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Vermisstes TauchbootEhemaliger OceanGate-Mitarbeiter warnte vor „zahlreichen Problemen“ – und wurde entlassen

Lesezeit 4 Minuten
Dieses von OceanGate Expeditions herausgegebene Foto zeigt das Tauchboot „Titan“, das von seiner Plattform aus startet. Das Gefährt wird seit Sonntagvormittag (18.06.2023, Ortszeit) vermisst.

Dieses von OceanGate Expeditions herausgegebene Foto zeigt das Tauchboot „Titan“, das von seiner Plattform aus startet. Das Gefährt wird seit Sonntagvormittag (18.06.2023, Ortszeit) vermisst.

2018 äußerte der ehemalige Marine-Direktor Sicherheitsbedenken bei der Titan. Dann musste er binnen zehn Minuten seinen Schreibtisch räumen.

Mit Hochdruck suchen Rettungsteams und Spezialisten der US-Marine sowie Flugzeuge der US-Nationalgarde und aus Kanada nach dem verschollenen U-Boot, in dem fünf Menschen der Erstickungstod droht. Während die Suchteams durch das am Mittwoch vernommene „heftige Klopfen“ neue Hoffnung schüren, stellt sich weiter die Frage, was mit dem Boot eigentlich passiert ist. Und, ob mögliche Sicherheitsrisiken bei dem nicht unabhängig getesteten Unterwassergefährt bestanden.

Wie jetzt bekannt wurde, beantwortete der ehemalige Marine-Direktor von OceanGate, der Betreiberfirma des verschollenen „Titanic“-Tauchbootes, letztere Frage schon vor fünf Jahren mit „nein“. Laut einem Bericht von „New York Post“ habe David Lochridge im Jahr 2018 Sicherheitsbedenken bezüglich „Titan“ geäußert. Daraufhin soll er entlassen worden sein.

Vermisstes U-Boot: Ehemaliger OceanGate-Mitarbeiter David Lochridge wies auf Probleme hin

Dem Bericht zufolge soll Lochridge von OceanGate-CEO Stockton Rush, der Teil der fünfköpfigen Besatzung ist, die aktuell vermisst wird, damals den Auftrag erhalten haben, eine Qualitätskontrolle an der Titan durchzuführen.

Lochridge habe „zahlreiche Probleme“ identifiziert, die „ernsthafte Sicherheitsbedenken“ aufwarfen, heißt es in Gerichtsunterlagen im Rahmen einer Klage des aus dem August 2018, die die „New York Post“ zitiert. Damals hatte der ehemalige Marine-Direktor gegen OceanGate geklagt, weil er seine Kündigung als unbegründet empfand. „OceanGate gab Lochridge etwa zehn Minuten Zeit, um seinen Schreibtisch zu räumen und das Gebäude zu verlassen“, so Lochridges Anwälte in der Klageschrift.

Sicherheitsbedenken bei vermisstem U-Boot? Mitarbeiter wird nach Bericht über Titan entlassen

Nachdem der damalige Mitarbeiter Zweifel an der Sicherheit geäußert habe, sei seine Arbeit behindert worden, unter anderem seien ihm notwendige Dokumente vorenthalten worden, das dokumentierten ebenfalls die Gerichtsunterlagen. Darin heißt es laut „Sky News“: Lochridge hatte über „Sicherheits- und Qualitätskontrollprobleme in Bezug auf die Titan gegenüber der Geschäftsleitung von OceanGate“ geäußert.

Unter anderem bemängelte Lochridge den Mangel an Tests, insbesondere am Rumpf der Titan. Des Weiteren wies er konkret „auf die potenzielle Gefahr für die Passagiere der Titan hin, wenn das Tauchfahrzeug extreme Tiefen erreicht“, heißt es in dem Bericht. Lochridge wurde infolge seines Reports übereinstimmenden Medienberichten zufolge bei OceanGate entlassen – und seine Zweifel an der Sicherheit der Titan möglicherweise ignoriert.

Kritik an OceanGate und Zweifel an Sicherheit des Tauchbootes

Mit seiner Kritik stand Lochridge nicht lange alleine dar. Nur wenige Monate nach Lochridges Entlassung schickte die „Marine Technology Society“ laut „New York Times“ im Namen ihrer Mitglieder einen Brief an OceanGate, darin brachte diese „die einhellige Besorgnis über die Entwicklung der Titan und die geplante Titanic-Expedition“ zum Ausdruck. Dem Bericht zufolge warnten die Experten damals, dass das Tauchboot von OceanGate so konstruiert sei, dass es „zu negativen Ergebnissen (von geringfügig bis katastrophal) führen könnte, die schwerwiegende Folgen für alle in der Branche hätten.“

Dass diese Sorge berechtigt gewesen sein könnte – noch sind die Umstände rund um das verschollene U-Boot noch nicht klar – zeigt sich in dem aktuellen Vermisstenfall, der weitere Kritiker auf den Plan ruft. Am Mittwoch äußerte sich US-Wissenschaftler Michael Guillen zu Wort, er verurteilte die Touristenfahrten zum Wrack der Titanic.

Wissenschaftler verurteilt Touristenfahrten mit U-Boot zur Titanic

Bei der Titan handele es sich um ein „experimentelles Fahrzeug“, sagte der Physiker dem britischen Sender „Sky News“ in einem am Mittwoch veröffentlichten Gespräch. „Das ist keine Fahrt in Disneyland. Das ist Mutter Natur. Das Meer ist gnadenlos“, fand Guillen deutliche Worte. „Alles wird für Touristen zugänglich gemacht, und ich fürchte, wenn es um Geld geht und man mit Abenteuerlustigen, die bereit sind, das Geld zu zahlen, Gewinn machen kann, ist das ein Rezept für eine Katastrophe.“

Guillen selbst tauchte im Jahr 2000 an Bord eines russischen Boots zur Titanic – allerdings aus wissenschaftlichen Gründen. Laut eigener Aussage sei es damals aufgrund von Unterwasserströmungen zu einem lebensbedrohlichen Zwischenfall gekommen, der letztlich aber glimpflich ausgegangen sei.

Das Unternehmen OceanGate Expeditions bietet die Fahrten zum Wrack der Titanic für 250.000 US-Dollar (229.000 Euro) pro Person an. An Bord sind auch immer wieder Experten und Forscher.

Schätzungen der Behörden zufolge dürfte der Sauerstoff in der vermissten Titan nur noch bis Donnerstagmittag (MESZ) reichen. Eine Rettung kann aber erst angegangen werden, wenn das Boot lokalisiert ist.