Im August 2011 verlässt Anett Carolin Kaiser ihr Haus in Morsbach. Und kehrt nie wieder zurück. Hinweise führen die Ermittler sogar bis nach Spanien – ohne Erfolg.
Das Beste aus 2023Geisterhaus in Morsbach – Seit mehr als zehn Jahren fehlt von Anett Carolin Kaiser jede Spur
Auf einem Tisch steht ein Computer, wie man ihn aus den späten Neunzigern kennt, daneben liegt griffbereit ein Kugelschreiber. Hinter einem Fenster im Kellergeschoss klemmt ein Panoramafoto von Paris – es steht auf dem Kopf, die Spitze des Eiffelturms zeigt auf den Boden.
Dieser Text gehört zu unseren beliebtesten Inhalten des Jahres 2023 und wurde zuerst am 10. Januar veröffentlicht. Mehr der meistgelesenen Artikel des Jahres finden Sie hier.
Dazu Möbel aller Art, Kleidungsstücke, Gegenstände aus einem Haushalt – angefasst worden sind sie zum letzten Mal wahrscheinlich im August 2011: Jenem Monat, in dem Anett Carolin Kaiser ihr neues Heim mitten in der Morsbacher Ortschaft Steimelhagen bezieht und plötzlich verschwindet – und ein Geisterhaus zurücklässt.
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Vermisste aus Oberberg: Der Polizei liegen keine Hinweise auf ein Verbrechen vor
Bis heute gibt es keine Spur zu der damals 51-Jährigen. „Hinweise auf ein Verbrechen haben wir in all den Jahren allerdings nicht entdeckt“, sagt Hauptkommissar Stefan Weiand von der Polizei in Wuppertal. Weil Anett Carolin Kaiser aus Solingen stammt und die Behörde auch für die Klingenstadt zuständig ist, liegt der Fall seither bei Weiand und seinen Kollegen. Am 18. November 2011 hat ein Bekannter die zierliche Frau mit den wuscheligen, rötlichen Haaren als vermisst gemeldet.
Fast drei Monate zuvor, am 26. August, hatte sich Anett Carolin Kaiser mit den Worten verabschiedet, sie reise nach Spanien, werde aber zum Solinger Zöppkesmarkt im September wieder da sein. Weiand: „Dass Anett Carolin Kaiser ein Datum genannt hat, wann sie nach Deutschland zurückkehren wollte, das macht den ganzen Fall sehr mysteriös.“
In Andalusien, in Jerez de la Frontera, hat die Neu-Morsbacherin offenbar ein weiteres Domizil. „Angekommen ist sie dort niemals“, berichtet der Hauptkommissar. „Die Ermittlungen der spanischen Kollegen liefen ins Leere, sie war auch an der Adresse dort nicht anzutreffen.“
Seit Jahren verschwunden: Leichenspürhunde suchen in Morsbach nach Vermisster
Ein Versuch, ihr Handy zu orten, sei fehlgeschlagen. 2014 öffnen Polizeikräfte das leere Haus in Steimelhagen und gingen mit Leichenspürhunden an die Arbeit – sie fanden nichts, gewohnt hat die Frau dort nie.
Im verwilderten Garten abgestellt sind auf nur dafür gegossenen Betonsockeln vier stählerne Überseecontainer, jeder mit einem Volumen von rund 66 Kubikmetern. Auch darin lagert Habe von Anett Carolin Kaiser. „Wir haben die Container ebenfalls geöffnet – ohne Ergebnis“, berichtet Stefan Weiand.
Doch auch andere haben sich daran zu schaffen gemacht, aus einem der Container quellen kunterbunte Kleidungsstücke. Denn seither verfällt das blauvertäfelte Haus auf dem großen Grundstück in Steimelhagen – Zäune sind umgekippt und zerbrochen, Äste schlingen sich um Türklinken.
Was mit dem stattlichen Gebäude geschieht, ist ungewiss. Angehörige, eine Familie, nämlich hat Anett Carolin Kaiser offenbar nicht. „Derzeit kann sie nicht für tot erklärt werden, weil dies nur auf Antrag geschehen kann“, erklärt Andreas Dubberke, Direktor des Amtsgerichts in Waldbröl, mit Blick auf die für solche Fälle im Verschollenheitsgesetz vorgeschriebene Frist. Diese ist abgelaufen, jetzt wäre das Gericht zuständig – gäbe es eben jenen Antrag.
Nach „Aktenzeichen XY... ungelöst“ kommen 2016 einige Hinweise
Da die Frau wohl auch keine Erben hat, würde dann der Staat ihren Besitz übernehmen. „Wir prüfen, ob sie sozusagen von Amts wegen für tot erklärt werden kann“, sagt derweil Morsbachs Bürgermeister Jörg Bukowski. Eine Gefahr für die Sicherheit im Ort durch das verlassene Anwesen sehe das Rathaus indes nicht, sodass etwa ein ordnungsrechtliches Eingreifen nicht notwendig sei.
Unbezahlt sind seit bald zwölf Jahren jegliche Rechnungen für die Grundsteuer und die Straßenreinigung. Für das Aufstellen der vier Seecontainer habe die Solingerin eine Baugenehmigung beantragt – und diese auch bekommen, führt Bukowski aus.
Hinweise gibt es tatsächlich viele zu Anett Carolin Kaiser und ihrem Verschwinden, echte Spuren dagegen kaum. Vor allem, nachdem das ZDF in seiner Reihe „Aktenzeichen XY ... ungelöst“, ausgestrahlt im Mai 2016, und zuvor auch diese Zeitung über den Fall berichtet haben, bekommen Hauptkommissar Weiand und seine Kollegen viel zu tun. „Jemand wollte sie in Süddeutschland gesehen haben, ein anderer in Niedersachsen. Zudem berichtete man uns von einer Frau, die in Spanien an einem Strand gelebt haben soll“, erinnert sich der Ermittler.
Vermisstenfälle verjähren nicht, die Suche geht weiter
Auch Fotos aus den sozialen Medien erhalten die Ermittler: Eines zeigt eine Frau am Strand des türkischen Badeortes Side, ein anderes eine schlafende Frau auf einer Bank, die eine große Tasche umklammert. Beide haben nach Angaben von Stefan Weiand durchaus Ähnlichkeit mit der Gesuchten. „Leider kam danach fast nichts mehr, es ist sehr ruhig geworden.“ Geschlossen werde die Akte aber nie, betont Stefan Weiand. „Vermisstenfälle verjähren nicht, die Suche geht immer weiter.“
Sollte nun neues Material in Wuppertal eingehen und sollten sich dann auch Indizien für ein Verbrechen finden, so werde der Fall Kaiser als „Cold Case“ an die zuständigen Abteilungen der Polizei übergeben, schildert der Beamte ein mögliches Vorgehen.
In Steimelhagen verblasst unterdessen die Erinnerung an die Solingerin, die Nachbarn dieser Zeitung als wunderlich, aber sympathisch beschrieben haben. „Kaum jemand hat sie kennen gelernt, nur wenige haben sie mal gesehen“, sagt Jan Schumacher, Vorsitzender der Dorfgemeinschaft. Es heißt, Anett Carolin Kaiser sei nach Oberberg gekommen, weil sie auf dem Land in einem großen Haus leben wollte, das leer sein musste.
Dies berichtete die frühere Eigentümerin des Hauses dieser Zeitung im Frühjahr 2014, ihren Namen preisgeben wollte sie nicht. Ob es wahr ist, dass Anett Carolin Kaiser den Preis von 125.000 Euro bar mit einem Koffer voll Geld bezahlte, das sie von den Eltern geerbt hatte, wollte die Waldbrölerin auf Nachfrage nicht bestätigen. „Ein Bekannter hatte Frau Kaiser damals nach Steimelhagen gebracht“, sagte die Verkäuferin.
„Passen würde das wohl“, überlegt Stefan Weiand von der Polizei. Die Gesuchte gilt als wohlhabend, sie soll durch den Verkauf von Häusern zu einem gewissen Reichtum gekommen sein.