Berlin ergreift im Fall Sharmahd Maßnahmen – der Iran reagiert prompt. Die Tochter der inhaftierten Kölnerin Nahid Taghavi äußert Kritik.
Iranische Konsulate geschlossenBundesregierung reagiert auf Hinrichtung – und bekommt Kritik aus Köln
Als Reaktion auf die Hinrichtung des deutsch-iranischen Doppelstaatsbürgers Jamshid Sharmahd schließt die Bundesregierung alle drei iranischen Generalkonsulate in Deutschland. Wie das Auswärtige Amt mitteilte, handelt es sich um die diplomatischen Vertretungen in Frankfurt am Main, Hamburg und München, die Botschaft in Berlin bleibt aber geöffnet. Betroffen sind 32 iranische Konsularbeamte, die ihr Aufenthaltsrecht verlieren und ausreisen müssen, sofern nicht auch die deutsche Staatsbürgerschaft haben.
Die Reaktion auf die Hinrichtung fällt damit härter aus als von vielen erwartet. Bisher griff die Bundesregierung nur einmal zu einer solchen Strafmaßnahme: Infolge des Angriffs auf die Ukraine wurden vier russische Generalkonsulate geschlossen, allerdings mit Verzögerung. Die Botschaft des Irans in Berlin bleibt geöffnet und ist weiter für die konsularische Betreuung der 300.000 Iraner in Deutschland zuständig.
Kölnerin kritisiert Baerbock: „Ihr Name ist Nahid Taghavi“
Der Iran reagierte am Donnerstagabend schnell auf die Entscheidung in Berlin und hat die Schließung seiner Generalkonsulate verurteilt. Aus Protest bestellte Teheran zudem den Geschäftsträger der deutschen Botschaft ein. Der deutsche Botschafter war zuvor bereits abgereist. Ob Teheran neben der Einbestellung noch weitere Maßnahmen ergreift, ist unklar. Beobachter rechnen jedoch mit härteren Schritten.
Die Kritik von Angehörigen Sharmahds und auch von Mariam Claren, Tochter der weiterhin im Iran inhaftierten Kölnerin Nahid Taghavi, an der Bundesregierung reißt unterdessen nicht ab. „Sie hat einen Namen, den Sie immer noch verweigern zu nennen. Ihr Name ist Nahid Taghavi, sie ist 70 Jahre alt und der stärkste Mensch, den ich kenne. Sie ist meine Mutter“, schrieb Claren am Donnerstagnachmittag auf der Plattform X zur Stellungnahme von Außenministerin Baerbock.
Die Kölnerin Taghavi ist seit Jahren im berüchtigten Evin-Gefängnis in Teheran inhaftiert. In einem Scheinprozess wurde sie zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilt. Claren setzt sich seit Jahren für ihre Mutter ein, nach der Bekanntgabe der Hinrichtung Sharmahds äußerte sich scharfe Kritik an der Bundesregierung um Kanzler Olaf Scholz.
Baerbock reagiert auf „kaltblütige Ermordung“ von Sharmahd
Die „kaltblütige Ermordung“ Sharmahds unterstreiche, dass das iranische „Unrechtsregime“ auch mit dem jüngsten Wechsel an der Spitze weiter in voller Brutalität agiere, erklärte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) unterdessen am Donnerstag. Das Regime kenne vor allem die Sprache der Erpressung, der Drohung und der Gewalt.
„Wir haben Iran immer wieder unmissverständlich klargemacht, dass die Hinrichtung eines deutschen Staatsangehörigen schwerwiegende Folgen haben wird.“ Die diplomatischen Beziehungen zum Iran befänden sich „mehr als auf einem Tiefpunkt“, so die Außenministerin.
Baerbock: Beziehungen zum Iran „mehr als auf einem Tiefpunkt“
Irans Justiz hatte Sharmahds Hinrichtung am Montag bekanntgegeben. Er wurde im Frühjahr 2023 in einem unfairen Prozess zum Tode verurteilt, das Regime in Teheran hatte Terrorvorwürfe gegen Sharmahd erhoben. Die Bundesregierung, Angehörige und Menschenrechtler wiesen die Anschuldigungen gegen ihn vehement zurück.
Insbesondere Sharmahds Tochter Gazelle hat sich unermüdlich für ihren Vater starkgemacht. Auch von ihr kam nach den Berichten über die Hinrichtung Sharmahds scharfe Kritik an der Bundesregierung. In einem ersten Interview warf sie am Mittwoch sowohl Berlin als auch Washington vor, man versuche sie mit Kondolenz zum Schweigen zu bringen, habe bisher aber keine Beweise für den Tod ihres Vaters vorgelegt. Gazelle Sharmahd lebt in den USA.
Tochter von Sharmahd fordert Beweis für Tod und Überführung von Leiche
„Ich habe keinen Beweis für seine Exekution, ich nehme keine Kondolenz an“, erklärte sie nun. „Jemand soll mir zeigen, wo mein Vater ist. Haben sie ihn gesehen? (…) Gibt es eine Leiche? Kann irgendjemand den Körper meines toten Vaters zu uns zurückbringen? Das ist, was wir fordern, aber es kommen von allen nur Beileidsbekundungen“, kritisierte sie im Gespräch mit „NewsNation“ weiter.
Bereits nach dem Todesurteil gegen Sharmahd hatte das Auswärtige Amt zwei iranische Diplomaten ausgewiesen. Der Iran reagierte seinerseits mit der Ausweisung derselben Zahl deutscher Diplomaten. Das ist ein übliches Vorgehen in solchen Fällen. Auch die Europäische Union berät über weitere Sanktionen gegen den Iran.
Baerbock hatte „schwerwiegende Folgen“ angekündigt
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Baerbock hatten die Hinrichtung schon am Montag scharf verurteilt. Baerbock kündigte „schwerwiegende Folgen“ an und ließ den Leiter der iranischen Botschaft in Berlin ins Auswärtige Amt einbestellen. Staatssekretärin Susanne Baumann übermittelte ihm in einem Gespräch den „scharfen Protest gegen das Vorgehen des iranischen Regimes“.
Einen iranischen Botschafter gibt es derzeit nicht in Berlin. Der bisherige Botschafter ist im Zuge eines regulären Personalwechsels ausgereist und ein Nachfolger bisher nicht eingetroffen. Nach der Tötung Sharmahds gilt es als unwahrscheinlich, dass zeitnah ein neuer Botschafter entsendet wird.
Auswärtiges Amt warnt vor Reisen in den Iran
Der deutsche Botschafter in Teheran, Markus Potzel, wurde unterdessen von Baerbock zu „Konsultationen“ nach Deutschland zurückbeordert. Wann er zurückkehrt, ist ebenfalls völlig offen. Das Auswärtige Amt warnt vor Reisen in den Iran und hat deutsche Staatsangehörige bereits aufgefordert, das Land zu verlassen. Wie viele Deutsche noch im Land sind, ist unklar.
Jamshid Sharmahd wurde 1955 in Teheran geboren, kam im Alter von sieben Jahren nach Deutschland und wuchs in Niedersachsen auf, wo er in der Landeshauptstadt Hannover jahrelang einen Computerladen betrieb. Im Jahr 2003 zog er schließlich nach Kalifornien in den USA, wo er politisch aktiv war.
Sharmahd kam im Alter von sieben Jahren nach Deutschland
In den USA war Sharmahd in der iranischen Exil-Oppositionsgruppe „Tondar“ (Donner) aktiv. Die iranische Staatsführung wirft der monarchistischen Organisation vor, für einen Anschlag im Jahr 2008 in der Millionenstadt Schiras mit mehreren Todesopfern verantwortlich zu sein. Die Vorwürfe lassen sich unabhängig nicht überprüfen. Belege für Sharmahds Beteiligung an dem Anschlag legte Teheran nicht vor.
Kritiker bezeichneten den Prozess gegen Sharmahd zudem als grob unfair. Er durfte keinen eigenen Anwalt wählen, und sein Aufenthaltsort blieb bis zuletzt unbekannt. Geständnisse, die im Staatsfernsehen ausgestrahlt wurden, könnten unter Folter erzwungen worden sein. Gazelle Sharmahd hat mehrfach erklärt, ihr Vater sei in Haft gefoltert worden. Den Vorsitz im Sharmahd-Prozess im Iran hatte Abolghassem Salawati, auch bekannt als „Richter des Todes“, der von den USA und der Europäischen Union mit Sanktionen belegt wurde. (mit dpa)