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Ukraine-ReiseScholz besucht Kiew – und muss sich Kritik aus Deutschland anhören

Lesezeit 4 Minuten
Ukrainian President Volodymyr Zelensky (R) and German Chancellor Olaf Scholz (C) get acquainted with the latest drones during Scholz's visit to Kyiv, on December 2, 2024, amid the Russian invasion of Ukraine. Scholz made a surprise visit to war-torn Ukraine on Monday to reaffirm Berlin's support for Kyiv in its fight against Russia. (Photo by Tetiana DZHAFAROVA / AFP)

Olaf Scholz (M.), Wolodymyr Selenskyj (r.) und eine Drohne

Der Ukraine-Kurs des Kanzlers hat in Kiew zuletzt für Ärger und Irritationen gesorgt. Nun besucht Scholz das Land.

Bundeskanzler Olaf Scholz ist zu seinem ersten Ukraine-Besuch seit zweieinhalb Jahren in der Hauptstadt Kiew eingetroffen. Bei seiner Ankunft mit dem Zug kündigte der SPD-Politiker weitere Rüstungslieferungen an das von Russland angegriffene Land im Wert von 650 Millionen Euro noch im Dezember an. „Ich möchte hier vor Ort deutlich machen, dass Deutschland der stärkste Unterstützer der Ukraine in Europa bleiben wird“, sagte er.

Sein Besuch sei ein Zeichen der Solidarität mit einem Land, dass sich seit mehr als 1000 Tagen „auf heldenhafte Art und Weise gegen den erbarmungslosen russischen Angriffskrieg“ verteidige. „Die Ukraine kann sich auf Deutschland verlassen. Wir sagen, was wir tun. Und wir tun, was wir sagen.“

Kiesewetter: Scholz-Besuch ist „verlogen“

Aus Deutschland kam dagegen Kritik von der Opposition am Scholz-Besuch. Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter warf Scholz ein unglaubwürdiges Wahlkampfmanöver vor. Der „Augsburger Allgemeinen“ sagte er: „Scholz macht Wahlkampf auf dem Rücken der ukrainischen Bevölkerung und bedient zugleich russische Angst-Narrative.“

Nach Ansicht von Kiesewetter möchte Scholz mit der Reise nach Kiew „der zunehmenden Kritik in Deutschland an seinem verantwortungslosen Wahlkampf entgegenhalten“. Die Ukraine dringe auf eine sofortige Einladung in das Nato-Bündnis, weitreichende Waffen und die Freigabe, militärische Ziele in Russland zu treffen. Weil Scholz diese Forderungen ablehne, sei der Besuch „verlogen“.

Olaf Scholz: Bundeskanzler besucht Kiew – „Die Ukraine kann sich auf Deutschland verlassen“

Deutschland gilt nach den USA als wichtigster Waffenlieferant der Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland. Nach deutschen Regierungsangaben wurden seit der russischen Invasion am 24. Februar 2022 deutsche Waffen und militärische Ausrüstung im Wert von rund 28 Milliarden Euro in die Ukraine geliefert oder zugesagt. Dazu gehören die von Scholz angekündigten Lieferungen für 650 Millionen Euro im Dezember. „Deutschland macht in diesem Jahr mehr als Großbritannien und Frankreich zusammen. Da könnte man sogar noch ein paar Länder mit draufpacken“, hatte der Kanzler erst am Wochenende gesagt.

Allerdings muss sich Scholz auch immer wieder Kritik stellen, sein Kurs der „Besonnenheit“ gehe zulasten der angegriffenen Ukraine. So weigert sich der Bundeskanzler bis heute, den Marschflugkörper „Taurus“ zu liefern. Er will verhindern, dass Deutschland und die Nato in den Krieg hineingezogen werden, wie er nicht müde wird zu betonen.

Insbesondere im jetzt begonnenen Wahlkampf wolle sich Scholz als „Friedenskanzler“ profilieren, bediene aber damit die Narrative von AfD und BSW, werfen ihm Kritiker vor. Insbesondere sein Telefonat mit Wladimir Putin, das ergebnislos verlief, stieß in Kiew auf Missfallen. Auch die Grünen setzen sich in der Frage der Ukraine-Unterstützung inzwischen immer stärker von der SPD ab.

Der „Spiegel“-Journalist Felix Dachsel schrieb bei X: „Eigentlich sollte Scholz die Ukraine im Krieg unterstützen und nicht die Ukraine Scholz im Wahlkampf. “

Der Kölner Politikwissenschaftler Thomas Jäger, der seit langem vor der russischen Gefahr warnt, schlug einen ironischen Ton an und schrieb zum Besuch des Kanzlers: „Will Scholz Ukraine vor russischen Nuklearwaffen warnen?“

Scholz trifft Selenskyj in Kiew

Scholz kam am Morgen nach gut neunstündiger Fahrt mit einem Sonderzug aus Polen in Kiew an. Sein Besuch war aus Sicherheitsgründen nicht angekündigt worden. Zusammen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj besuchte er dort zunächst verwundete Soldaten in einem Krankenhaus, darunter auch einige, die im Krieg Gliedmaßen verloren haben.

Anschließend sahen sich die beiden eine Präsentation von Drohnen an, die im Abwehrkampf gegen Russland eingesetzt werden. Dazu gehört auch eine deutsche Drohne der Firma Helsing, mit der an der Front gepanzerte russische Fahrzeuge bekämpft werden könne. 4000 davon werden ab Dezember ausgeliefert.

Sie gehören zu dem von Scholz bis Ende des Jahres angekündigten Waffenpaket. Außerdem dabei: zwei Luftabwehrsysteme Iris-T, zehn Leopard-1A5-Kampfpanzer, 60 Schützen- und Kampfpanzer der Typen M84 und M80 sowie 6000 ungelenkte und 500 gelenkte Raketen.

Präsident Selenskyj dankte Scholz auch bei X für die Unterstützung Deutschlands. Sein Post endete mit einer Friedensbotschaft: Gemeinsam werde man alles tun, „um so bald wie möglich einen gerechten Frieden in der Ukraine und damit Sicherheit für ganz Europa wiederherzustellen.“

Olaf Scholz war im Juni 2022 das letzte Mal in der Ukraine

Der Kanzler war kurz vor der russischen Invasion im Februar 2022 erstmals in der ukrainischen Hauptstadt. Vier Monate nach dem russischen Angriff folgte im Juni 2022 ein weiterer Besuch zusammen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem damaligen italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi. Die drei machten dabei den Weg dafür frei, dass die Ukraine EU-Beitrittskandidat wurde.

Der Wunsch nach einer formellen Einladung in die Nato wurde der Ukraine dagegen bis heute nicht erfüllt. Selenskyj erhöht angesichts der russischen Gebietsgewinne in den vergangenen Wochen nun allerdings den Druck. „Die Einladung in die Nato ist eine notwendige Sache für unser Überleben“, sagte er am Sonntag in Kiew. Er machte deutlich, dass er sich einen entsprechenden Beschluss beim Nato-Außenministertreffen in Brüssel an diesem Dienstag und Mittwoch wünsche.

Dass es dazu kommt, hält der Ukrainer allerdings für unwahrscheinlich. Als Grund nannte er explizit die Skepsis in den USA, Deutschland und Ungarn. (dpa, mit cme)