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„Vatican Girl“ Emanuela OrlandiNeue Ermittlungen in 40 Jahre altem Vermisstenfall

Lesezeit 3 Minuten
Emanuela Orlandi wird nach ihrem Verschwinden 1983 mit Plakaten auf römischen Hauswänden gesucht.

Emanuela Orlandi wird nach ihrem Verschwinden 1983 mit Plakaten auf römischen Hauswänden gesucht.

Wo ist Emanuela Orlandi? Der Cold Case ist eines der größten Rätsel der jüngeren italienischen Kriminalgeschichte. Vor 40 Jahren verschwand die damals 15-jährige Tochter eines Vatikan-Angestellten spurlos in Rom. Jetzt wird der Fall neu aufgerollt.

Ihre Familie wollte sich nie mit dem mysteriösen Verschwinden der 15-jährigen Emanuela Orlandi in Rom abfinden. Jetzt, fast 40 Jahre nachdem die Tochter eines Vatikan-Angestellten zuletzt gesehen wurde, hat die Justiz des Kirchenstaates erstmals offizielle Ermittlungen eingeleitet.

Kampf um die Wahrheit: Emanuelas Bruder Pietro Orlandi 2012 in Rom. Orlandi hält ein Suchplakat mit dem Bild seiner verschwundenen Schwester hoch.

Kampf um die Wahrheit: Emanuelas Bruder Pietro Orlandi 2012 in Rom

Pietro Orlandi (l) spricht 2019 gemeinsam mit seiner Anwältin Laura Sgro  mit Medienvertretern.

Pietro Orlandi (l) spricht 2019 gemeinsam mit seiner Anwältin Laura Sgro mit Medienvertretern.

Die Strafverfolger wollen dem Verdacht und den Hinweisen nachgehen, wonach Emanuela Orlandi, die Tochter eines Kurien-Angestellten und Staatsbürgerin des Vatikans, entführt oder ermordet wurde. Die Teenagerin kam am 22. Juni 1983 nach einer Musikstunde in der Altstadt Roms nicht mehr nach Hause. Eine Leiche wurde nie gefunden.

„Ich bin überzeugt, dass es im Vatikan viele Leute gibt, auch solche in hohen Positionen, die wissen, was damals passiert ist.“
Pietro Orlandi

Am Montagabend (9. Januar) wurde die Aufnahme von Ermittlungen aus dem Vatikan bestätigt, nachdem Nachrichtenagentur Adnkronos als erste über die neue Entwicklung berichtet hatte. „Das sind gute Nachrichten“, sagte Pietro Orlandi, der Bruder der Verschwundenen, der Zeitung „La Stampa“ (Dienstag). „Ich bin überzeugt, dass es im Vatikan viele Leute gibt, auch solche in hohen Positionen, die wissen, was damals passiert ist.“

Zusammenhang mit Papst-Attentäter?

Rund um den Fall gab es in den vier Jahrzehnten unzählige Gerüchte und Theorien: etwa dass Orlandi entführt wurde, um den Papst-Attentäter Ali Agca freizupressen; dass die junge Frau von einem hohen Beamten der Kurie missbraucht wurde; dass der römische Mafiaclan Banda della Magliana in den Fall verstrickt ist.

2019 hatte der Vatikan auf der Suche nach sterblichen Überresten der Verschwunden zwei Beinkeller geöffnet. Nach Angaben der Ermittler wurden darin aber nur alte Knochen gefunden. In Beinkellern werden menschliche Knochen aufbewahrt, die etwa aus Platzgründen aus Friedhöfen ausgelagert wurden. Die beiden Anlagen im Vatikan, die durch eine Falltür zugänglich sind, waren erst Mitte Juli 2019 entdeckt worden.

Auch andere verfolgte Spuren führten nicht zu einem Ergebnis.

Und noch eine mögliche Verbindung wurde nicht weiterverfolgt: Die 15-jährige Schülerin Mirella Gregori war 40 Tage vor Orlandi ebenfalls in Rom verschwunden. Die Ermittler schlossen damals nicht aus, dass beide Fälle zusammenhängen könnten.

Bekannt durch Netflix-Serie „Vatican Girl“

Der Vermisstenfall war jüngst international durch eine eigene Netflix-Serie („Vatican Girl“) bekannt geworden, die diverse Szenarien und verdächtige Elemente rund um den Fall Orlandi aufgezeigt. Wie italienische Medien berichteten, will der vatikanische Hauptstrafverfolger Alessandro Diddi nun alle Beweise und Dokumente von damals neu prüfen und Zeugen hören, darunter auch Kardinäle.

2019 hatte der Vatikan auf der Suche nach sterblichen Überresten der verschwunden Emanuela Orlandi zwei Beinkeller geöffnet. Nach Angaben der Ermittler wurden darin aber nur alte Knochen gefunden. Das Bild zeigt die Öffnung des Grabes mit Ermittlern von oben..

2019 hatte der Vatikan auf der Suche nach sterblichen Überresten der verschwunden Emanuela Orlandi zwei Beinkeller geöffnet. Nach Angaben der Ermittler wurden darin aber nur alte Knochen gefunden.

Ende 2015 hatte die Staatsanwaltschaft von Rom den Fall archiviert. Daraufhin wendeten sich die Angehörigen von Orlandi wieder an den Vatikan und direkt an Papst Franziskus.

Beobachter spekulieren, dass der Pontifex selbst zuletzt Druck gemacht haben dürfte.

Georg Gänswein bestreitet Existenz einer vatikanischen Akte zu Orlandi

Auch der jüngst gestorbene emeritierten Papst Benedikt XVI. und dessen Privatsekretär Georg Gänswein kommen in dem Fall vor. Pietro Orlandi ist überzeugt, dass Gänswein etwas von einer vatikanischen Akte dazu weiß - das habe der deutsche Erzbischof selbst der Anwältin der Hinterbliebenen gesagt.

In einem Buch, das in dieser Woche erscheint, schreibt Gänswein aber: „Ich habe nie etwas in Bezug zum Fall Orlandi zusammengestellt. Dieses Phantomdossier wurde nicht offengelegt, einfach nur deshalb, weil es nicht existiert.“ (dpa, afp, kna, red)