Lübeck – Nach wochenlangem Corona-Lockdown endlich Urlaub und ab an die Küste: Mit dem Ferienbeginn in mehreren Bundesländern ist es an den deutschen Strandorten endgültig voll geworden.
An den Stränden wimmelte es am Freitag von sonnenhungrigen Menschen, und wer etwa in den beliebten Orten an der Lübecker Bucht noch einen Strandkorb ergattern wollte, stand meist vor dem Schild: „Belegt”.
In Hamburg, Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern haben die Sommerferien bereits begonnen. In Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen geht es am Wochenende richtig los. Es wird die erste große Reisewelle des Sommers erwartet, der ADAC rechnet mit teils langen Staus auf den Autobahnen.
Besonders auf den klassischen Urlauberrouten A3, A7, A8 und A9 sei mit viel Verkehr zu rechnen, sagte eine Sprecherin am Freitag. Auch auf der A1 und der A7 Richtung Norden würden Staus erwartet. „Dazu kommt, dass es gerade rund 750 Baustellen gibt.” Am Freitag staute es sich bereits auf den Autobahnen im Norden. Viel Verkehr herrschte unter anderem auf der A1 Richtung Lübeck, auf der A43 bei Bochum und auf der A7 bei Hamburg.
Wegen der Corona-Krise machen in diesem Jahr mehr Deutsche als sonst Urlaub im eigenen Land. Um zu großes Gedränge an den Stränden zu verhindern, haben etwa die Ostseebäder Scharbeutz, Sierksdorf, Neustadt, Pelzerhaken und Rettin eine Internetseite entwickelt, auf der sich Tagestouristen bald vorab über das Platzangebot an den Stränden informieren können.
Zudem müssen die Strandkörbe überall in einem Corona-Abstand von 3,25 Metern stehen, was in einigen Fällen bedeutet, dass nicht so viele Strandkörbe vermietet werden können. Er habe jetzt etwa 30 Prozent weniger Strandkörbe stehen, sagt Vermieter Peter Voß in Timmendorfer Strand. Strandkorbvermieterin Katja König konnte dagegen zusätzliche Flächen schaffen: „Ich hatte immer einen Spielplatzbereich, den habe ich jetzt aufgegeben”, sagt sie der Deutschen Presse-Agentur.
Der Kieler Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) machte sich am Freitag in Timmendorfer Strand ein Bild von der Lage. „Aus der Ferne betrachtet sieht der Strand schon sehr voll aus, aber wenn man näher ran geht, sieht man, dass die Menschen die nötigen Abstände mehrheitlich einhalten”, bilanziert er.
Britta Meier aus Nordrhein-Westfalen, die schon kurz vor dem großen Reisewelle aus dem Süden in der Lübecker Buch ankam, hätte solche Menschenmengen auch nicht erwartet. „Ich bin erstaunt, wie voll es hier ist”, sagt sie. Sie freue sich aber für die Hoteliers, und das mit dem Abstandhalten gehe auch, sagt sie und blickt auf ihren Sohn, der im Wasser spielt.
Einige greifen beim Abstandhalten auf eine alte Tradition zurück. Melanie Michalk-Hallmann aus Travemünde hat um die zwei Strandkörbe der Familie am Strand von Niendorf eine Sandburg gebaut, damit nicht jeder dazwischen rennt. Das wirke, sagt sie.
Den Ansturm spüren die Ferienorte an der Nord- und Ostsee. Sie berichten durchgängig von einer sehr guten Buchungslage. „Bei uns sind die Quartiere fast restlos ausgebucht. Die Vorbuchungen für den Sommer 2020 waren auch vor der Corona-Pandemie schon sehr gut, so dass nur noch wenige kurzfristige Reisende hinzugekommen sind”, sagte die Pressesprecherin des Tourismus-Service Grömitz, Jaqueline Felsmann.
Auch an der Nordseeküste sind die Betten vielerorts zum großen Teil ausgebucht. „Wir hatten vermutlich den stärksten Juni der vergangenen Jahre, und in der kommenden Woche werden wir die 90 Prozent-Marke in Auslastung und Belegung hinter uns lassen”, sagte Olaf Raffel vom Büsumer Tourismus Marketing Service TMS.
Auch in Mecklenburg-Vorpommern füllen sich die Strände. „Es ist schon ziemlich voll, aber jetzt kommen die intensivsten Zeiten”, sagte der Geschäftsführer des Landestourismusverbandes, Tobias Woitendorf. Während der Sommerferienzeit in Deutschland bis Mitte September rechnet er mit rund vier Millionen Übernachtungsgästen im Land.
In Niedersachsen warnte der Tourismusverband Gäste und Gastgeber vor zu viel Lockerheit. „Wenn Abstands- oder Hygieneregeln nicht eingehalten werden, dann knallt uns das um die Ohren”, sagte der Vorsitzende der Tourismusverbandes Niedersachsen, Sven Ambrosy, der Deutschen Presse-Agentur. Das Allerschlimmste, was der Tourismuswirtschaft passieren könne, wäre ein coronabedingter Lockdown aufgrund erhöhter Infektionszahlen.
Der britische Gesundheitsminister Matt Hancock war wegen überfüllter Strände im Badeort Bournemouth noch einen Schritt weiter gegangen. Er drohte mit der Schließung von Stränden.
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