Die Ampel-Koalition verschärft die Migrationsregeln und will gegen Schleuser vorgehen, Seenotretter sehen ihre humanitäre Arbeit gefährdet.
„Wir lassen uns nicht einschüchtern“Seenotretter befürchten Kriminalisierung durch verschärfte Migrationsgesetze
Seenotretter sehen ihre Arbeit durch eine geplante Gesetzänderung zur Erleichterung von Abschiebungen gefährdet. Nach Einschätzung von Gorden Isler, Vorsitzender der Organisation Sea-Eye, würde der Inhalt des Entwurfs die Kriminalisierung der zivilen Seenotrettung ermöglichen.
„Denn der Vorschlag sieht vor, dass in Zukunft kein finanzieller Vorteil gegeben sein soll, um eine Strafbarkeit zu begründen. Eine Ausnahme für Seenotrettungsorganisationen ist nicht vorgesehen.“ Nach Darstellung des Bundesinnenministeriums vom Mittwoch (8. November) ist diese Sorge unbegründet. Zuvor hatte die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet.
Migration: Seenotretter „Seawatch“ kündigen weitere Rettungsmissionen an
Konkret geht es um Paragraf 96 des Aufenthaltsgesetzes, der das Einschleusen von Ausländern regelt und von der Ampel-Koalition angepasst werden soll. Isler sagte dazu, auch Reedereien könnten in rechtliche Unsicherheiten gebracht werden, da sie ebenfalls keinen finanziellen Vorteil dadurch hätten, Menschen in Seenot zu retten. „Wir fordern, dass dieser Vorschlag verworfen wird und dass sich die demokratischen Abgeordneten des Bundestags jetzt eindeutig zur Seenotrettung positionieren.“
Alles zum Thema Deutscher Bundestag
- Ex-Bundesminister auf Lesetour Was Jürgen Trittin (Grüne) mit Blick auf die ZUE in Frechen rät
- Bundestagswahl FDP nominiert Markus Herbrand für Wahlkreis Euskirchen-Rhein-Erftkreis II
- „Als würde er ihn auslachen“ Europa schimpft, Moskau feixt – Kanzler nach Putins „wahrer Antwort“ im Kreuzfeuer
- Kontaktaufnahme Olaf Scholz und Wladimir Putin: Nutzlose Gespräche
- Bundesparteitag Brantner und Banaszak sind die neue Grünen-Chefs
- Bundestagswahl Was der frühe Wahltermin für die Parteien in Rhein-Erft bedeutet
- Kremlchef bleibt hart, Kritik aus Kiew Scholz telefoniert erstmals seit zwei Jahren mit Putin
Gegen den Gesetzesentwurf gibt es Protest von weiteren Seenotrettern. So schreibt etwa die Organisation Seawatch am Mittwoch via Instagram: „Die Bundesregierung droht mit bis zu 5 Jahre Knast für zivile Seenotretter:innen. Wir lassen uns nicht einschüchtern! Wir retten weiter, denn Seenotrettung ist kein Verbrechen! Seenotrettung ist Notwendigkeit!“
Seawatch kritisiert, dass die Zahl der Ertrunkenen im Mittelmeer so hoch sei wie seit 2017 nicht mehr und trotzdem „eine Asylrechtsverschärfung nach der anderen“ komme. Im Statement kündigte die Gruppe an: „Wir retten weiter.“
Unterstützung gibt es auch von prominenter Seite: Der frühere Viva-Moderator und Rettungssanitäter, Tobias Schlegel, der sich bereits in der Vergangenheit mehrfach für die humanitäre Seenotrettung stark gemacht hat, kommentierte die Gesetzesänderung. Schlegl schrieb bei X (vormals Twitter): „Innenministerin Nancy Faeser plant mit einer Gesetzesänderung Seenotretter mit bis zu 5 Jahren Haft zu bestrafen. Na, dann: Lock me up, Nancy Faeser.“
Bundesinnenministerium: Private Seenotrettung soll nicht durch Strafbarkeit erschwert werden
Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums teilte auf Nachfrage mit, es sei nicht zutreffend, dass die zur Rettung von Menschenleben erfolgende Tätigkeit von privaten Seenotrettern künftig durch eine etwaige Strafbarkeit erschwert werden solle. „Derartige Handlungen sind als gerechtfertigt anzusehen, um Gefahren für Leib und Leben abzuwenden.“
Das Kabinett verabschiedete den Gesetzentwurf bereits im Oktober. Darin ist neben dem härteren Vorgehen gegen Schleuser unter anderem vorgesehen, die Höchstdauer des sogenannten Ausreisegewahrsams von derzeit 10 auf 28 Tage zu verlängern. Mit dem Gesetz, das noch vom Bundestag verabschiedet werden muss, will die Bundesregierung die Zahl der kurzfristig gescheiterten Abschiebungen reduzieren.
Ebenfalls im Oktober war bekannt geworden, dass das Auswärtige Amt auch in den nächsten Jahren eine finanzielle Unterstützung der Seenotrettung von Flüchtlingen im Mittelmeer plant. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sich von der Finanzierung distanziert. (mab/dpa)