Nach der Bundestagswahl zeichnet sich eine komplizierte Koalitionsbildung ab. Friedrich Merz könnte auf ein Dreierbündnis angewiesen sein.
Braucht Merz zwei Partner?BSW-Krimi entscheidet über Koalition der Union

Ist sie drin? Oder ist sie draußen? An Sahra Wagenknechts BSW hing am Abend noch, ob Friedrich Merz auf ein Zweier- oder Dreierbündnis angewiesen ist.
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Eine Sache stand am späten Sonntagabend bei all den Ungewissheiten fest: Deutschland steht ein Regierungswechsel bevor. Die Union mit ihrem Kanzlerkandidaten Friedrich Merz hat die Bundestagswahl klar gewonnen. Der CDU-Chef kündigte umgehend eine Regierungsbildung bis spätestens Ostern an – noch ist unklar, mit wem.
Merz hat nun beste Chancen, der zehnte Kanzler der Bundesrepublik Deutschland zu werden – wenn bei der Regierungsbildung nichts schiefgeht. „Ich weiß, dass es nicht einfach werden wird“, sagte er nach den ersten Hochrechnungen. Das Land könne sich aber nun keine langatmige Regierungsbildung leisten: „Die Welt da draußen wartet nicht auf uns.“
Doch die Suche nach einem Partner wird eine schwierige. Am späten Sonntagabend war noch nicht annähernd klar, wie eine mögliche Konstellation überhaupt aussehen könnte. Ein Zusammengehen mit der in Teilen als rechtsextremistisch eingestuften AfD hat der CDU-Chef ausgeschlossen.
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Zitterpartie: BSW entscheidet über Koalitionspartner für Merz
Damit hängt aktuell alles vom BSW ab. Die Union könnte neben der SPD die Grünen als zweiten Koalitionspartner brauchen, wenn das BSW doch noch die Fünf-Prozent-Hürde und damit den Einzug in den Bundestag schafft.
Denkbar wäre dann ein Bündnis der Union mit SPD und Grünen – allerdings hatte die CSU eine Koalition mit den Grünen vor der Wahl vehement abgelehnt. Nach der Wahl öffnete CSU-Chef Markus Söder die Tür zu Gesprächen einen Spalt: „Mit den Grünen zu regieren – aus meiner Sicht ein echtes No-Go, wenn es irgendwie geht“, sagte er. Koalitionen mit BSW und Linken kommen für die Union nicht infrage.
SPD: Scholz übernimmt die Verantwortung
Kanzler Olaf Scholz wird bei den Koalitionsgesprächen nicht als Verhandlungsführer zur Verfügung stehen. Scholz sprach nach den ersten Hochrechnungen von einem bitteren Ergebnis und einer Niederlage seiner SPD, für die er auch Verantwortung trage. Auf die Frage, ob es ein Fehler gewesen sei, trotz schlechter Umfragewerte Kanzlerkandidat zu werden, antwortete Scholz: „Das glaube ich nicht.“
Am Abend schlug die SPD-Führung den Parteichef Lars Klingbeil als neuen Vorsitzenden der Bundestagsfraktion vor. Der derzeitige Fraktionschef Rolf Mützenich kündigte in einem Brief, der der Deutschen Presse-Agentur vorlag, seinen Rückzug an.
AfD will mitregieren
AfD-Chefin Alice Weidel sprach von einem historischen Ergebnis. „Man wollte uns halbieren, das Gegenteil ist eingetreten.“ Die AfD sei bereit zur Zusammenarbeit mit der Union. „Unsere Hand wird immer ausgestreckt sein für eine Regierungsbeteiligung, um den Willen des Volkes umzusetzen.“ Zugleich kündigte sie an: „Wir werden die anderen jagen, dass sie vernünftige Politik für unser Land machen.“ Ihre Hochburgen hat die AfD im Osten: Laut einer ZDF-Hochrechnung kommt sie dort auf rund 34 Prozent der Stimmen – mehr als SPD (11,3 Prozent), Grüne (6,8 Prozent) und FDP (3,3 Prozent) zusammen.
Grünen-Kanzlerkandidat Habeck warnte vor dem Erstarken des rechten Populismus und gratulierte Merz. Seine Partei sei auch bereit, Verantwortung zu übernehmen, sagte er mit Blick auf die Regierungsbildung.
FDP scheitert, Linke jubelt
FDP-Chef Christian Lindner sagte, die FDP sei im Herbst „in das volle politische Risiko gegangen“, zum Wohle des Landes. „Wir zahlen selbst heute einen hohen Preis dafür, für Deutschland war diese Entscheidung aber richtig.“ Auf X schrieb er von einer Niederlage seiner Partei und fügte an: „Nun scheide ich aus der aktiven Politik aus.“
Linken-Chef und Co-Spitzenkandidat Jan van Aken äußerte sich begeistert über das Abschneiden seiner Partei. „Die Linke lebt“, sagte er vor einer jubelnden Menge in Berlin. Co-Parteichefin Ines Schwerdtner sprach vom „Comeback des Jahres“ und kündigte an, in den kommenden Jahren eine „Brandmauer“ gegen rechts sein zu wollen.
Die Wahlbeteiligung lag mit 83,0 bis 83,1 Prozent höher als 2021 (76,4) und erreichte den höchsten Wert seit der Wiedervereinigung. Zur Stimmabgabe aufgerufen waren 59,2 Millionen Menschen, davon gut 42 Prozent 60 Jahre oder älter. (mit dpa)