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Todesurteil vollstrecktDeutsch-Iraner Sharmahd hingerichtet – Kritik an Bundesregierung

Lesezeit 4 Minuten
20.10.2022, Iran, Teheran: Die undatierte Aufnahme zeigt den Deutsch-Iraner Djamshid Sharmahd in einem Teheraner Revolutionsgericht. Sharmahd in einem umstrittenen Prozess zum Tode verurteilt worden. Ein Revolutionsgericht in Teheran macht den 67-Jährigen unter anderem für einen Terroranschlag verantwortlich, wie das Justizportal Misan am Dienstag bekanntgab. Gegen das Urteil könne vor dem Obersten Gerichtshof Berufung eingelegt werden. Foto: Koosha Falahi/Mizan/dpa/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Teheran: Die undatierte Aufnahme zeigt den Deutsch-Iraner Djamshid Sharmahd im Oktober 2022 in einem Teheraner Revolutionsgericht.

Djamshid Sharmahd war 2023 in einem politischen Prozess verurteilt worden. Viele werfen Berlin Versäumnisse vor.

Im Iran ist der deutsch-iranische Doppelstaatsbürger Djamshid Sharmahd trotz internationaler Kritik an dem Todesurteil wegen Terrorvorwürfen hingerichtet worden. Wie das offizielle Justizportal Misan bekanntgab, erfolgte die Exekution am Morgen. Deutschland hatte die Aufhebung des Urteils gefordert.

Todesstrafen werden im Iran normalerweise durch Erhängen vollstreckt. Das Urteil gegen Sharmahd war im April 2023 durch den Obersten Gerichtshof bestätigt worden. Bis zuletzt kämpften Menschenrechtler - und vor allem Sharmahds in den USA wohnhafte Tochter Gazelle - für dessen Rettung.

Die Bundesregierung hatte das Urteil scharf kritisiert und Sharmahds Freilassung gefordert. Die Vollstreckung des Todesurteils dürfte in den diplomatischen Beziehungen zwischen Teheran und Berlin zu neuen Spannungen führen. Obwohl der Iran die Todesstrafe rigoros vollstreckt, sind Hinrichtungen westlicher Ausländer äußerst selten.

Djamshid Sharmahd wurde 2020 in Dubai vom Iran entführt

Ein Revolutionsgericht hatte den 69-Jährigen im Februar 2023 unter anderem für einen Terroranschlag verantwortlich gemacht und ihm die Zusammenarbeit mit ausländischen Geheimdiensten zur Last gelegt. Überprüfen lassen sich die Vorwürfe nicht. Gemäß islamischer Rechtsauffassung wurde Sharmahd wegen „Korruption auf Erden“ verurteilt.

Sharmahd wurde im Sommer 2020 Berichten zufolge vom iranischen Geheimdienst in Dubai entführt und in den Iran gebracht. Seitdem war er in Teheran inhaftiert. Zuvor lebte Sharmahd jahrelang in den USA. Seine Familie und Menschenrechtsgruppen wiesen die Vorwürfe gegen ihn zurück.

Nach der Protestwelle im Iran im Herbst 2022 und dem gewaltsamen staatlichen Vorgehen gegen die Demonstrationen haben sich die Beziehungen zwischen dem Iran und Europa verschlechtert. Auch für ihre Nahost-Politik und die militärische Unterstützung Russlands steht Irans Regierung in der Kritik.

Gazelle Sharmahd kämpfte um ihren Vater

Sharmahds Tochter Gazelle hatte bis zuletzt unermüdlich um ihren Vater gekämpft und dabei auch nicht mit Kritik an der Bundesregierung gespart. Nach einem Gefangenenaustausch zwischen dem Westen und Russland im Sommer 2024 hatte Gazelle Sharmahd gesagt, Bundeskanzler Olaf Scholz lege offenbar zweierlei Maß bei inhaftierten deutschen Staatsbürgern an. Scholz stelle sich nach dem Deal mit Russland als Retter dar, lasse ihren Vater aber gleichzeitig seit vier Jahren „in einer Folterkammer verrotten, wo ihm die Hinrichtung droht“, kritisierte die Tochter.

Im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ hatte Djamshid Sharmahds Tochter kurz zuvor bereits gesagt, es sei nicht unwahrscheinlich, dass das iranische Regime die Todesstrafe vollstrecken werde. Im Mai 2024 sei ein Ultimatum Teherans für das Freikaufen ihres Vaters abgelaufen, berichtete sie im Juni. Demnach seien 2,5 Milliarden Dollar gefordert worden. Auf diese Lösegeldforderung an die US-Regierung habe es aber keine Reaktion aus Berlin gegeben.

Die Beteuerung der Bundesregierung, man setze sich „hochrangig“ für ihren Vater ein, kritisierte Gazelle Sharmahd hart. Dies sei lediglich eine Floskel. Sie forderte den Abbruch aller wirtschaftlichen und diplomatischen Beziehungen mit dem Regime im Iran.

Die Tochter berichtete von seltenen Gesprächen mit dem inhaftierten Vater. Es sei offensichtlich, dass er gefoltert worden sei. Man habe ihm die Zähne ausgeschlagen, er werde trotz seiner Parkinson-Erkrankung und Herzproblemen nicht medizinisch versorgt.

Kritik an Bundesregierung nach Hinrichtung Sharmahds

Nach der Vollstreckung des Todesurteils wird von vielen Seiten Kritik an der Bundesregierung laut. So schreibt die deutsch-iranische Journalistin Gilda Sahebi im Kurznachrichtendienst X, ehemals Twitter, Berlin habe das jahrelange Martyrium und den Tod Sharmahds zugelassen. Deutschland lasse sich so zum „Spielball“ des Mullah-Regimes machen.

Die Journalistin Düzen Tekkal übt ebenfalls Kritik: Die Bundesregierung habe „darin versagt, die Freiheit für den deutschen Staatsbürger zu erwirken“, so die Gründerin des Vereins „HÁWAR.help“. Der Aktivist Tobias Huch schreibt bei X, das Auswärtige Amt und die Bundesregierung hätten die Hinrichtung Sharmahds nicht verhindert.

Der CDU-Politiker Norbert Röttgen schreibt, dass die deutsche „Iranpolitik auf einem weiteren Gebiet gescheitert“ sei. CDU-Chef Friedrich Merz schreibt von einem „scheußliches Verbrechen“ und ruft die Bundesregierung zu einer „entschlossenen Antwort“ auf. Die Sanktionen müssten verschärft werden.

Der ehemalige Grünen-Chef Omid Nouripour, der iranische Wurzel hat, drückt bei X auf Persisch der Familie von Djamshid Sharmahd sein Beileid aus. „Verfluche das System, das die freie Stimme einer Person mehr fürchtet als die Unterdrückung aller Menschen“, schrieb er.

Die heftigsten Vorwürfe kommen von Mariam Claren. Sie ist die Tochter der ebenfalls im Iran inhaftierten Kölnerin Nahid Taghavi. Sie schreibt bei X, der „staatliche Mord“ an Sharmahd hätte verhindert werden können, wenn die Bundesregierung „wirklich gewollt“ hätte. Es klebe Blut an den Händen der deutschen Politiker.

Taghavi, deutsche und iranische Staatsbürgerin, saß seit 2020 in Teheran in Haft. Wegen des politisch motivierten Standardvorwurfs, sie sei „Mitglied einer illegalen Gruppe“ und habe Propaganda gegen die Regierung betrieben, wurde sie in einem Scheinprozess zu zehn Jahren Haft verurteilt. Ende September wurde sie vorübergehend mit einer elektronischen Fußfessel freigelassen. (dpa, cme)