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Trumps „Genie“ verbreitet Fake News„Ehrlich. Erbärmlich“ – Elon Musk und die Lüge vom weinenden Deutschen

Lesezeit 5 Minuten
Elon Musk bei einem Auftritt im Weißen Haus. Der Tech-Milliardär verbreitet immer wieder Lügen auf seiner Plattform X – zuletzt auch über Christoph Heusgen, den scheidenden Chef der Münchner Sicherheitskonferenz. (Archivbild)

Elon Musk bei einem Auftritt im Weißen Haus. Der Tech-Milliardär verbreitet immer wieder Lügen auf seiner Plattform X – zuletzt auch über Christoph Heusgen, den scheidenden Chef der Münchner Sicherheitskonferenz. (Archivbild)

Dass Christoph Heusgen wegen J.D. Vance in Tränen ausgebrochen sei, ist Unsinn. Elon Musk hält das nicht ab. Millionen lesen die Häme – kaum jemand die Erwiderung.

Dass Elon Musk, reichster Mann der Welt und „besonderer Regierungsangestellter“ von Donald Trump, es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt, ist mittlerweile gut belegt. Weder als Chef der Plattform X (vormals Twitter), die Musk vor drei Jahren gekauft hat, noch auf seinem persönlichen Profil in dem Kurznachrichtendienst scheint es dem Milliardär um Tatsachen zu gehen.

Im Gegenteil: Musk schaltete nach seiner Übernahme tausende Konten von Extremisten und Verschwörungstheoretikern auf X wieder frei und entließ jene Mitarbeiter, die für die Bekämpfung von Fake News bei Twitter einst eingestellt worden waren.

Hass auf X seit Musk-Übernahme gestiegen

Rassismus und Extremismus stiegen bei X in den folgenden Monaten um etwa 50 Prozent an, heißt es nun in einer Studie der University of Berkeley. Auch die Anzahl der Likes für extremistische und diskriminierende Beiträge verdoppelte sich demnach im gleichen Zeitraum.

US-Bürger protestieren am Montag vor dem Capitol in Washington gegen den Kurs der Trump-Regierung und die Machtfülle von US-Milliardär Elon Musk.

US-Bürger protestieren am Montag vor dem Capitol in Washington gegen den Kurs der Trump-Regierung und die Machtfülle von US-Milliardär Elon Musk.

Und Musk hat dazu persönlich kräftig beigetragen: Allein zwischen dem 30. September und dem 14. Oktober – mitten im US-Wahlkampf – sahen rund 680 Millionen Nutzer Falschbehauptungen, die entweder von Musk selbst gepostet oder die von ihm weiterverbreitet worden waren, wie eine Analyse der amerikanischen Faktenprüfer von „Politifact“ ergeben hat.

X unter Elon Musk: „Hölle des Hasses und der Desinformation“

„Seitdem Elon Musk X übernommen hat, hat sich die Plattform in eine Hölle des Hasses und der Desinformation verwandelt – und eine Menge davon kommt von Musk selbst“, sagte Imran Ahmed, Gründer der Nichtregierungsorganisation Center for Countering Digital Hate (CCDH) im letzten November der Deutschen Welle.

Nachweislich falsche Behauptungen, die von Musk verbreitet wurden, hätten rund 1,2 Milliarden Aufrufe zwischen Januar und Juli 2024 auf der Plattform erreicht, so das Ergebnis eines Reports des CCDH.

Elon Musk attackiert Christoph Heusgen: „Ernsthaft. Erbärmlich“

Geändert hat sich an Musks Methoden seitdem offensichtlich nichts, wie der Milliardär zu Wochenbeginn aufs Neue eindrucksvoll bewiesen hat: „Ernsthaft. Erbärmlich“, lautete der Kommentar des Trump-Finanziers zu einer Aufnahme, die den Chef der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC), Christoph Heusgen, bei seiner emotionalen Abschlussrede zeigte, Tränen in den Augen inklusive.

Das barsche Urteil über Heusgen hatte Musk als Antwort auf einen vulgären Beitrag eines anonymen X-Accounts gepostet, der wiederum darin eine Falschdarstellung weiterverbreitet hatte.

Fake News auf X: „…weil Vance eine Rede hielt“

„Der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz brach heute buchstäblich in Tränen aus, weil J.D. Vance am Freitag eine Rede hielt, in der er die europäischen Staats- und Regierungschefs kritisierte“, hatte ein weiterer obskurer Account dort zur Aufnahme von Heusgen geschrieben.

Das Video war zudem so geschnitten worden, dass der Eindruck entstehen konnte, der Chef der Sicherheitskonferenz habe wegen der antieuropäischen Tirade des US-Vizepräsidenten geweint. „Europa wird derzeit von äußerst instabilen und unseriösen Menschen regiert“, lautete das Fazit des Beitrags, den Musk hämisch kommentiert und ihn damit weiterverbreitet hat.

Tatsache: Heusgen hat nicht wegen Vance geweint

Das Problem: Außer, dass Heusgen tatsächlich die Tränen gekommen sind, stimmt an der auf X verbreiteten Geschichte nichts. Dennoch wurden die Falschinformationen bis Dienstag mehr als fünf Millionen Mal auf der Plattform angezeigt.

Heusgen hatte Vance unterdessen tatsächlich in seiner Rede am Sonntag in München erwähnt. „In gewissem Sinne ein europäischer Alptraum“ sei die diesjährige Ausgabe der Konferenz gewesen, erklärte Heusgen.

Christoph Heusgen: Tränen zum Abschied

Es müsse befürchtet werden, „dass unsere gemeinsame Wertegrundlage nicht mehr so gemeinsam ist“, sagte 69-Jährige zum Auftritt des US-Vizepräsidenten, der die Abschaffung der „Brandmauer“ gegenüber der auch von Musk in den letzten Wochen unterstützten AfD gefordert hatte.

Die Tränen kam derweil erst am Schluss der Rede, die nach dreijähriger Leitung Heusgens letzte als Chef der Sicherheitskonferenz gewesen ist – der Grund für den emotionalen Ausbruch. „Lassen Sie mich zum Abschluss kommen. Und das wird schwierig...“, sagte Heusgen auf Englisch, fuhr sich dann über das Gesicht und ging schließlich mit viel Applaus von der Bühne.

Elon Musk: „Supergenie“, das „Fake News“ postet

Geheimwissen braucht es nicht, um diesen Ablauf der Ereignisse herauszufinden. Musk, laut Trump ein „Supergenie“, hat aber offensichtlich nicht einmal überprüft, was er kommentiert – und für Millionen sichtbar macht. Die Geschichte des „erbärmlichen“ Deutschen war offenbar zu verlockend.

Auch die jüngste von Musks „Fake News“ hat derweil prompt ihre Auswirkungen gezeigt: schnell verbreiteten auch einige rechtsradikale Accounts die Falschinformation weiter.

Musks Desinformation: „Erlaubnis, dasselbe zu tun“

„Wenn der Chef des Unternehmens solche Informationen teilt, gibt es anderen Menschen die Erlaubnis, dasselbe zu tun, da es keine Konsequenzen dafür gibt“, sagte die US-Politikwissenschaftlerin Jennifer Stromer-Galley dem Bayrischen Rundfunk über die von Musk immer wieder verbreiteten „Fake News“ bereits im letzten November.

Welche Macht seine große Reichweite und der Algorithmus der Plattform, über den Musk frei verfügen kann, dem Milliardär bei der Verbreitung seiner „Wahrheiten“ verschafft, lässt sich auch beim Fall Heusgen gut erkennen.

Heusgen: „Das zeigt die Mechanismen von Desinformation“

Der scheidende Chef der Sicherheitskonferenz äußerte sich am Montag ebenfalls zu seiner Abschiedsrede. „Das war ein emotionaler Moment auf der Bühne zum Ende meiner Amtszeit“, erklärte Heusgen wohlgemerkt bei X. „Im Netz wird ein Video verbreitet, das diese Szene aus dem Zusammenhang meiner Verabschiedung reißt“, fügte der 69-Jährige an. „Das zeigt leider erneut, wie die Mechanismen von Desinformation funktionieren.“

Dass die „Fake News“ mehr als fünf Millionen Nutzern angezeigt wurden, die Richtigstellung von Heusgen jedoch bis zum Dienstagvormittag nur rund 13.000, ist einer dieser Mechanismen. „Wir leben jetzt alle in Elon Musks Desinformationsmaschine“, titelte das US-Magazin Vox bereits im November angesichts des massiven Einflusses des reichsten Mannes der Welt auf den US-Wahlkampf, der schließlich mit Trumps (und Musks) Einzug ins Weiße Haus endete.

Elon Musk: „Einige meiner Aussagen sollten korrigiert werden“

Genau dort wurde der Milliardär in der letzten Woche von Reportern zu von ihm verbreiteten Falschinformationen befragt. „Wie können wir sicherstellen, dass alle Ihre Aussagen richtig sind, sodass wir Ihren Aussagen vertrauen können?“, wollte ein Reporter von Musk bei seinem bizarren Auftritt im Oval Office wissen. „Einige meiner Aussagen sind falsch und sollten korrigiert werden“, lautete die Antwort.

Musk hat aber offenbar nicht vor, selbst für die Korrektur zu sorgen: Sein geringschätziger Kommentar über den angeblich von J.D. Vance in die tränenreiche Verzweiflung getrieben Christoph Heusgen war auch am Dienstagvormittag noch abrufbar. Einen nun sichtbaren Hinweis, dass es sich um „Fake News“ handelt, konnten andere Nutzer erst später erwirken, als die Lüge dank Musks Anschub bereits die Runde gemacht hatte.