nachricht vom schlagenden Weihnachtsmann auf seiner Facebook-Seite. Darunter sammelten sich innerhalb kürzester Zeit zahlreiche Kommentare. Neben Bemerkungen wie „Geht ja gar nicht!“ oder dem Wunsch, der Weihnachtsmann möge seinen Job los sein, gibt es auch Zuspruch für den Kostümierten. „Was wollt ihr denn, es heißt doch, die unartigen Kinder bekommen es mit der Rute“, schreibt jemand. Man solle seine Kinder besser erziehen. Der Weihnachtsmann habe vermutlich außerdem nicht „voll durchgezogen“.

Andere User betonen, dass sie Weihnachtsmann Udo Jünger schon lange kennen und dieser einfach zur Tradition des Stralsunder Weihnachtsmarktes gehöre. Noch niemals hätten sie erlebt, dass dieser ein Kind schlage, das könnten sie sich einfach nicht vorstellen.

Kommentare bei Facebook zum Stralsunder Weihnachtsmann laufen aus dem Ruder

Ein anderer Kommentar lautet: „Die Unartigen bekommen vom Weihnachtsmann die Rute“, also sei doch alles richtig. Andere User mutmaßen, die Eltern hätten wohl übertrieben und seien auf Schmerzensgeld aus. Vermutlich hätten sie ihren Sohn sogar angestiftet, spekulieren andere. Andere Nutzer halten aber dagegen: „Welches ‚angestiftete Verhalten‘ würde es denn rechtfertigen, einem 4-Jährigen ins Gesicht zu schlagen?“, fragt jemand.

Andere User sind aber offenbar auch entsetzt von den vielen Kommentaren, die das Verhalten des Mannes rechtfertigen. So teilt eine Facebook-Nutzerin den Beitrag von „Sundblick“ und schreibt dazu, es handele sich offenbar um Täter-Opfer-Umkehr, und sie schäme sich für ihre Stadt.

Die Redaktion vom „Sundblick“ postete später ein Statement auf Facebook, in dem sie sich von den Kommentaren distanzierte. Was nach Veröffentlichung der Meldung „in den Kommentarspalten, sowohl hier bei ‚Sundblick‘, als auch bei anderen Medien losgetreten wurde, ist einfach nur noch widerlich“, heißt es da. Die „Verherrlichung von Gewalt gegen Kinder“ sei „ein Angriff auf unsere Gesellschaft“.

Der „Focus“, der auf seiner Facebook-Seite ebenfalls von dem Vorfall berichtet, sah sich ebenfalls genötigt, moderierend bei den Kommentaren unter dem Post einzugreifen. „Die Redaktion von Focus Online setzt sich konsequent gegen jede Form von Gewalt ein – insbesondere gegen Gewalt an Kindern“, heißt es da. Kommentare, die gegen diesen Grundsatz verstießen, lösche man.

In Deutschland wird seit dem Jahr 2000 grundsätzlich jede Körperstrafe, unabhängig von ihrer Härte, gesetzlich als Kindesmisshandlung angesehen und ist strafbar. (afp, dpa, mit cme)