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GesetzgebungBundesinnenministerium bekräftigt: keine Kriminalisierung ziviler Seenotrettung

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Migrantinnen und Migranten sitzen auf einem Boot im Mittelmeer. (Symbolbild)

Migrantinnen und Migranten sitzen auf einem Boot im Mittelmeer. (Symbolbild)

Ein breites Bündnis befürchtet die Kriminalisierung ziviler Seenotrettung durch eine geplante Gesetzesänderung. Das BIM bekräftigt, dass dies aus seiner Sicht nicht drohe. An dieser Position bleiben jedoch juristische Zweifel.

Das Bundesinnenministerium hat seine Position bekräftigt, dass durch die geplante Änderung des Aufenthaltsgesetzes keine Kriminalisierung von Seenotrettern drohe. Bei der Linken und auch bei Juristen und zivilgesellschaftlichen Organisationen bleibt diese Sorge dennoch bestehen.

Mit der Gesetzesänderung soll die bestehende Rechtslage zur verbotenen Einschleusung von Ausländern in die EU konkretisiert und verschärft werden. Bislang macht sich nach deutschem Recht nur strafbar, wer Ausländern ohne gültigen Aufenthaltstitel bei der Einreise in die EU hilft und sich dadurch einen Vorteil verschafft – also etwa Geld verlangt.

Werden Seenotretter bald wie Schleuser behandelt?

Künftig soll es für eine Strafbarkeit bereits ausreichen, dass „wiederholt oder zugunsten von mehreren Ausländern“ gehandelt wird – auch wenn die Hilfe bei der „unerlaubten Einreise“ uneigennützig erfolgt. Seenotretter befürchten deshalb, dass sie künftig wie kriminelle Schleuserbanden behandelt und verurteilt werden, wenn sie schiffbrüchige Flüchtlinge und Migranten in europäischen Häfen in Sicherheit bringen.

„Die Rechtsauffassung, dass Seenotrettung damit kriminalisiert wird, teilt die Bundesregierung ausdrücklich nicht. Vielmehr besteht im Fall von Seenotlagen die Pflicht zur Hilfeleistung“, teilte das Bundesinnenministerium nun in seiner Antwort auf eine schriftliche Frage der Linken-Bundestagsabgeordneten Clara Bünger mit, die dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegt.

„Im Fall einer Seenotrettung sind nach einer Übergabe an die Behörden des Ausschiffungshafens die Personen formal nicht eingereist, sodass eine beabsichtigte Umgehung der Einreisekontrolle nicht vorliegt“, erklärte das Ministerium seine Position weiter. Seenotretter würden also nur dann wie kriminelle Schleuser behandelt, wenn sie die geretteten Menschen etwa in Griechenland oder Italien nicht an die Behörden übergeben.

Juristische Zweifel an der Position des Ministeriums bleiben

„Ich begrüße, dass die Bundesregierung sich von dem Ziel distanziert, zivile Seenotrettung zu kriminalisieren. Alles andere wäre auch nicht mit ihrem Koalitionsvertrag vereinbar, wonach zivile Seenotrettung nicht behindert werden darf“, sagte die Linken-Bundestagsabgeordnete Clara Bünger dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ (RND).

Das reiche aber nicht aus, weil die Gefahr der Strafverfolgung von Seenotretterinnen und -rettern mit der Antwort der Bundesregierung weiter bestehe. „Das zeigt nicht zuletzt das Verfahren gegen die Iuventa-Crew in Italien“, sagte Bünger. Das Seenotrettungsschiff Iuventa wurde 2017 von den italienischen Behörden auf Lampedusa beschlagnahmt, gegen die Besatzung des Schiffs wurden Ermittlungen eingeleitet. „Um rechtliche Unsicherheit zu vermeiden, muss die Bundesregierung die Ausweitung des Paragrafen 96 AufenthG umgehend zurückziehen“, forderte Bünger.

„Gerichte und Staatsanwaltschaften sind nicht an Auffassung des Ministeriums gebunden“

David Werdermann, Rechtsanwalt bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte, pflichtet ihr bei. „Es ist gut, dass das Innenministerium sich hier klar positioniert und der Auffassung ist, dass Seenotrettung nicht strafbar ist“, sagte Werdermann dem RND. Das Problem sei jedoch: „Gerichte und Staatsanwaltschaften sind nicht an die Auffassung des Innenministeriums gebunden. Wenn auch nur eine Staatsanwaltschaft einen Anfangsverdacht annimmt, drohen Durchsuchungen und Beschlagnahmen bei Seenotrettungsorganisationen.“ Nur durch eine Rücknahme der Änderung am Gesetzestext könnten uneigennützige Helfer sicher sein, dass sie nicht belangt werden.

Ein Bündnis aus mehr als 50 zivilgesellschaftlichen Organisationen hatte in den vergangenen Tagen vor der Kriminalisierung von Seenotrettung durch die geplante Gesetzesänderung gewarnt, darunter etwa Amnesty International und Ärzte ohne Grenzen.