Auma Obama im Interview„Barack und ich sind uns sehr ähnlich“
- Bei ihr heißt es oft als erstes: das ist die Schwester von Barack Obama. Doch es wäre falsch, Auma Obama darauf zu reduzieren.
- Im Interview spricht die Autorin und Vorsitzende der Auma Obama Foundation über ihr Projekt für Kinder und Missverständnisse über Afrika. Und natürlich auch über ihren Bruder Barack Obama.
Köln – Auma Obama ist die Schwester des 44. US-Präsidenten Barack Obama. Sie wuchs in Kenia auf und lebt auch heute noch dort. Zum Studium kam sie nach Deutschland. Ihr Deutsch ist fast perfekt. Mit ihrem Bruder ging sie noch bevor er Präsident wurde auf Tour durch Kenia, wo sie Ahnenforschung betrieben. In Köln wirbt sie um Unterstützung für ihre Stiftung, die jungen Menschen in Afrika ermöglicht, ein selbstbestimmtes Leben zu verfolgen. Ein Treffen im Dorint-Hotel in Köln. Dorint zählt zu den Unterstützern des Projekts von Auma Obama.
Frau Obama, was ist der Sinn Ihrer Stiftung?
Wir arbeiten hauptsächlich mit Kindern und Jugendlichen, damit sie Verantwortung für sich selbst lernen. Der Weg dabei ist, sich selber kennenzulernen, zu entdecken, dass man wichtig ist und mitreden kann – deshalb auch der Begriff „Starke Stimme“ als Name der Stiftung. Und wer mitreden können soll, muss auch mitbestimmen können und damit Verantwortung tragen. Wir unterstützen die jungen Leute mit Sport, Theater, Rhetorik, Reden, Workshops für das Life-Skill-Training. Und in Schulen bieten wir Nachhilfeunterricht an. Am aller wichtigsten ist es, dass die jungen Leute eine Ressource haben, die sie bislang leider nicht haben, die sie und ihre Familien aus der Misere, der Armut, herausholen kann.
Welche Ressource ist das?
Es ist das Land. Wir fokussieren uns in unserer Arbeit sehr stark auf Landwirtschaft. Die Menschen haben alle Land in der Region, in der wir tätig sind, wollen es aber nicht bearbeiten. Es wird verpönt, sie wollen lieber in die Städte gehen und nicht mit den Händen arbeiten. Wer auf dem Land bleibt, heißt es, sei ein Versager. Er wird von den anderen ausgelacht. Wir wollen diesen jungen Leuten zeigen, dass sie mit Landwirtschaft etwas verdienen können und so eine Situation für die Menschen schaffen, in der sie es selbst in die Hand nehmen können, ihr Leben zu verändern. Unser Motto ist: „You are the Future“, „Du bist Deine Zukunft“. Wir wollen ihnen zeigen, dass sie etwas aus ihrem Leben machen können. Übrigens sind wir damit auch in Deutschland aktiv.
Und wie finanzieren Sie sich?
Wie alle gemeinnützige Organisationen sind wir abhängig von Spenden. Deshalb sind wir nun auf einer Tournee , es ist noch ein bisschen „schnuppern“, im nächsten Jahr planen wir, in Köln eine große Tournee zu machen. Ich bin oft in Deutschland. Ich arbeite immer tüchtig daran, dass die Familie unserer Unterstützer größer wird. So wurde gerade ein Golfturnier zugunsten unserer Stiftung wurde auf der Golfanlage Burg Konradsheim in Erftstadt ausgerichtet.
Sie kennen Afrika und auch Deutschland gut. Was ist denn die größte Fehlwahrnehmung der Europäer, was Afrika angeht?
Armut! Und man betrachtet den Kontinent als ein einziges Land, dabei gibt es dort unglaubliche viele unterschiedliche Staaten. Nur ein Beispiel: Ich dachte, dass es die Bilder abgemagerter Kinder aus Afrika nicht mehr geben würde. Und dann sah sich die Bilder magerer Kinder auf einem Fernsehkanal. Ich war ziemlich schockiert. Es ist das Bild, durch das man den Kontinent als Ort der Armut betrachtet. Ich widerspreche dem Bild entschieden! Armut bedeutet nicht, dass man kein fließendes Wasser oder Strom hat und in einer Hütte lebt. Es ist einfach eine andere Art zu leben. Wir Afrikaner müssen diese Definition der Armut überprüfen und widersprechen. Das muss man den Familien auf dem Land vermitteln, dass sie nicht arm sind, sie wissen es nur nicht. Weil sie den Wert von ihrem Land nicht erkennen. Sie haben viel Land und können damit viel machen. Wir helfen ihnen mit der Stiftung dabei. Und das Beste ist: Das Land ist noch nicht durch Chemie verdorben worden, die Luft ist noch nicht schlecht, das Wasser ist teilweise noch rein.
Sie sind attraktiv durch Bioprodukte!
Absolut. In Afrika haben wir noch die Möglichkeit, Bio anzubauen, ohne dass man sich groß anstrengt oder es teuer ist. Und das versuchen wir, den jungen Leuten und ihren Familien zu vermitteln, dass sie einen Reichtum haben, von denen die Menschen in Europa oder in den USA nur träumen, diese Möglichkeit zu haben, gesund essen zu können. Das müssen wir jetzt in Angriff nehmen und bewirtschaften, damit man sich finanziell unabhängig machen kann.
Eine Folge der Flüchtlingskrise in Europa ist die Absicht der Europäer, in Afrika etwas zu tun. Man nennt das: die Fluchtursachen zu bekämpfen. Was kann man denn sinnvoller Weise tun?
Man sollte genau solche Modelle wie meines unterstützen! Die Menschen benötigen eine Plattform, sie müssen erkennen können, dass sie eine Zukunft haben und auf eigenen Beinen stehen können. Wir machen ein Pilotmodell, das kann überall in Afrika gemacht werden. Übrigens auch in Deutschland. Wichtig ist, dass man nicht versucht, den Menschen zu zeigen, wo es langgeht. Wir reden mit den Familien: Was sind eure Probleme, was kann man tun? Das hilft den Leuten mehr. Man muss die Modelle vor Ort unterstützen. Ich stehe der klassischen Entwicklungshilfe sehr kritisch gegenüber. Die Leute wurden durch sie passiv und abhängig gemacht. Sie denken, dass ihnen diese Hilfe zusteht, weil sie arm sind. Das ist wirklich ein Problem. Die Menschen müssen lernen, ihr Leben zu bestreiten. Das ist es, was wir mit „Sauti Kuu“ versuchen.
Woher kommt Ihre gesellschaftliche, ja auch politische Aktivität? Ihr Vater, Barack Obama sen., war im Finanzministerium in Kenia tätig. Haben Sie viel von ihm?
Er war für den Finanzhaushalt zuständig. Er war ein sehr kluger Kopf. Wenn man mich fragt, wo ich das her habe, kann ich nur sagen, dass mein Vater einen großen Sinn für Fairness und Ehrlichkeit hatte. Das ist bei mir auch so, wenn die Verhältnisse nicht stimmen, muss ja irgendetwas nicht in Ordnung sein, und das stört mich. Besonders für mich, weil ich das als Frau in besonderer Weise erfahren habe, weil die kenianische Gesellschaft sehr patriarchalisch ist. Dann hieß es, das Mädchen darf dies nicht, darf jenes nicht. Darüber definiert zu werden, nur weil ich ein Mädchen bin, das war für mich irgendwie unfair und nicht in Ordnung. Deshalb habe ich schon damals angefangen, mich zu wehren, um respektiert zu werden und als Mensch, nicht als Frau gehört zu werden. Ich wollte meinen Platz bekommen. Das, glaube ich, habe ich von meinem Vater. Er war nach außen nicht so aktiv wie ich. Aber er hat auch Ärger durch seine Haltungen bekommen, weil er sehr offen darüber sprach, was er dachte. Er hat kein Blatt vor den Mund genommen, genauso wie ich.
War er ein ruhiger Mensch oder impulsiv?
Er war ein eher ruhiger Mensch. Er ist ein Mann, er musste sich gar nicht so durchboxen wie ich.
Sie sind aus Kenia nach Deutschland gegangen. Sie sagten, in Deutschland fühlte ich mich befreit und konnte sagen, was ich dachte.
Ich ging im Alter von 29 Jahren nach Deutschland. Das war in den 1980er Jahren. Die Frauen fanden in Deutschland damals ihre Stimme, nahmen klar Stellung. Das war sehr interessant für mich. Sie nahmen sich das Recht einfach heraus. Die Frauen an der Uni haben offen und lebendig diskutiert, keiner fragte, ob das jetzt eine Frau ist, die da gerade redet. Das passte für mich. Viele sagen in Kenia zu mir, du bist so geworden, wie du bist, weil du in Deutschland gewesen bist. Ich sage ihnen dann, umgekehrt, ich war schon so, bevor ich Kenia verlassen habe. Ich passte einfach in Deutschland rein, weil ich sachlich und direkt bin. Es ist okay, in Deutschland so zu sein, seine Meinung offen zu sagen.
Wie frei waren die deutschen Frauen denn in Wirklichkeit?
In Deutschland dachte man, dass die Frauen in Kenia sehr unterdrückt werden, demgegenüber wirkten die deutschen Frauen sehr stark. An der Uni haben wir alle frei diskutiert. Da waren die deutschen Frauen noch frei. Aber sobald sie verheiratet waren und Kinder bekamen, war es „vorbei“ mit der Freiheit. Sie konnten nicht arbeiten, obwohl sie studiert hatten, weil das zeitlich gar nicht mit der Kindererziehung zu vereinbaren war. In Kenia war das anders, wir kamen alle – Eltern und Kinder – zusammen immer erst abends nach Hause. Wir von der Schule, sie von der Arbeit. Es überraschte mich, wie es in Deutschland war: Kinder, Kirche, Küche – das war hier die Realität. So frei waren die Frauen hier also doch nicht.
Sie haben sich sehr für Heinrich Böll interessiert. Wie kam es zu ihrem Interesse an deutscher Literatur?
Ich hatte zwei Jahre vor dem Abitur Deutsch zu Hause gelernt. Ich hatte Deutsch als Abiturfach, weil ich deutsche Literatur sehr mochte. Die Beschreibung der Nachkriegszeit, das Leiden, der Wiederaufbau, dass die Menschen gehungert haben. Das Menschliche an der Erzählung sprach mich an. Heinrich Böll mochte ich besonders. Wenn ich Bilder von ihm sehe und seine Bücher lese, wirkt er sehr nachdenklich auf mich, es gab eine besondere Schwere in seinen Gedanken, die tiefer gingen. Das passte sehr zu meinem Wesen als Teenager, ich war eher der melancholische Typ.
Sie haben einen sehr prominenten Bruder, Barack Obama. Sie sind mit ihm durch Kenia gereist, noch bevor er US-Präsident wurde. Sie lernten sich damals kennen und hatten zuvor einen Briefwechsel, den Ihr Bruder sehr enthusiastisch beschrieben hat. Was war das für eine Reise und wie war diese Zeit mit ihm?
Es war schön. Wir verstehen uns sehr gut. Wir haben Spaß gehabt. Wir waren einfach zwei junge Leute, Geschwister, und diese wiederholten Aha-Momente mit ihm zu erleben, war ganz, ganz toll. Vieles war für ihn neu in Kenia. Alles war für ihn eigentlich neu. Die Zeit war ein Geschenk.
Sind Sie ähnlich in Ihrer Art?
Wir sind uns sehr ähnlich.
Hatten Sie viel Kontakt?
Ja, sehr viel. Wir sind Geschwister! Wir haben sehr viel Kontakt.
Vor wenigen Wochen war Barack Obama in Köln. Sie haben ihn auf der Bühne begrüßt. Es war ein sehr emotionaler Moment.
Ja, sehr. Wir haben viel Spaß miteinander. Es ist immer ein besonderer Moment mit ihm. Haben Sie Geschwister?
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Ja, habe ich.
Und wie ist das bei Ihnen? Wenn man Geschwister sieht, sind das private Momente, auch wenn man in der Öffentlichkeit ist. Es ist einfach so, dass mein Bruder und ich in der Öffentlichkeit stehen.
Hat sich Ihr Leben dadurch sehr verändert?
Sehr stark! Aber Gottseidank durfte ich das so nutzen, um Gutes zu tun. Ich bin so viel weiter gekommen in dem was ich mache. Ich hätte das sonst auch getan, aber wahrscheinlich nicht in den Maßen, wie ich es jetzt getan habe. Wir haben so ein Zeichen setzen können, Menschen zu unterstützen. Das Modell bekommt so viel mehr Aufmerksamkeit. Von daher bin ich dafür ewig dankbar!