Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) wünscht sich mehr Harmonie. Mit dem Wunsch ist er nicht allein.
Ampel-Koalition geht in KlausurWie lange halten die Friedensschwüre?
Ende August kommt das politische Leben im Berliner Regierungsviertel wieder spürbar in Gang – und damit auch die Debatten. So sorgte die von der Ampelkoalition mit Ach und Krach beschlossene Kindergrundsicherung für ein kontroverses Hin und Her. Neues Thema ist neben dem Mietrecht der Industriestrompreis. SPD und Grüne wollen ihn, die FDP will ihn nicht.
Bundesregierung verspricht Wirtschaftsentlastungen in Höhe von sieben Milliarden Euro
Während am Montag und Dienstag die Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen in Klausur tagten (bei den Grünen war es nur der Vorstand), trat das Kabinett auf Schloss Meseberg ebenfalls zu einer zweitägigen Klausurtagung zusammen. Deren Ergebnisse werden mit einer gewissen Spannung erwartet.
In Meseberg soll zunächst das von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) im Streit um die Kindergrundsicherung blockierte Wachstumschancengesetz von Finanzminister Christian Lindner (FDP) verabschiedet werden. Am Ende zahlte sich die Blockade für den Liberalen aus: Durch zusätzliche Verbesserungen für den Mittelstand, die erst in den vergangenen Tagen in den Gesetzentwurf aufgenommen wurden, stieg das Entlastungsvolumen nach Informationen des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) von ursprünglich 5,7 Milliarden Euro auf nunmehr sieben Milliarden. Dabei hatten selbst Grünen-Vertreter das vorherige Entlastungsvolumen als zu gering bezeichnet. Insofern kommt die Erhöhung nicht überraschend.
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Streitpunkt: Industriestrompreis
Beim Industriestrompreis bleiben die Fronten unterdessen noch verhärtet. Die SPD-Bundestagsfraktion hatte am Montag pünktlich zur Kabinettsklausur ein Konzept beschlossen, mit dem die besonders stark von hohen Energiekosten betroffenen Unternehmen entlastet werden sollen. Für sie soll der Strompreis auf zunächst fünf Jahre befristet bei fünf Cent pro Kilowattstunde gedeckelt werden.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bekräftigte seine Forderung. „Die Grundsatzfrage ist: Wollen wir in Zukunft in Deutschland energieintensive Industrie haben?“, sagte der Grünen-Politiker im ARD-„Morgenmagazin“. Er warnte vor Konsequenzen, falls diese Entlastung nicht kommt: „Ich sage nicht, dass die chemische Industrie, die Grundstoffindustrie dann morgen aus Deutschland verschwindet. Aber sie werden dann nicht in den Standort weiter investieren und perspektivisch dann Deutschland verlassen.“ Habeck hatte vorgeschlagen, den Strompreis bis 2030 für energieintensive Unternehmen auf sechs Cent pro Kilowattstunde festzusetzen – also ein Cent mehr als die SPD will und zwei Jahre länger als diese.
Fortschritte wegen der Auseinandersetzungen „kaum zur Kenntnis genommen“
Wie die Sache ausgeht, ist offen. Lindner lehnt den Industriestrompreis ab. Kanzler Olaf Scholz blieb der Debatte bei der sozialdemokratischen Klausurtagung fern. Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil will diese Entlastung allenfalls kurzfristig.
Einig sind sich die Partner unterdessen darüber, dass das Klima in der Ampelkoalition besser werden muss. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) erhofft sich von der Regierungsklausur nach eigenen Worten mehr Harmonie. Seine Hoffnung sei es, dass Meseberg mithelfe, „dass bestimmte öffentliche Auseinandersetzungen, die in der Koalition im vergangenen Sommer stattgefunden haben, sich nicht so wiederholen“, sagte er noch in Berlin. „Denn das war - freundlich gesprochen - nicht gut.“ Es seien zwar Fortschritte gelungen - wie die großen Entlastungspakete, die Reform für mehr Fachkräfteeinwanderung und zuletzt „nach viel Hin und Her und Gehacke“ die Einigung auf die Kindergrundsicherung, so Heil. Ärgerlich sei allerdings, dass diese Fortschritte wegen der Auseinandersetzungen „kaum zur Kenntnis genommen wurden“.
Wille zu mehr Gemeinsamkeit
Zumindest der Wille zu mehr Gemeinsamkeit ist auch bei den Grünen spürbar. Von dort verlautete zuletzt zwar, es gebe keine Garantie dafür, dass Konflikte nicht mehr stattfänden. Doch „wenn es persönlich und diskreditierend wird, wird es schwierig“.
Der Ernstfall könnte bereits in der nächsten Woche eintreten. Dann kommt der Bundestag zu seiner ersten Sitzungswoche nach der Sommerpause zusammen, beginnend mit der Beratung des Bundeshaushalts für 2024. Für Streitereien besteht dann täglich Gelegenheit. (rnd)