Vor wenigen Monaten noch war die ehemalige UN-Botschafterin die gefährlichste Gegenspielerin von Donald Trump im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur.
Von der Erzrivalin zum FeigenblattDie Schlüsselrolle von Nikki Haley in Trumps Wahlkampf
Der Applaus ist mäßig, ein paar Buhrufe und Pfiffe hallen durch die Parteitagsarena. „Präsident Trump hat mich gebeten, hier im Namen der Einigkeit zu sprechen“, sagt Nikki Haley zu Beginn ihrer Rede vor den republikanischen Delegierten eilig.
Es klingt, als wolle sie mit der Berufung auf die höchste Autorität schnell einen Schutzschirm aufspannen.
Mehr als vier Millionen Republikaner stimmten nicht für Trump
Gerade mal vier Monate ist es her, da waren Haley und Trump erbitterte Rivalen im innerparteilichen Kampf um die Präsidentschaftskandidatur. Die ehemalige UN-Botschafterin gab im März auf. Trotzdem sammelte sie weiter Stimmen – insgesamt 4,3 Millionen. Jeder fünfte Republikaner hat sie und nicht den Ex-Präsidenten unterstützt. Der aber schaltet nun um und setzt auf Geschlossenheit. Deshalb hat er Haley kurzfristig einen Rede-Slot zur besten TV-Sendezeit am zweiten Abend der Convention eingeräumt.
Haley scheint mit Gegenwind von den Zuhörern gerechnet zu haben. Ihre Rede hat eine merkwürdige Abfolge. Kein Spannungsaufbau. Stattdessen im ersten Satz die Anrufung Trumps als Schutzpatron. Dann im zweiten schon die Pointe: „Ich will es klar sagen: Donald Trump hat meine stärkste Unterstützung“, verkündet sie. Und als wolle sie Zweifel angesichts ihrer in den vergangenen Jahren mehrfach veränderten Position ausräumen, setzt sie verstärkend hinzu: „Punkt!“
Trump veralberte Haley als „Spatzenhirn“
Während die 52-Jährige von der Bühne der riesigen Halle mit 18.000 Plätzen spricht, sitzt Donald Trump auf der gegenüberliegenden Seite neben seinem Vize-Kandidaten J.D. Vance in einer Ehrenloge. Sein rechtes Ohr ist immer noch von einem Verband verdeckt, aber die Gesichtsfarbe des 78-Jährigen wirkt deutlich gesünder als am Vortag. Er schaut hinüber zu der Frau, die er „Spatzenhirn“ genannt und wegen ihres indischstämmigen Vornamens veralbert hat und lächelt milde.
Trump braucht jetzt jede Stimme. Haley möchte sich ihre Zukunft in der republikanischen Partei nicht verbauen. So ist wohl dieses eigenartige Bündnis zustande gekommen. Noch im Januar hatte Haley öffentlich angezweifelt, ob Trump „geistig in der Lage ist“, das Präsidentenamt auszufüllen. Nun sagt sie plötzlich: „Zum Wohle unseres Landes müssen wir mit Trump gehen!“
Elf Minuten redet die einstige Präsidentschaftsbewerberin. Einige Passagen ihres Vortrags scheint sie tatsächlich kaum verändert aus dem Vorwahlkampf übernommen zu haben. Darin geht es um die angebliche Gefahren einer neuerlichen Biden-Regierung, die Solidarität mit Israel und die Forderung nach einer rigiden Einwanderungspolitik.
Andere Passagen hingegen sind plötzlich verschwunden. Die Unterstützung von Militärhilfen für die Ukraine war immer ein Markenzeichen der Kandidatin gewesen, genau wie die Forderung nach einer strikten Haushaltsdisziplin. Damit begeisterte sie klassische Reagan-Republikaner. Doch die Themen passen nicht mehr zur neuen Trump-Partei. Also kehrt Haley sie einfach unter den Tisch.
Ungewöhnlich lange war die Ex-UN-Botschafterin trotz geringer Erfolgschancen in dem millionenteuren Rennen um die Kandidatur geblieben. Viele glaubten, damit wolle sie ihren politischen Preis erhöhen und sich Trump als Stellvertreter-Kandidatin andienen. Daraus ist nichts geworden. Trump wollte unbedingte Loyalität. Und jemand, der die Stimmen aus dem Rostgürtel der USA besorgen kann. Bei beiden Kriterien fällt Haley durch.
Keine internen Differenzen, nur gute Stimmung
Doch die Politikerin aus South Carolina sieht offenbar eine neue Rolle für sich in der Partei. „Es gibt einige Amerikaner, die nicht zu hundert Prozent mit Trump übereinstimme“, sagt sie. Doch auch deren Stimmen brauche man. „Ich will zu denen sprechen“, sagt Haley. Das gefällt Trump und auch den Delegierten. Interne Differenzen zukleistern, die Reihen schließen, die Wählerbasis erweitern – das ist hier in Milwaukee die Devise. Am Ende ihres Auftritts gibt es ordentlichen Beifall, die Buhrufer bleiben ruhig.
Gleichwohl wird Haley in der Trump-Partei immer eine Randfigur bleiben. Das wird überdeutlich, als unmittelbar nach ihr Ron DeSantis ans Rednerpult tritt. Auch er war anfangs gegen den Ex-Präsidenten angetreten, hatte aber viel früher aufgegeben. Vor allem ist der Gouverneur von Florida ideologisch mindestens so rechtspopulistisch wie Trump.
Er wettert pauschal gegen Einwanderer, ätzt gegen Genderpolitik und ruft in den Saal: „Donald Trump ist dämonisiert worden, angeklagt worden und fast getötet worden. Wir können ihn nicht im Stich lassen und wir können Amerika nicht im Stich lassen!“ DeSantis endet mit Trumps Ausruf nach dem versuchten Attentat: „Kämpft, kämpft, kämpft!“ Da endlich bricht frenetischer Jubel aus in der Parteitagshalle.