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Eine Außenseiterin erklimmt die SpitzeAfD kürt Weidel zur Kanzlerkandidatin

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Alice Weidel hält auf dem AfD-Parteitag eine Rede. Sie wurde zuvor zur ersten AfD-Kanzlerkandidatin gekürt.

Co-Parteichefin Alice Weidel hält auf dem AfD-Parteitag eine Rede. Sie wurde zuvor zur ersten AfD-Kanzlerkandidatin gekürt.

Alice Weidel wurde auf dem AfD-Parteitag in Riesa zur ersten Kanzlerkandidatin in der Geschichte der Partei gewählt. Ein Blick auf ihre Person und ihre Positionen.

Für Alice Weidel ist es der bisherige Höhepunkt ihrer politischen Karriere: Am Samstag kürten die Delegierten des AfD-Bundesparteitags in Riesa die 45-Jährige einstimmig zur ersten Kanzlerkandidatin in der Geschichte der AfD. Weidel ist damit die unangefochtene Nummer eins in einer notorisch unruhigen Partei, die ihren Vorsitzenden oft das Leben schwer gemacht hat. Die AfD-Politikerin polarisiert: Eisige Schärfe in Wortwahl und Auftreten prägen Weidels Bild in der Öffentlichkeit.

Hinter diesem Bild verbirgt sich eine Politikerin, deren Profil nach jahrelangem Lavieren zwischen den Lagern der von Rechtsextremisten durchsetzten AfD bisweilen unscharf und widersprüchlich erscheint. Weidel will ihre Partei erklärtermaßen für die konservativ-bürgerliche Mitte wählbar machen. In ihrer Rede vor den AfD-Delegierten in Riesa zeigte sie aber, dass sie auch den radikalen Ton beherrscht.

Weidel kann radikal: Sie verspricht „Remigration “

Den bei Rechtsextremisten beliebten Kampfbegriff „Remigration“, der die massenhafte Ausweisung von Menschen mit Migrationshintergrund beschreibt, machte sie sich in ihrer Rede ausdrücklich zu eigen: „Wenn es dann Remigration heißen soll, dann heißt es eben Remigration“, sagte Weidel unter dem Jubel der Delegierten. Deutschland will sie zu einer Art Festung machen: „Die deutschen Grenzen sind dicht.“

Windkraftanlagen in Deutschland will Weidel allesamt niederreißen lassen - in Riesa spricht sie von „Windmühlen der Schande“. Zudem sagt sie „queer-woken“ Strömungen an deutschen Unis den Kampf an: „Soll ich sagen, was wir tun, wenn wir am Ruder sind? Wir schließen alle Gender Studies und schmeißen alle diese Professoren raus.“

Weidel entspricht privat nicht dem traditionellen Familienbild der AfD

Besonders komplex wird das Bild Weidels durch ihre privaten Lebensverhältnisse als Frau, die in einer lesbischen Partnerschaft mit einer in Sri Lanka geborenen Frau zwei Kinder großzieht. Als Frau in einer von Männern dominierten Partei ist Weidel eine Ausnahmeerscheinung.

Weidels Aufstieg in der AfD zur Partei- und Fraktionschefin sei „auf den ersten Blick schon verwunderlich“, sagt die Politikwissenschaftlerin Anna-Sophie Heinze von der Universität Trier zu AFP. „Sie versucht, von dem Thema Homosexualität wegzulenken. Wenn sie darauf angesprochen wird, versucht sie, es sehr stark in Richtung Anti-Gender und pro christlich-konservative Werte zu drehen.“

Experte: Weidel befördert Rechtsradikalismus in Deutschland

Wofür steht Alice Weidel also, wie radikal ist sie? „Sie befördert zumindest den Rechtsradikalismus in Deutschland“, sagt der Kasseler Politikprofessor und AfD-Kenner Wolfgang Schroeder der Nachrichtenagentur AFP. Weidel habe in der AfD aufsteigen können, weil sie politisch so flexibel sei: „Sie pendelt zwischen einem konservativen Rechts- und einem Rechtsradikalkurs.“

Als Grund für ihren Eintritt in die neu gegründete AfD 2013 nannte die promovierte Volkswirtin Weidel ihre Gegnerschaft zur Euro-Rettungspolitik der damaligen Bundesregierung. Als Mitarbeiterin eines Vermögensverwalters und einer Investmentbank hatte sie Karriere gemacht, jahrelang lebte sie in China.

Erste AfD-Kanzlerkandidatin: Partei will nun politisch mitgestalten

Inzwischen ist Weidels zentrales Thema der angebliche Zerfall der inneren Sicherheit als Folge der Zuwanderung. Auch in ihrer Rede in Riesa polemisierte Weidel gegen Zugewanderte, die sie für „bürgerkriegsähnliche Zustände auf deutschen Straßen“ verantwortlich machte.

Die erstmalige Nominierung einer Kanzlerkandidatin markiert möglicherweise den Beginn einer neuen Phase in der AfD. Bislang gefiel sich die Partei in der Rolle der Fundamentalopposition. Mit Weidels Kür zur Kanzlerkandidatin erhebt die AfD nun deutlicher als bisher den Anspruch auf politische Mitgestaltung. „Sie ist die zukünftige Kanzlerin“, sagte Ko-Parteichef Tino Chrupalla in Riesa.

In bundesweiten Umfragen ist die AfD aktuell zweitstärkste Partei - und dabei aber weit entfernt von der angestrebten Regierungsbeteiligung. Denn bislang will keine andere Partei mit ihr koalieren. (afp)