Demokraten ändern ihre StrategieWas bedeutet das Attentat auf Trump für den US-Wahlkampf?

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Der republikanische Präsidentschaftsbewerber und ehemalige US-Präsident Donald Trump kommt zu einer Wahlkampfveranstaltung in Butler, Pennsylvania.

Noch ist unklar, wie sich das Attentat auf Donald Trumpf auf den US-Wahlkampf auswirken wird.

Nach dem Anschlag gibt sich Trump gewandelt. Statt Präsident Biden im Wahlkampf hart zu kritisieren, will er das Land vereinen, behauptet er.

Für die erste Überraschung nach dem Attentat auf Donald Trump sorgte der Ex-Präsident und erneuter Fast-Kandidat höchstselbst: „Ich will versuchen, das Land zu einen“, gab er Republikaner plötzlich als Ziel seiner großen Rede auf dem Krönungsparteitag aus, der am Donnerstag mit seiner offiziellen Nominierung als Präsidentschaftskandidaten enden soll.

Vor dem Beginn der viertägigen Veranstaltung in Milwaukee im Bundesstaat Wisconsin erklärte er nun, er habe seine ursprünglich geplante Ansprache verworfen: „Ich hatte eine extrem harte Rede komplett vorbereitet, wirklich gut, alles über die korrupte, schreckliche Regierung“, sagte Trump der Boulevardzeitung „New York Post“. „Aber ich habe sie weggeschmissen.“

Attentat auf Donald Trump: Motiv des Täters bleibt unklar

Denn nachdem er am Samstag während einer Wahlkampfrede im Bundesstaat Pennsylvania fast von einem 20 Jahre alten Schützen erschossen wurde, müsse es nun um Einigkeit und Mäßigung gehen. Sagt Trump, der seinen Aufstieg vor allem seinem Talent für Schmähkritik, Beleidigungen und verbalen Regelverstößen verdankt. Aber er schränkt zugleich ein: „Ich weiß aber nicht, ob es möglich ist. Die Menschen sind sehr gespalten.“

Auch am Montag blieb das Motiv des Täters unklar, der aus der Region des Tatorts stammte und der noch während der Veranstaltung von den Sicherheitskräften getötet wurde. Und unklar blieb auch, wie sich die Tat auf die restlichen dreieinhalb Wahlkampfmonate bis zur Wahl im November auswirken wird.

„Klar ist, dass Joe Biden in einem Dilemma steckt“, sagt die USA-Expertin und Leiterin der Amerika-Forschungsgruppe bei der deutschen Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Laura von Daniels, im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Der politische Anstand, den Biden ins Zentrum seiner Wahlkampagne gegen Trump gestellt hat, verlange vom Amtsinhaber nun staatsmännisches Verhalten. „Dass die Demokraten in absehbarer Zeit wieder auf ihre geplante Taktik umschalten können, Donald Trump als Feind der Demokratie anzugreifen, ist schwer vorstellbar“, sagt von Daniels, „nachdem er selbst buchstäblich angeschossen wurde.“

US-Wahl: Donald Trump will „Amerika vereinen“

Als amtierender Präsident muss Biden jetzt das Land beruhigen; die befürchtete Eskalation der Gewalt, von der seine Vizepräsidentin Kamala Harris bereits sprach, verhindern. Also zogen die Demokraten nach dem Mordversuch spontan ihre TV-Wahlwerbespots gegen Trump zurück, und Joe Biden las in einer seltenen Fernsehansprache aus dem Oval Office den Aufruf zur Mäßigung vom Teleprompter: Die politische Debatte im Land sei sehr hitzig geworden, sagte er. „Es ist Zeit, sie abzukühlen.“ Und obwohl er das selbst anders sehen dürfte, betonte er, die Verantwortung dafür liege bei „uns allen“. „Wir lösen unsere Meinungsverschiedenheiten an der Wahlurne. So machen wir es - an der Wahlurne, nicht mit Kugeln“.

Die Reaktion von Trump folgte prompt - und fiel erneut nicht hämisch oder zynisch aus, wie es bislang sein Markenzeichen war, wenn er auf der von ihm mitgegründeten Online-Plattform „Truth Social“ Bidens Ansprachen kommentiert. Dieses Mal schrieb er in Großbuchstaben nur zwei Wörter: „Amerika vereinen!“

„Das sind tatsächlich Hinweise auf eine Mäßigung im Wahlkampf“, sagt SWP-Expertin von Daniels. „Aber in der Republikanischen Partei sind das bislang nur einzelne Stimmen, etwa im Senat und in den Parlamenten der Bundesstaaten.“ Die lauten und die prominenten Stimmen aus Trumps Partei haben ihren Sound dagegen nicht geändert, sagt die Politologin - im Gegenteil: Es sei weiter vom verschwörerischen „Deep State“ die Rede, der Trump aus dem Weg räumen wolle und Staat und Justiz als Waffe einsetze - und nun eben auch den Secret Service, den Joe Biden selbst beauftragt habe, den Anschlag auf seinen Herausforderer zu ermöglichen. „Solche Vorwürfe kommen nicht nur von Radikalen Republikanern wie der Abgeordneten Marjorie Taylor Greene“, so von Daniels, „sondern auch von einflussreichen Köpfen wie dem Senator von Ohio, J.D. Vance, der immerhin als Trumps möglicher Vizepräsidentschaftskandidat gehandelt wird.“

Geburtsstunde eines neuen Donald Trumps?

Das kann einerseits darauf hindeuten, dass Trumps Mäßigung im Ton nur von befristeter Dauer sein wird. Doch selbst falls das Attentat die Geburtsstunde eines neuen Donald Trump gewesen sein sollte, der die Boshaftigkeiten bleiben lässt und der amerikanischen Einigung das Wort redet: „Auch das wäre für die Demokraten nicht beruhigend“, sagt Laura von Daniels. „Denn auch ohne Attentat hätte Trump ja mit Blick darauf, Unentschlossene und Wechselwähler zu gewinnen, milder auftreten müssen.“ Den Demokraten nähme er so das Alleinstellungsmerkmal - und ließe sie mit der leidigen partei-internen Debatte darüber zurück, ob der altersschwache Joe Biden überhaupt der richtige Kandidat ist. „Diese Diskussion halte ich keineswegs für ausgestanden“, sagt von Daniels.

Hinzu kommt, dass sowohl die Altersdebatte um Biden, als auch der Schrecken über das Attentat davon ablenken, dass Donald Trump immerhin der erste vorbestrafte Kriminelle ist, der sich ums Weiße Haus bewirbt, und dass mehrere weitere Gerichtsverfahren gegen ihn laufen. Schlimmer noch, aus demokratischer Sicht: Mitten in die Vorbereitungen zu Trumps Krönungsparteitag platzte am Montag die Eilmeldung, dass das Strafverfahren in der Affäre um die Mitnahme geheimer Regierungsdokumente gegen ihn eingestellt wird. (rnd)