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Völkermord-VorwurfUN-Gericht: Kein Kriegsende in Gaza – Druck auf Israel wächst

Lesezeit 4 Minuten
Chan Junis, Heimatstadt des Hamas-Anführers, wird massiv von der israelischen Armee angegriffen.

Chan Junis, Heimatstadt des Hamas-Anführers, wird massiv von der israelischen Armee angegriffen. Das UN-Gericht verhandelt einen Völkerrechts-Vorwurf gegen Israel. (Archivbild)

Erstmals muss sich Israel am UN-Gericht einem Völkermord-Vorwurf stellen. Laut Entscheidung muss Israel nun mehr zum Schutz für Palästinenser tun.

Der Internationale Gerichtshof (IGH) verpflichtet Israel nicht zum Ende des Militäreinsatzes im Gazastreifen. Das höchste Gericht der Vereinten Nationen beauftragte Israel aber am Freitag in Den Haag, mehr Schutzmaßnahmen für Palästinenser zu ergreifen.

Außerdem hat der Internationale Gerichtshof angeordnet, dass Israel ein Aufhetzen zum „Genozid“ „verhindern und bestrafen“ muss. Südafrika hatte die Klage gegen Israel beim IGH eingereicht, in der Hauptsache muss das Gericht erst noch entscheiden. Währenddessen wächst auch der politische Druck auf Israel angesichts der humanitären Lage im Gazastreifen.

Nahost-Krieg: Außenministerin Baerbock mahnt Israel zur Wahrung von Menschenrechten

Angesichts der heftigen Kämpfe im Süden des Gazastreifens wächst international der Druck auf Israel, bei dem Militäreinsatz gegen die islamistische Hamas mehr Rücksicht auf die Zivilbevölkerung zu nehmen. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) forderte Israel eindringlich zur Zurückhaltung auf, Frankreich verurteilte den Beschuss einer UN-Flüchtlingsunterkunft im Gazastreifen. Derweil meldeten Israel und die Hamas am Freitag Kämpfe in der im Süden des Gazastreifens gelegenen Stadt Chan Junis.

Bundesaußenministerin Baerbock erklärte, „auch beim Recht auf Selbstverteidigung gibt es Regeln und auch beim Kampf gegen Terroristen gilt das humanitäre Völkerrecht“. Diese Regeln müsse Israel „auch in einem schwierigen Umfeld“ einhalten, „in dem die Hamas alle Regeln bricht und Menschen als Schutzschilde missbraucht“.

„Israel muss dringend mehr humanitäre Hilfe nach Gaza lassen und seine Operationsführung anpassen“, forderte Baerbock. „Viele hunderttausende Menschen haben auf israelische Anweisung im Süden Gazas Schutz gesucht“, argumentierte die Außenministerin. „Sie können sich nicht einfach in Luft auflösen.“

Sie wiederholte ihre Forderung nach einer „humanitären Feuerpause - auch damit endlich alle Geiseln freigelassen werden“. Baerbock äußerte sich zudem „äußerst besorgt über die verzweifelte Lage der Menschen in Chan Junis“.

Israel erklärte Überprüfung des Militäreinsatzes

Frankreich forderte Israel auf, sich an das „humanitäre Völkerrecht“ zu halten. Das Außenministerium in Paris „verurteilte“ den Beschuss einer UN-Flüchtlingsunterkunft in Chan Junis, bei dem nach UN-Angaben am Mittwoch 13 Menschen getötet worden waren. Nach Angaben des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) wurde das Gebäude von zwei Panzerraketen getroffen.

Im Gazastreifen setzen soweit bekannt nur die israelischen Streitkräfte Panzer ein. Die israelische Armee erklärte, ihre Militäreinsätze in der Gegend zum fraglichen Zeitpunkt sorgfältig zu überprüfen. Geprüft werde dabei auch die Möglichkeit, dass der Beschuss durch die Hamas erfolgt sein könnte.

Chan Junis: Israel attackiert massiv Heimatstadt von Hamas-Anführer

Chan Junis - die größte Stadt im Süden des Gazastreifens und Heimatort von Hamas-Anführer Jahja Sinwar, der als Drahtzieher des Großangriffs der Hamas auf Israel im Oktober gilt - ist derzeit das Hauptziel der israelischen Armee. Ihren Angaben zufolge halten sich dort viele hochrangige Hamas-Mitglieder versteckt.

Chan Junis: Eine Person hält ein Kleinkind, während palästinensische Familien aufgrund israelischer Angriffe nach Rafah fliehen.

Chan Junis: Eine Person hält ein Kleinkind, während palästinensische Familien aufgrund israelischer Angriffe nach Rafah fliehen.

Tausende Menschen sind aus Chan Junis geflohen, um in Rafah an der Grenze zu Ägypten Schutz zu suchen. Ein „Meer von Menschen“ sei gezwungen, aus Chan Junis an die Grenze zu fliehen, sagte UNRWA-Chef Philippe Lazzarini. Er sprach von einer „endlosen Suche“ der Menschen im Gazastreifen nach Sicherheit.

Die israelische Armee teilte mit, in Chan Junis seien mehrere militante Palästinenser im „Nahkampf“ getötet und Waffen beschlagnahmt worden. Sie erklärte zudem, dass ein weiterer Soldat im Gazastreifen getötet worden sei. Damit stieg die Gesamtzahl der seit Beginn des Bodeneinsatzes Ende Oktober Getöteten auf 220.

Hamas-Behörde meldet seit Beginn des Krieges mehr als 26.000 Tote

Die Hamas sprach von heftigen Kämpfen im Zentrum und im Westen von Chan Junis. Im gesamten Gazastreifen seien innerhalb von 24 Stunden 183 Menschen getötet worden, erklärte die islamistische Palästinenserorganisation.

Tal Becker, Rechtsberater des Außenministeriums von Israel, sitzt bei einer Anhörung vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH)

Tal Becker, Rechtsberater des Außenministeriums von Israel, sitzt bei einer Anhörung vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH).

Der Krieg im Gazastreifen war am 7. Oktober durch den beispiellosen Großangriff der Hamas auf Israel ausgelöst worden. Am 7. Oktober waren hunderte Kämpfer der von den USA und der EU als Terrororganisation eingestuften Palästinenserorganisation vom Gazastreifen aus nach Israel eingedrungen und hatten Gräueltaten überwiegend an Zivilisten verübt. Israelischen Angaben zufolge wurden etwa 1140 Menschen getötet und rund 240 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.

Als Reaktion auf den Angriff startete Israel einen massiven Militäreinsatz im Gazastreifen. Nach Angaben der Hamas, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden seit dem Beginn der Offensive mehr als 26.000 Menschen in dem Palästinensergebiet getötet.

Die Vermittler Katar, Ägypten und die USA versuchen derzeit, eine neue Feuerpause zu erreichen. US-Medienberichten zufolge wird der Chef des US-Geheimdienstes CIA, William Burns, nach Europa reisen, um mit Vertretern Israels, Ägyptens und Katars über eine Waffenruhe im Gazastreifen und die Freilassung der israelischen Geiseln zu verhandeln.

Ende November waren im Zuge einer einwöchigen humanitären Feuerpause 105 Geiseln und 240 in Israel inhaftierte Palästinenser freigekommen. (mab/dpa/afp)