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Mehr Rügen und Ordnungsrufe seit Einzug der AfDLandtag plant Ordnungsgeld für pöbelnde Politiker – bis zu 2000 Euro

Lesezeit 4 Minuten
Der nordrhein-westfälische Landtag debattiert im Plenum.

Der nordrhein-westfälische Landtag debattiert im Plenum.

Wer sich bei Landtagsdebatten bisher im Ton vergreift, wird nur verwarnt. Bald soll es aber richtig teuer werden.

Pöbelnde Politiker sollen im nordrhein-westfälischen Landtag künftig ein Ordnungsgeld zahlen. Ein Landtagssprecher bestätigte, dass Präsident André Kuper den Fraktionen einen entsprechenden Vorschlag gemacht habe. Nach dpa-Informationen hatten sich CDU, SPD, Grüne und FDP auf eine entsprechende Änderung der Geschäftsordnung des Landtags geeinigt.

Ein gemeinsamer Antrag der vier Fraktionen kam am Dienstag aber noch nicht zu Stande. Nun sollen die Beratungen im neuen Jahr weitergehen. Beim ersten Verstoß wären demnach 1000 Euro, bei einer Wiederholung 2000 Euro fällig. Die „WAZ“ hatte zuvor berichtet.

Bisher ausgesprochene Ordnungsrufe würden von einigen als Trophäen gesehen

„Es gibt Abgeordnete, die mit Absicht provozieren, Hass und Hetze in die Debatten tragen und dem Erscheinungsbild des Landtags schaden. Für mich ist die Herabwürdigung unseres Parlaments nicht mehr hinnehmbar“, sagte Landtagspräsident Kuper auf Anfrage. „Wer die Demokratie verspottet und Abgeordnete verhöhnt, muss mit Konsequenzen rechnen.“

Er betonte: „Die bisher ausgesprochenen Rügen und Ordnungsrufe werden von einigen als Trophäen gesehen. Deswegen braucht der Landtag eine Sanktion, die am Geldbeutel ansetzt und damit wirklich spürbar ist.“

Ordnungsgeld soll direkt von Abgeordnetenbezügen einbehalten werden

Das Ordnungsgeld würde direkt von den Abgeordnetenbezügen einbehalten, so dass die Politiker weniger überwiesen bekommen. Dafür soll eine Verrechnungsvorschrift im Abgeordnetengesetz ergänzt werden. Der direkte Abzug sei das „Schwert, das sicherstellt, dass die Regelung nicht nur auf dem Papier besteht, sondern im politischen Alltag wirksam ist“, so Marcel Hafke (FDP).

Am Dienstag waren Hafke und die Parlamentarischen Geschäftsführer der anderen Fraktionen verabredet, um über das Ordnungsgeld und weitere Änderungen der Geschäftsordnung des Landtags zu sprechen. Die übrigen Punkte erscheinen für Außenstehende vergleichsweise harmlos: Es geht unter anderem um Fristen und Parlamentsmaterialien.

Verabschiedung des Antrags für das kommende Plenum scheitert zunächst

Dennoch scheiterte die Verabschiedung des Antrags für das kommende Plenum nach dpa-Informationen, weil die SPD noch Beratungsbedarf sah. Nun soll nachverhandelt werden, der Antrag könnte dann im Januar ins Plenum kommen.

Das Ordnungsgeld soll nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur als Eskalationsstufe zwischen dem Ordnungsruf und dem Rauswurf aus dem Plenarsaal angesiedelt werden. In der aktuellen Wahlperiode wurden laut Landtag 47 Rügen und Ordnungsrufe ausgesprochen. In der letzten Wahlperiode gab es - in vier Jahren - 113 Ordnungsmaßnahmen. In der 16. Wahlperiode davor nur 23.

Der Anstieg in den letzten Jahren hat vor allem mit dem Einzug der AfD ins Parlament zu tun. Eine große Zahl der Ordnungsmaßnahmen betrifft die Rechtspopulisten: In der letzten Legislaturperiode waren es mehr als die Hälfte.

Ordnungsgeld sei ein Mittel gegen einen populistischen Politikstil

Matthias Kerkhoff, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, betonte: „Uns Demokraten eint, den Parlamentsbetrieb vor einer zunehmenden Anzahl an Provokationen und unparlamentarischen Verhaltensweisen vor allem durch die AfD zu schützen.“ Das Ordnungsgeld sei ein Mittel „gegen einen populistischen Politikstil, der auf permanente Provokation setzt.“

Der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD, Andreas Keith, sagte dagegen: „Bisher wurden gegen uns gerichtete Provokationen, Verleumdungen und Beleidigungen der anderen Fraktionen häufig nicht geahndet.“ Von daher erwarte man bei den neuen Ordnungsmaßnahmen, „dass derselbe Maßstab der an unsere Fraktion gelegt wird, auch bei den anderen Fraktionen gilt“.

Gegen ein Ordnungsgeld soll man auch Einspruch einlegen können

Mehrdad Mostofizadeh, Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen, teilte mit: „Wir haben uns schon in der Vergangenheit dafür ausgesprochen ein Ordnungsgeld einzuführen, um insbesondere auch massive Verletzungen der Würde des Landtags in Plenar- und Ausschusssitzungen zukünftig schärfer sanktionieren zu können. Es darf nicht sein, dass Verfassungsorgane verächtlich gemacht werden und dies ungeahndet bleibt.“

Ina Blumenthal, Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD, sagte: „Wer im Landtag die Grenzen des guten Anstands in ehrverletzender und verunglimpfender Weise übertritt, muss sich dafür künftig der Konsequenzen bewusst sein. Leider hat das bisherige System der mündlichen Ermahnungen vor allem auf eine bestimmte Fraktion keine abschreckende Wirkung mehr gehabt. Wenn es jetzt ans Geld geht, versteht die AfD diese Sprache vermutlich besser.“

Gegen ein Ordnungsgeld soll man übrigens - wie bisher gegen einen Ordnungsruf - auch Einspruch einlegen können. Dann muss der sogenannte Ältestenrat des Landtags entscheiden. Im Bundestag, wo es schon länger ein Ordnungsgeld gibt, soll es nach dem Willen von Präsidentin Bärbel Bas übrigens erhöht werden: Von 1000 auf mindestens 2000 Euro beim ersten Verstoß. „Das tut dann richtig weh“, hatte Bas im November der „Bild am Sonntag“ gesagt. (dpa)