AboAbonnieren

Bewerbungsrede von J.D. VanceHillbillys populistischer Lobgesang

Lesezeit 4 Minuten
17.07.2024, USA, Milwaukee: Der für das Amt des US-Vizepräsidenten nominierte Senator JD Vance spricht mit geballter Faust während der Republican National Convention in Milwaukee. Foto: Paul Sancya/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Der für das Amt des US-Vizepräsidenten nominierte Senator JD Vance spricht mit geballter Faust während der Republican National Convention in Milwaukee.

Auf dem Parteitag der Republikaner wirbt der 39-jährige Vizepräsidentschaftskandidat heftig um die Stimmen der Arbeiter im Rostgürtel der USA.

Noch ehe der Kandidat auf der Bühne steht, hat er seine erste Botschaft übermittelt: Aus den Lautsprecherboxen der Parteitagsarena dröhnt „Let’s Rebuild America First“, während sich J.D. Vance den Weg zur Bühne bahnt – ein Protestsong des 2016 verstorbenen Countrysängers Merle Haggard gegen den Irak-Krieg, den George W. Bush – und damit immerhin ein prominenter Vertreter seiner Partei – begonnen hatte.

Die zweite Botschaft verkündet der republikanische Kandidat für das Vizepräsidentenamt gleich ganz am Anfang seiner Rede: „Mein Name ist J.D. Vance, und ich komme aus dem großartigen Staat Ohio.“ Das wissen die 2400 Delegierten im Saal natürlich längst. Aber der prosaische Einstieg macht klar, worum es ihm geht – um die „vergessenen“ Wähler und Wählerinnen im Mittleren Westen der USA, um seine Person und um seine Lebensgeschichte. Genauer gesagt: seine politisch zurechtgebogene Biografie.

Ein Bestseller als Trump-Erklärversuch

Eigentlich ist Vance seit der Veröffentlichung seines autobiografischen Bestsellers „Hillbilly-Elegy“ eine öffentliche Person. Millionen Leser und Leserinnen haben die Geschichte einer prekären Kindheit mit einer drogensüchtigen Mutter im Rostgürtel der USA gelesen und als Erklärversuch des Aufstiegs von Donald Trump verstanden.

Donald Trump ist zynisches Arschloch
J-D. Vance vo acht Jahren in Interviews

In dem Buch setzte sich der Autor aber auch kritisch mit der bildungsfeindlichen Apathie in der weißen Unterschicht auseinander, aus der er sich befreien musste. Er fordert, „dass wir aufhören, Obama oder Bush oder gesichtslose Unternehmer verantwortlich zu machen und uns fragen, was wir tun können, um die Umstände zu verbessern“. In Interviews nannte er Trump vor acht Jahren ein „zynisches Arschloch“ und warnte, dessen Populismus werde in Wahrheit alles viel schlimmer machen: „Seine Versprechen wirken wie die Nadel in Amerikas kollektiven Venen.“

„Trump gibt alles für uns“

Es ist ein weiter Weg von solchen Urteilen bis zu den unterwürfigen Lobeshymnen, mit denen der 39-Jährige nun bei den republikanischen Conventions den Präsidentschaftskandidaten überhäuft. „In den letzten acht Jahren hat Präsident Trump alles gegeben, um für die Menschen dieses Landes zu kämpfen“, behauptet er. „Selbst im gefährlichsten Moment seines Lebens dachte er an uns“, behauptet er mit Blick auf den Attentatsversuch vom Samstag: „Sie sagten: Er muss um jeden Preis beseitigt werden. Wie reagiert er? Er ruft zur nationalen Einheit auf.“

Die atemberaubende Verwandlung des Absolventen der Elite-Hochschule Yale, der in San Francisco als Wagniskapitalgeber viel Geld verdient hatte, zum rechtspopulistischen Anwalt der Arbeiterklasse, vollzog sich 2022 mit seiner Kandidatur für den Senat. Nun, da sich Vance anschickt, an Trumps Seite das zweithöchste Amt im Staat zu gewinnen, wird auch der Lebenslauf angepasst. „Joe Biden ist länger in Washington, als ich lebe“, sagt Vance. Und ausdrücklich gibt er ihm die Schuld am Niedergang der amerikanischen Industrie und den Nöten der Arbeiterfamilien einschließlich seiner eigenen.

Als Vance zehn Jahre alt war, habe Biden als Senator für das Nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta gestimmt, dann die Tore für Produkte aus China geöffnet und schließlich den Irak-Krieg unterstützt. „Irgendwie lag ein Immobilienentwickler aus New York in allen diesen Dingen richtig und Joe Biden immer falsch“, preist er noch einmal Trump.

Ich werde niemals vergessen, wo ich herkomme
J.D. Vance

In seiner halbstündigen Rede spricht Vance viele emotionalisierte Themen an, die vor allem beim republikanischen Publikum gut ankommen: die illegale Zuwanderung, die Fentanyl-Krise, die Kriminalität und die Inflation. Der Kandidat scheint sich rhetorisch und performativ selbst zu zügeln. Möglicherweise möchte er Trump, der am heutigen Donnerstagabend redet, keinesfalls die Show stellen. Sehr kurz ist auch die Liste der Lösungsvorschläge. Dafür erklärt Vance immer wieder, dass er aus Ohio komme und sich auch den anderen Staaten des Rostgürtels verbunden fühlt, auf deren Stimmen Trump angewiesen ist: „Ich werde niemals vergessen, wo ich herkomme.“

Geografisch mag das zutreffen. Persönlich gibt es aber offenbar Gedächtnislücken. „Wir dienen nicht der Wall Street. Wir haben uns den Arbeitern verschrieben“, beteuert Vance. Für einen Ex-Investor, dessen politischer Aufstieg vom rechtslibertären Milliardär Peter Thiel ermöglicht und vom einflussreichen Ex-Fox-News-Moderator Tucker Carlson befeuert wurde, klingt das durchaus überraschend. Der Beifall der Delegierten aber ist rauschend.