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Kommentar

Ampel-Bruch
Die FDP hat ein Glaubwürdigkeitsproblem

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Lesezeit 3 Minuten
FDP-Chef Christian Lindner (Mitte) bei einer Pressekonferenz am Tag nach dem Bruch der Ampelkoalition Anfang November. Hinter ihm steht rechts Bijan Djir-Sarai, der nach Bekanntwerden des „D-Day“-Papiers als Generalsekretär zurückgetreten ist. Auf der linken Seite steht Marco Buschmann, in der Ampelkoalition Justizminister. Er wird in der FDP als neuer Generalsekretär gehandelt.

FDP-Chef Christian Lindner (Mitte) bei einer Pressekonferenz am Tag nach dem Bruch der Ampelkoalition Anfang November. Hinter ihm steht rechts Bijan Djir-Sarai, der nach Bekanntwerden des „D-Day“-Papiers als Generalsekretär zurückgetreten ist. Auf der linken Seite steht Marco Buschmann, in der Ampelkoalition Justizminister. Er wird in der FDP als neuer Generalsekretär gehandelt.

Die Glaubwürdigkeit der Liberalen ist massiv beschädigt. Das bleibt auch an FDP-Chef Christian Lindner hängen, kommentiert Daniela Vates.

Der Generalsekretär ist weg, aber nichts ist gut in der FDP. Bijan Djir-Sarai ist zu Recht zurückgetreten, er hat den Bundesgeschäftsführer Carsten Reymann dabei sinnvollerweise gleich mitgenommen. Zwei Wochen lang hat die FDP-Spitze Medienberichte zur Erfindung erklärt, wonach die Parteispitze den Ausstieg aus der Koalition von langer Hand geplant hat und dafür einen regelrechten Schlachtplan entworfen hat.

Ein Spitzenpolitiker nach dem anderen dementierte die kursierenden Vokabeln wie „D-Day“, diese unpassende Reminiszenz an den Kampf der Alliierten gegen Nazi-Deutschland. Allerdings: Die Planung samt kriegerischem Vokabular wurde schriftlich festgehalten. Es steht nun fest: Die FDP hat das Wohl der Partei über die Regierungsarbeit gestellt, die Show über die Ernsthaftigkeit. Denn wer aussteigen will, muss vorher auch nichts mehr beschließen.

Und noch ein Weiteres ist nun klar: Mit der Wahrheit nehmen es die Liberalen offenbar nicht so genau. Das ist nicht nur ein Problem eines Generalsekretärs und eines Bundesgeschäftsführers. Es ist ein Problem für die gesamte Partei, inklusive ihres Vorsitzenden Christian Lindner. Und dieses Problem heißt: Glaubwürdigkeit. Die Beteuerung von Kompromissbereitschaft und Regierungswillen wirkten angesichts der Ausfälle mancher FDP-Spitzenpolitiker gegenüber Koalitionspartnern schon länger schal, nun dürfen die Zweifel als belegt gelten.

Was wusste Christian Lindner?

Und weil die FDP wie kaum eine andere Partei auf ihren Vorsitzenden ausgerichtet ist, bleibt das auch an Lindner hängen. Lindner fällt die wesentlichen Entscheidungen, er senkt oder hebt den Daumen.

Es ist kaum vorstellbar, dass Planungen für einen Ausstieg ohne sein Wissen oder möglicherweise sogar seinen Auftrag erfolgt sind. Lindner hat Djir-Sarai wie Reymann, vorher einer seiner Mitarbeiter im Bundesfinanzministerium, auf ihre Posten gehoben.

Lindner, der sich selbst bereits als Spitzenkandidat für die Bundestagswahl ausgerufen hat und als solcher kurz vor Weihnachten bestätigt werden soll, ginge also massiv angeschlagen in diesen Bundestagswahlkampf – da steht er seinen früheren Ampelkollegen in nichts nach. Bei Bundeskanzler Olaf Scholz ist dokumentiert, dass ein Teil der SPD-Mitglieder ihn nicht für den richtigen Kanzlerkandidaten hält. Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck hängt das zum Sinnbild schlechter Politik gewordene Heizungsgesetz als Klotz am Bein, obwohl die letztlich beschlossene Fassung durchaus vernünftig ist. Der eine ist nur zur Hälfte gewollt, der zweite hat handwerkliche Fehler gemacht. Fehlende Glaubwürdigkeit ist allerdings der im Vergleich größte Malus. Es kann das Aus der FDP bedeuten.

Obsession statt Taktik

Lindner hat einiges vermocht als Parteichef. Er hat die Partei geeint, die sich mit ihren Grabenkämpfen 2013 aus dem Bundestag katapultiert hatte. Er hat sich so lange an der Parteispitze gehalten wie kein anderer vor ihm. Und mit Mitwirkung der FDP sind in der Ampelkoalition einige wichtige Reformen gelungen. Angesichts schlechter Wahlergebnisse in den Bundesländern setzte Lindner aber auf maximale Distanzierung von der Ampel – und verließ den Weg nicht mehr, obwohl Wahl- und Umfrageergebnisse nicht besser wurden. Aus der Taktik wurde eine Obsession.

Wenn die Alternative fehlt

Die FDP dürfte an Lindner dennoch festhalten. Starke Zentralisierung hat einen Nachteil: Wenn der Fixpunkt wackelt, ist da niemand, der einspringen kann. Und angesichts der Umfragewerte dürften die, die sich für eine Nachfolge rüsten, Lindner gerne noch mal den Vortritt lassen, statt sich selbst ein Bundestagswahlergebnis ans Bein binden zu lassen, das ziemlich wahrscheinlich wenig glorreich ausfällt. Nach der Wahl ist die Zeit der Abrechnung dann wohl ohnehin gekommen.