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Coronavirus in den USAWarum ein Nobelpreisträger eine Große Depression befürchtet

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Joseph Stiglitz wurde 2001 mit dem Nobelpreis für Wirtschaft ausgezeichnet.

  1. US-Präsident Donald Trump macht mit abstrusen Vorschlägen, mit dem Coronavirus infizierte Menschen Desinfektionsmittel zu spritzen oder mit Licht zu behandeln, Schlagzeilen.
  2. Kurz später ruderte der US-Präsident zurück. Dennoch hinterlässt Trump bei der Krisen-Bewältigung in einem Land, in dem sich das Virus beinahe unbemerkt ausbreiten konnte, einen fatalen Eindruck.
  3. Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz fürchtet, dass das Land in eine zweite Große Depression hineinrutscht – und erläutert seine Beweggründe.

Washington/Köln – „Wenn man sich die heutigen Trends ansieht, denke ich, dass wir bis zum Memorial-Day-Wochenende diese Coronavirus-Epidemie weitgehend hinter uns haben werden“, zitierte der US-Sender Fox News den Vize-Präsidenten Mike Pence und damit den Vorsitzenden der Coronavirus-Task Force des Weißen Hauses.

Ähnlich wie in Deutschland können einige US-Bundesstaaten nicht schnell genug in ihren Lockerungsmaßnahmen sein. Am Freitag ließ Georgias republikanischer Gouverneur Brian Kemp Fitnessstudios, Friseurläden und Nagelstudios wiederöffnen – der Kritik von US-Präsident Donald Trump zum Trotz.

Trump ermuntert Forscher, Menschen Desinfektionsmittel zu spritzen

Täglich gibt es neue Ideen, wie man das Coronavirus in den Griff bekommen könnte. Zuletzt hatte Trump ein Malaria-Mittel für den Einsatz gegen das Coronavirus beworben. Davon scheint er aber nun abzuweichen, nachdem erste Studien in den USA wenig Wirkung und sogar eine vermutlich höhere Sterberate durch die Behandlung vermuten lassen. Nun gibt es einen neuen, zweifelhaften Vorstoß für den medizinischen Kampf gegen das Coronavirus. Trump hat Forscher ermuntert, Menschen direkt Desinfektionsmittel zu spritzen.

Eine solche Prozedur wäre höchstwahrscheinlich lebensgefährlich. In ersten Reaktionen warnen Mediziner in den sozialen Medien mit Nachdruck vor dieser Idee. Unmittelbar vor Trumps Einwurf hatte bei der Pressekonferenz ein Regierungsexperte erklärt, dass Bleich- und Desinfektionsmittel den Erreger Sars-CoV-2 zum Beispiel auf trockenen metallischen Flächen wie einer Türklinke rasch abtöteten. Von einer inneren Anwendung war aber keine Rede. „Das Desinfektionsmittel erledigt das Virus in einer Minute. Gibt es einen Weg, wie wir so etwas machen könnten – durch Spritzen oder fast Säubern ... wäre interessant, das zu prüfen“, sagte Trump. Das müsste man natürlich den Ärzten überlassen, fügte er hinzu. „Aber es klingt für mich interessant“, sagte der Präsident weiter.

Trump erhält Unterstützung von Bill Bryan

Zudem würden, so Trump, höhere Temperaturen und Luftfeuchtigkeit sowie direkte Sonneneinstrahlung das Coronavirus schnell abtöten. Unterstützung erhielt er von Bill Bryan, dem Leiter des Direktorats für Wissenschaft und Technologie im Heimatschutzministerium. Er sagte, dass Sonnenlicht zusammen mit hohen Temperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit einen „mächtigen Effekt“ haben, der für das Überleben des Virus weniger günstige Umgebungen schafft.

Die Coronavirus-Taskforce des Weißen Hauses verwies darauf, dass das neuartige Coronavirus innerhalb von zwei Minuten in heißer Sommerfeuchtigkeit auf Oberflächen und innerhalb von anderthalb Minuten in der Luft stirbt. „Das Coronavirus stirbt viel schneller, wenn es dem Sonnenlicht und der Feuchtigkeit ausgesetzt ist“, sagte Bryan und fügte hinzu. „Das Desinfektionsmittel Isopropylalkohol tötet das Virus in 30 Sekunden.“ Trump ruderte mit seinen Vorschlägen über Desinfektionsmittel inzwischen zurück. Das sei doch nur Sarkasmus gewesen, erklärte er. Doch da war das internationale Echo schon unüberhörbar. Der designierte US-Präsidentschaftskandidat Joe Biden warnte die Menschen im Onlinedienst Twitter: „Bitte trinkt kein Bleichmittel.“

Ausbrüche breiten sich fast völlig unbemerkt aus

Viele halten Trumps Politik in Bezug auf den Coronavirus-Ausbruch für desaströs. Als New York City am 1. März seinen ersten Fall des Coronavirus bestätigte, breiteten sich bereits Tausende von Infektionen stillschweigend in der Stadt aus, eine versteckte Explosion einer Krankheit, die von vielen immer noch als eine ferne Bedrohung angesehen wurde, als die Stadt auf die ersten Anzeichen des Frühlings wartete.

Versteckte Ausbrüche breiteten sich laut „New York Times“ auch in Boston, San Francisco, Chicago und Seattle fast völlig unbemerkt aus, lange bevor Tests zeigten, dass jede Stadt ein ziemlich großes Problem hatte. Das zeigten Forscher der Northeastern University, die ihre Ergebnisse der „New York Times“ mitteilten. Sogar Anfang Februar – während sich die Welt auf China konzentrierte – war es nicht lediglich wahrscheinlich, dass sich das Virus in mehreren amerikanischen Städten ausbreitete, sondern auch, wie die Forscher herausfanden, dass es auch anderswo in den Vereinigten Staaten zu Infektionsausbrüchen kam.

Trumps Handhabung lässt die USA wie ein „Dritte-Welt“-Land aussehen

Amerika befindet sich nach wie vor in einem Ausnahmezustand. Am Donnerstag gab die Regierung in Washington bekannt, wie viele Menschen in den letzten Tagen einen Erstantrag auf Arbeitslosenhilfe gestellt haben. Dazu muss man wissen, dass die Zahl jahrelang bei etwa 220 000 pro Woche dahindümpelte. Diesmal waren es 4,4 Millionen. Rechnet man die Antragsteller aus den vergangenen vier Wochen hinzu, dann sind es seit Mitte März nunmehr 26 Millionen.

Die Warteschlangen vor den Tafeln sind gigantisch lang. Trumps verpfuschte Handhabung der Covid-19-Krise hat die USA wie ein „Dritte-Welt“-Land aussehen lassen und auf eine zweite Große Depression zusteuern lassen, warnt nun einer der führenden Ökonomen der Welt.

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In einem vernichtenden Angriff auf den Präsidenten erklärte der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz dem „Guardian“, dass Millionen von Menschen sich an Lebensmitteltafeln wenden müssten, wegen fehlender Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zur Arbeit erscheinen würden und wegen gesundheitlicher Ungleichheiten sterben müssten. „Die Zahl der Menschen, die sich an die Lebensmitteltafeln wenden, ist einfach enorm und übersteigt deren Versorgungskapazität. Es ist hier wie in einem Land der Dritten Welt. Das öffentliche Netz der sozialen Sicherheit funktioniert nicht“, sagte der Wirtschaftswissenschaftler.

Die Furcht vor einem schmutzigen Wahlkampf

Stiglitz sagte voraus, dass die soziale Infrastruktur nicht mit einer Arbeitslosenquote fertig werden könne, die in den kommenden Monaten 30 Prozent erreichen könnte. „Wir haben ein Sicherheitsnetz, das unzureichend ist. Die Ungleichheit in den USA ist so groß. Diese Krankheit hat diejenigen mit dem schlechtesten Gesundheitszustand ins Visier genommen. In der entwickelten Welt gehören die USA zu den Ländern mit dem schlechtesten Gesundheitszustand insgesamt und der größten gesundheitlichen Ungleichheit.“

Wenn es um die Vorstellung eines blühenden Landes gehe, gelte die Vorstellung: Es war einmal in Amerika. Die heutige Realität sehe anders aus: Eine zweite Große Depression der USA sei „die Antwort in Kürze“, sagte Stiglitz. „Wenn man es Donald Trump und Mitch McConnell, dem Mehrheitsführer des republikanisch dominierten Senats, überlässt, werden wir eine Große Depression erleben. Wenn wir die richtige politische Struktur hätten, könnten wir sie leicht vermeiden“, vermutet er.

„Wir waren unvorbereitet, aber selbst angesichts des Grades der mangelhaften Vorbereitung hat Trumps Entscheidung, auf Politik und nicht auf die Wissenschaft zu hören, dazu geführt, dass wir viel schlechter reagiert haben“, kritisiert Stiglitz.

Der Nobelpreisträger sagte, wenn Trump im November im Präsidentschaftswettbewerb besiegt würde und die Demokraten die Kontrolle über beide Häuser des Kongresses übernähmen, bestünde die Chance, dass sich die USA in eine fortschrittlichere Richtung bewegen würden. Aber er warnte die Republikaner vor einem schmutzigen Kampf, um an der Macht zu bleiben. Das sei das Letzte, was Amerika in dieser Krisenzeit gebrauchen könne. (mit dpa, afp)