Die Stimmung ist gereizt - auch weil ein wichtiger Haushaltbeschluss ansteht. In Meseberg will man sich hinter den Kulissen mal wieder tief in die Augen sehen. Können sich die Ampel-Partner zusammenraufen?
Ampel-Kabinett geht in KlausurGruppentherapie für Kanzler Olaf Scholz und Co. auf Schloss Meseberg
Bundeskanzler Olaf Scholz erwartet ungeachtet diverser Streitthemen von der Klausurtagung der Ampel-Koalition ein Zeichen der Zuversicht für die Menschen in Deutschland. „Wir werden zunächst einmal darüber reden, wie eine Gesellschaft, die so viel vor sich hat, zuversichtlich sein kann und bleiben kann“, sagte der SPD-Politiker zum Auftakt des Treffens im Gästehaus der Bundesregierung, Schloss Meseberg nördlich von Berlin. Das sei die Grundlage, sich auch etwas zuzutrauen.
Die Regierung sei zusammengekommen, um ein paar grundsätzliche Fragen miteinander zu besprechen, „von denen wir glauben, dass es sich lohnt, sie einmal mit ein bisschen mehr Ruhe zu verhandeln“, sagte der Kanzler. Seine Minister haben einiges an Streit im Gepäck, vom Autobahnbau über Heizungszoff bis hin zum Geld. Ausgeruhte Gespräche hinter verschlossener Tür scheinen nötig, denn eineinhalb Wochen vor einem wichtigen Haushaltsbeschluss ist die Stimmung zwischen SPD, Grünen und FDP gereizt wie lange nicht mehr. Zusammenraufen, das könnte das Motto der Ampel in Meseberg werden.
Auf der offiziellen Tagesordnung für Sonntag und Montag war von den Problemthemen keine Spur. Zunächst wollte die Kabinettsrunde mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen über „Wirtschaftliche Perspektiven Deutschlands und Europas in der Zeitenwende“ sprechen. „Wir sind gegenwärtig in einer großen Zeit des Umbruchs, nicht nur wegen des furchtbaren Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine und der damit verbundenen Zeitenwende, die so vieles in Frage gestellt hat, was uns viele Jahrzehnte sicher schien“, sagte Scholz.
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Zugleich ist so eine Klausur mit Übernachtung im Gästehaus der Bundesregierung aber auch eine Gelegenheit, sich in Streitfragen zumindest anzunähern. Entscheidungen werden dann eher bei einem Koalitionsausschuss Ende März erwartet.
Haushalts-Sparrunde
Ein Grund für das gereizte Klima ist, dass FDP-Chef Christian Lindner am 15. März die Eckpunkte für den Etat des kommenden Jahres vorlegt. Wie üblich wollen seine Kabinettskollegen mehr Geld als der Finanzminister ihnen zugestehen will. Die Zusatzwünsche sollen sich auf 70 Milliarden Euro summieren. Steigende Zinsen, die Schuldenbremse und die Weigerung der FDP, die Einnahmen durch Steuererhöhungen aufzupolstern, schränken den Spielraum ein. Die Haushaltsberatung sei die „anspruchsvollste der letzten Jahre“, sagt die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Katja Mast.
Klar ist eigentlich schon, dass der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) mehr Geld bekommen soll. Die Grünen sorgen sich, dass für ihre sozialen und klimapolitischen Projekte nicht genügend übrig bleibt. Zuletzt machte ein teils süffisanter Briefwechsel von Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die Runde.
Kindergrundsicherung
Beim Disput um die im Koalitionsvertrag vereinbarte Kindergrundsicherung geht es um Mittel für 2025. Vereinbart haben SPD, Grüne und FDP, dass Leistungen vom Kindergeld über den Kinderzuschlag bis hin zur finanziellen Unterstützung für Klassenfahrten gebündelt werden und besser bei den Berechtigten ankommen sollen. Ob das auch eine milliardenschwere finanzielle Aufstockung bedeuten soll, ist umstritten.
Heizungen
Der Streit um die Öl- und Gasheizungen ist der wohl frischeste in der Koalition. Dabei hatten die Partner eigentlich bereits im vergangenen Jahr vereinbart, dass möglichst ab 2024 nur noch Heizungen neu eingebaut werden dürfen, die zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Details der Pläne machte das Wirtschaftsministerium jetzt öffentlich - und zog heftige Proteste der FDP auf sich. Die Liberalen fürchten, die Regelung für mehr Klimaschutz werde viele Hausbesitzer finanziell überfordern und Baukosten hochtreiben.
Autobahnen
Ob Autobahnen schneller gebaut werden sollen, ist ein Dauerstreit in der Koalition. Die FDP fordert das und verweist auf die Prognose, dass der Güterverkehr auf der Straße langfristig stark wächst. Die Grünen lehnen eine Beschleunigung ab und fordern mehr Engagement für die Klimaziele.
Scholz und Baerbock
Zwischen Scholz und seiner Außenministerin Annalena Baerbock ruckelt es in Sachen Diplomatie. Vielen in der SPD gefällt nicht, dass die Grünen-Politikerin international oft Klartext spricht - während Scholz vieles lieber in Hinterzimmern regelt. Als Baerbock beim Europarat zum Zusammenhalt der westlichen Verbündeten aufrief, sagte sie: „Wir kämpfen einen Krieg gegen Russland und nicht gegeneinander.“ Scholz stellte klar: „Das ist ein Krieg zwischen Russland und der Ukraine.“ Auch die deutsche Strategie zum Umgang mit China kommt kaum voran.
Im vergangenen Jahr, das kann man der Ampel zugestehen, war ihre Politik getrieben von akuter Krisenbewältigung. Wenige Tage vor der Klausurtagung aber gab Scholz eine Regierungserklärung im Bundestag ab, die nicht mehr hauptsächlich von Waffenlieferungen, Rettungspaketen und Inflationssorgen geprägt war. Für die Ampel-Regierung könnte eine neue Phase beginnen, in der es wieder mehr um die Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag geht. Manche ihrer Mitglieder wünschen sich, dass damit auch eine Rückbesinnung auf den Anfang der Zusammenarbeit einhergehen möge, als strittige Themen in erster Linie hinter den Kulissen ausgefochten wurden. (dpa)