AboAbonnieren

Geht's noch, Donald Trump?„Das Virus wird einfach verschwinden, wie durch ein Wunder“

Lesezeit 5 Minuten
32A12600F3B337B1

Donald Trump

  1. Amerika steht am Abgrund, mehr als 20 Millionen US-Bürger haben ihren Job verloren. Es ist die massivste Rezession aller Zeiten, doch Donald Trump glaubt, dass alles schnell besser wird.
  2. Der amerikanische Präsident redet sich in den Pressekonferenzen um Kopf und Kragen.
  3. Schuld an der katastrophalen Lage seines Landes sind alle anderen, aber nicht er. Eine traurige Chronologie.

Es sind krasse Zeiten in den Vereinigten Staaten. Die Corona-Krise hat binnen vier Wochen 22 Millionen Amerikaner den Job gekostet. Die USA wollen nun den Corona-Lockdown in drei Phasen beenden. Einen Zeitplan gibt es zwar noch nicht, die Infektionszahlen steigen weiter. Trotzdem ist sich Präsident Donald Trump sicher, dass jetzt alles ganz schnell gehen kann.

In einigen Städten kam es bereits zu Kilometer langen Staus. Die Bürger hatten begonnen, gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Infektion zu demonstrieren. Allein in der vergangenen Woche stellten 5,24 Millionen einen Erstantrag auf Arbeitslosenhilfe, wie das US-Arbeitsministerium in Washington mitteilte. Die Zahl fiel damit etwas höher aus als von Ökonomen erwartet, lag aber deutlich unter dem Wert der Vorwoche von 6,6 Millionen. Die Erstanträge gelten als „Echtzeitindikator“ der wirtschaftlichen Lage, da sie mit einer Verzögerung von nur einer Woche veröffentlicht werden.

„Der Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität ist atemberaubend“, sagte Chefökonom Joel Naroff vom Beratungshaus Naroff Economics. Volkswirte schätzen, dass die weltgrößte Wirtschaftsmacht im ersten Quartal um bis zu 10,8 Prozent geschrumpft sein könnte. Das wäre der stärkste Rückgang seit 1947. Im März brach zudem der Umsatz der US-Einzelhändler so stark ein wie seit 1992 nicht mehr, während die Industrie ihre Produktion so stark drosselt wie seit 1946 nicht mehr.

Man kann der Implosion einer Supermacht im Zeitlupentempo förmlich zusehen. „Man kann sich nirgendwo verstecken“, sagte Diane Swonk, Chefökonomin bei Grant Thornton in Chicago. „Dies ist die tiefste, schnellste und breiteste Rezession, die wir je erlebt haben“. Entlassungen wurden in einer Reihe von Branchen durchgesetzt: Hotels und Restaurants, Masseneinzelhändler, Hersteller und Wirtschaftshochburgen wie Anwaltskanzleien.

Bei einigen der neuen Arbeitslosenanträge handelt es sich um frisch entlassene Arbeitnehmer; andere stammen von Personen, die seit einer Woche oder länger versucht hatten, einen Antrag zu stellen. „Wir holen an mehreren Fronten immer noch auf“, sagte Frau Swonk.

Trump schickte einen Tweet mit dem Hashtag #FireFauci. Später erklärte er, er würde zu Fauci stehen.

„Der Silberstreifen an dieser schlechten Zahl ist, dass es so aussieht, als ob die Welle der Arbeitsplatzvernichtung ihren Höhepunkt erreicht hat“, sagte Torsten Slok, Chefvolkswirt bei Deutsche Bank Securities. „Es ist entscheidend, einen Termin für die Wiedereröffnung zu bekommen und mehr Gewissheit über die Wiedereröffnung zu erlangen“.

Die steigenden Arbeitslosenzahlen haben den Druck zur Lockerung von Hausbestellungen und zur Drosselung der Geschäftstätigkeit erhöht. „Eine nationale Schließung ist keine nachhaltige langfristige Lösung“, sagte Präsident Trump gegenüber Reportern bei einem Briefing und betonte, dass es an der Zeit sei, die Beschränkungen dort aufzuheben, wo das Virus weniger verbreitet war. „Ich denke, wir werden relativ bald viele Staaten geöffnet haben“, fügte er hinzu.

Der US-Präsident hat eine schrittweise Entspannung der Corona-Beschränkungen in den USA angekündigt. Das wirtschaftliche Leben werde in drei Phasen wieder hochgefahren, sagte Trump in Washington. Dies werde „vorsichtig“ Schritt für Schritt und „Bundesstaat für Bundesstaat“ erfolgen. Trump sprach von der „nächsten Front in unserem Krieg“.

Das könnte Sie auch interessieren:

Trump gibt seine Corona-Pressekonferenzen normalerweise am späten Nachmittag, am Donnerstag ließ sich der US-Präsident dagegen bis kurz nach 18 Uhr Zeit, um den Amerikanerinnen und Amerikanern zur besten Sendezeit mitzuteilen, dass die Zeit des Stillstandes sich nun dem Ende zuneige. „Wir werden Amerika wiedereröffnen“, sagte der 73-Jährige und stellte den mehrstufigen Plan zur Reaktivierung der US-Wirtschaft und des öffentlichen Lebens vor.

Die föderalistische Grundidee dieses Plans klingt plausibel. Während Corona-Hotspots wie New York mehr als 220 000 Infektionsfälle melden, haben sich im nahen West Virginia nur 723 Menschen nachweislich mit dem Virus angesteckt.

Viele Gouverneure und Gesundheitsexperten warnen davor, dass sich eine zweite Welle von Coronavirus-Infektionen ausbreiten könnte, wenn sich die Geschäftsbedingungen zu schnell wieder normalisieren.

Einen Schuldigen für die desaströse Situation hat der US-Präsident ohnedies ausgemacht. Trump hatte in der letzten Woche der Weltgesundheitsorganisation Schuld an der Ausbreitung von Sars-CoV-2. Mitten in der Pandemie lässt er Mittel an die UN-Organisation stoppen.

Die Amerikaner protestieren gegen die Schließungen, da sie um ihre Jobs fürchten

Seine Regierung werde in den kommenden 60 bis 90 Tagen prüfen, welche Rolle die WHO bei der „schlechten Handhabung und Vertuschung der Ausbreitung des Coronavirus“ gespielt habe, teilte US-Präsident Donald Trump bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus mit. Bis dahin habe er seine Regierung angewiesen, die Beitragszahlungen auszusetzen. Trump machte die WHO indirekt für den Tod Tausender Menschen verantwortlich. „Die WHO hat in ihrer grundlegenden Pflicht versagt und muss zur Rechenschaft gezogen werden“, sagte der US-Präsident. Er warf der Weltgesundheitsinformation vor, „viele falsche Informationen“ zu den Übertragungswegen und der Sterblichkeit durch das Coronavirus verbreitet zu haben. „Hätte die WHO ihren Job gemacht und medizinische Experten nach China geschickt, um die Situation vor Ort objektiv zu beurteilen, und hätten sie den chinesischen Mangel an Transparenz angeprangert, hätte der Ausbruch an seiner Quelle mit sehr wenigen Toten eingedämmt werden können“, kritisierte Trump. Die WHO habe stattdessen jedoch die „Aktionen der chinesischen Regierung verteidigt“.

Bereits in der vergangenen Woche hatte Trump der WHO schwere Vorwürfe gemacht und erklärt, die Organisation habe es in der Pandemie „wirklich vermasselt“. Nur Einigkeit helfe, „wenn man nicht noch viel mehr Leichensäcke“ riskieren wolle, erklärte die WHO in Reaktion auf Trumps Attacke.

Dabei war Trump selbst der größte Leugner der Gefahr: „Betrachten Sie es einfach wie die Grippe“, hatte der Präsident in Washington just an jenem Tag seinen Bürgern empfohlen, als sich die feiernden Massen durch die berühmte Bourbon Street wälzten. Zwei Tage später sagte der Präsident jenen Satz, in dem sich seine ganze Fahrlässigkeit im Umgang mit der Krise ausdrückt: „Eines Tages wird es einfach verschwinden, wie durch ein Wunder.“

Einer von Italiens führenden Coronavirus-Experten hat Trump vor der Entlassung von Gesundheitsberater Anthony Fauci gewarnt. Dies wäre eine katastrophale Nachricht nicht nur für die USA, sondern für die gesamte internationale Gemeinschaft, schrieb der Mediziner Giuseppe Ippolito in einem Brief an Italiens Präsident Sergio Mattarella.

Der Immunologe Fauci ist Direktor des Nationalen Instituts für Infektionskrankheiten in den USA und iTrumps Berater in der Corona-Krise. Nachdem er angedeutet hatte, dass strengere Maßnahmen in den USA mehr Leben hätte retten können, schickte Trump einen Tweet mit dem Hashtag #FireFauci weiter. Damit beförderte er Spekulationen über eine Ablösung des Mediziners. Am Montag machte der US-Präsident aber klar, dass er zu Fauci stehe. Wie lange, ließ er offen. (mit dpa)