Die Union hat ihren Entschließungsantrag zur Migrationspolitik im Bundestag durchgesetzt. Aber um welchen Preis! Die Glaubwürdigkeit des Unions-Kanzlerkandidaten ist angekratzt - und das rot-grüne Regierungslager hat keine Vorschläge zum Umgang mit den Problemen.
Eklat im BundestagWie Merz der AfD zu einem Moment des Triumphes verhalf
So klar, so nachvollziehbar war das „Es reicht!“ von Friedrich Merz nach der Bluttat von Aschaffenburg. Doch dann begab sich der Kanzlerkandidat der Union mit seinen berechtigten Forderungen nach einer verschärften Migrationspolitik auf einen fragwürdigen Kurs. Ohne nach rechts oder links zu schauen, wie er selbst sagt, preschte er vor und brachte seinen Fünf-Punkte-Plan als Antrag in den Bundestag ein. Bei diesem Sprint ist Friedrich Merz offenbar sein politischer Kompass abhandengekommen.
Nach einer erhitzten Debatte wurde der Unions-Antrag gestern im Bundestag angenommen. Doch um welchen Preis! Am Ende haben die Stimmen der AfD dem Plan über die Mehrheitshürde geholfen. Und das obwohl CDU/CSU ebenso wie alle anderen Parteien der demokratischen Mitte im Bundestag genau dies nach dem Ampel-Aus vermeiden wollten. Friedrich Merz hat sich nicht daran gehalten. Auch wenn er die Brandmauer zur AfD weiterhin beschwört und seine Abneigung der Partei gegenüber bekräftigt – die Glaubwürdigkeit des CDU-Chefs ist angekratzt. Und die AfD kann sich vor triumphaler Freude kaum halten. Das wird Merz nicht gewollt haben, aber er hat in Kauf genommen, dass die Rechtsaußen-Partei Auftrieb bekommt.
Ob die Merz-Linie bei den Wählern ankommt, ist unklar
Was hat Friedrich Merz auf diesen riskanten Weg getrieben? Vier Wochen vor der Wahl ist noch nicht einmal klar, ob die stramme Linie bei den Wählern überhaupt ankommt. Forsa sieht den Vorsprung der CDU eher schwinden. Und innerhalb der Partei knirscht es, selbst wenn im Wahlkampf keine offene Diskussion ausbricht.
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Von politischem Kompass in der Asylpolitik kann allerdings auch bei den anderen Parteien nicht die Rede sein. Die gestrige Diskussion im Bundestag zeigte, dass es keine erkennbar erfolgversprechenden Wege zu einer Migrationsreform gibt und erst recht kein Konzept, das von einer breiten demokratischen Mitte im Parlament getragen würde. Den Unions-Plänen zu dauerhafter Grenzüberwachung und Zurückweisung von Asylsuchenden haftet an, dass sie keine stabile rechtliche Grundlage haben. SPD und Grünen werden nicht müde, das zu betonen, haben aber selbst keine Vorschläge. Olaf Scholz ging in einer schwachen Regierungserklärung gerade einmal so weit, ein „Vollzugsdefizit“ zu beklagen und die konsequente Anwendung des geltenden Rechts zu fordern.
Die Chance nach der Tat von Aschaffenburg, ein gemeinsames Signal zu setzen und sich auf einen Weg zu einigen, haben alle vertan. Der Gesetzentwurf, den die Union am Freitag zur Abstimmung bringen will, wäre als Diskussionsgrundlage geeignet gewesen. Jetzt wird er zwar möglicherweise durchkommen, aber auch nur mit dem Rückenwind der AfD.