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Ex-Bundespräsident bei Caren MiosgaJoachim Gauck widerspricht Hendrik Wüst nach AfD-Erfolgen

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Der frühere Bundespräsident Joachim Gauck war am Sonntagabend in der ARD-Talksendung „Caren Miosga“ zu Gast.

Der frühere Bundespräsident Joachim Gauck war am Sonntagabend in der ARD-Talksendung „Caren Miosga“ zu Gast.

Nach der Landtagswahl in Brandenburg ist Joachim Gauck in der ARD-Sendung zu Gast und spricht über die politische Lage im Land.

Der frühere Bundespräsident Joachim Gauck hält die AfD nicht für eine Nazi-Partei. Auf die Frage, ob Spitzenpolitiker wie NRW-Ministerpräsident Henrik Wüst (CDU) mit solchen Behauptungen recht hätten, antwortete der 84-Jährige bei „Caren Miosga“ in der ARD: „Nein, das haben sie nicht. Es sind Nazis in dieser Partei, Nazis gibt es in ganz Europa, besonders viele übrigens in Russland. Aber diese Leute werden wir nicht unbedingt los, weil wir aus unseren Gesellschaften das Destruktive nicht verbannen können.“

Gauck sagte weiter, das Problem bestehe nicht darin, dass eine übergroße Zahl von Wählern in Europa ein Nazireich wie zu Adolf Hitlers Zeiten zurückhaben wollten. Vielmehr bestehe das Problem darin, „dass sie ihrer eigenen Kraft der Gestaltung unseres Gemeinwesens weniger zutrauen als bestimmten Führungskräften“. Sie wollten offenbar „lieber Gefolgschaft sein“ unter autoritär regierenden Führungsfiguren wie dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán „und ähnlichen Typen“.

Caren Miosga: Joachim Gauck widerspricht Hendrik Wüst

Eine selbstbestimmte und auf Debattenkultur beruhende offene Gesellschaft mache solchen Menschen Angst – und deshalb gebe es diese Anschlussform an die Nazi-Ideologie. „Aber wir würden einen schweren Fehler machen, wenn wir unsere politische Auseinandersetzung, die unbedingt sein muss, wenn wir die konzentrieren würden auf die Nazifrage“, sagte Gauck am Abend nach der Brandenburg-Wahl.

„Die sind da, aber das andere Problem der Sehnsucht nach autoritärer Führung und Unterordnung – das ist das gewichtigere und da müssen wir hin.“ Die Moderne verlange den Menschen viel ab. „Freiheit ist nicht nur: Ich fühle mich glücklich. Sondern: Ich bin verantwortlich – und das überfordert viele Menschen.“

Gauck sieht „schlechtere Startbedingungen in die Existenz eines Bürgers“ im Osten

Angesichts der jüngsten Wahlerfolge der AfD in den ostdeutschen Bundesländern könne er eine gewisse Beunruhigung nicht verbergen, sagte der langjährige Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR weiter. Aber er sei schon damals in alten Diktaturzeiten nicht für Untergangsstimmung zuständig gewesen, sondern habe Ausschau gehalten, wie man diese Zeit durchlebe und ob es Alternativen im Denken gebe.

Caren Miosga (2. v. l.) mit ihren Gästen: Joachim Gauck, Julia Reuschenbach (l.) und Steffen Mau (r.).

Caren Miosga (2. v. l.) mit ihren Gästen: Joachim Gauck, Julia Reuschenbach (l.) und Steffen Mau (r.).

Die ostdeutsche Bevölkerung habe keinen „schlechteren Charakter“, aber „schlechtere Startbedingungen in die Existenz eines Bürgers“, führte Gauck aus. „Autonomie, Eigenverantworten, der Wert der eigenen Meinung, die Rolle des Ichs in einer Gesellschaft – all das war völlig anders“, führte der frühere Bundespräsident aus.

Joachim Gauck bei Caren Miosga: „Es gibt nicht den Ostdeutschen“

Im Osten habe man in andauernder politischer Ohnmacht gelebt. Die Möglichkeit, mit Wahlen etwas zu verändern, sei lange nicht gegeben gewesen. Auch Bürger und Menschenrechte hätten nicht oder „nur partiell“ existiert. Dennoch sei „Ossi“ nicht gleich „Ossi“, erklärte Gauck. „Es gibt nicht den Ostdeutschen“, warnte Gauck vor Stereotypen.

Neben dem früheren Bundespräsidenten waren der Politologe Steffen Mau und die Soziologin Julia Reuschenbach in der ARD-Talksendung am Sonntagabend zu Gast. Reuschenbach betonte dabei mit Blick auf die Erfolge der AfD, dass die Partei in der Wahrnehmung vieler Wähler eine „normale, etablierte Partei“ sei, „gerade in Ostdeutschland“.

Gauck kritisiert Migrationspolitik der Ampel: „Signal kommt reichlich spät“

Es gebe Wähler, die die AfD explizit deshalb wählten, weil sie rechtsextrem sei, es gebe jedoch auch viele, bei denen eine gewisse Gleichgültigkeit herrsche. „Das hat inzwischen einen Normalisierungsgrad erreicht, der bis dahin reicht, dass man T-Shirts trägt, auf denen steht: ‚Ja, dann bin ich halt rechtsextrem.‘“

Kritisch äußerte sich Gauck unterdessen über die Migrationspolitik der Ampel-Regierung. „Das Signal der Entschlossenheit kommt reichlich spät“, erklärte der frühere Bundespräsident. Die Bundesregierung zeige nun jedoch, „wie bemüht sie ist“, so Gauck.

Viele Maßnahmen seien zwar eher symbolisch, aber hätten dennoch ihren Wert, erklärte Gauck. „Auch Symbolpolitik hat Einfluss auf die Gefühle der Menschen.“ Der ehemalige Bundespräsident betonte jedoch auch: „Wir wollen nicht vergessen, wo unser Land wäre ohne Zuwanderung. Das muss vor allem in Richtung Ostdeutschland gesagt werden.“ (mit dpa)