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„Geld wie Heu, aber Ideen wie Stroh“Koalitionsvertrag trifft auf Gegenwind – Stimmen aus der Opposition

Lesezeit 4 Minuten
Ines Schwerdtner und Heidi Reichinnek halten Kopien des Koalitionsvertrages mit dem veränderten Schriftzug „Verantwortungslos für Deutschland“ hoch.

Ines Schwerdtner und Heidi Reichinnek halten Kopien des Koalitionsvertrages mit dem veränderten Schriftzug „Verantwortungslos für Deutschland“ hoch.

Knapp sechs Wochen nach der Bundestagswahl steht der neue Koalitionsvertrag. Parteien aus der Opposition üben scharfe Kritik.

CDU, CSU und SPD haben ihre Verhandlungen über die Bildung einer neuen Regierung abgeschlossen und sich auf einen Koalitionsvertrag verständigt. Jetzt fehlt nur noch die Zustimmung der Parteien, und dann kann Friedrich Merz zum Kanzler gewählt werden. Doch die Zuversicht scheinen CDU, CSU und SPD aktuell alleine zu teilen. Aus der politischen Opposition hagelt es scharfe Kritik für den neu verhandelten Koalitionsvertrag.

FDP-Politiker Christian Dürr bemängelt besonders einen fehlenden Politikwechsel: „Deutschland wird zukünftig von Mutlosigkeit regiert. Mit dem Koalitionsvertrag steht es schwarz auf weiß: Mit Friedrich Merz und seiner schwarz-roten Koalition bleibt der versprochene Politikwechsel aus.“

Ihm fehle es an „echten Reformen“ und außerdem würden sogar noch ein zusätzliches Ministerium und Posten für Staatsminister geschaffen. „Dass erst 2032 die Unternehmenssteuern wirklich gesenkt werden sollen, ist angesichts der Krise völlig unverständlich und es steht in den Sternen, ob das überhaupt kommt“, so der FDP-Politiker. Dürr will in die Fußstapfen von Christian Lindner treten, und neuer Vorstand der FDP werden.

Die Linke über Koalitionsvertrag: „CDU und SPD ducken sich weg“

Die Linke hat das von Union und SPD vorgestellte Papier als „Koalitionsvertrag der Ignoranz und Hoffnungslosigkeit“ bezeichnet. Der Koaltionsvertrag würde die Probleme der Menschen im Land nicht lösen, sagte Parteichefin Ines Schwerdtner in einer Pressekonferenz. SPD und Union fehlten „echter Gestaltungswille und der Mut für echte Verbesserungen“.

„Wir müssen endlich die zur Kasse bitten, die es sich leisten können“, fügte Schwerdtner hinzu. „CDU und SPD dagegen ducken sich weg - und lassen somit Millionen Menschen mit ihren realen Alltagssorgen allein.“

AfD-Spitze spricht von „Kapitulationsurkunde des Friedrich Merz“

Auch die AfD-Spitze ließ den neuen Koalitionsvertrag nicht unkommentiert. Alice Weidel und Tino Chrupalla sagten gemeinsam in einem Statement: „Dieser Koalitionsvertrag ist die Kapitulationsurkunde des Friedrich Merz. Das Papier trägt durchgehend die Handschrift des Wahlverlierers SPD, gespickt mit Verbeugungen vor den Grünen, die in diesem Kabinett immer mit am Tisch sitzen werden. Es ist ein Dokument des ‚Weiter so‘, das keine Lösungen für die großen Zukunftsfragen unseres Landes zu bieten hat. Es ist keine Abkehr von der E-Auto-Planwirtschaft in Sicht, die unsere Schlüsselindustrie ruiniert. Energie bleibt teuer, weil Kernenergie und günstiges Gas Tabuthemen bleiben.“

Die Grünen haben den am Mittwoch vorgestellten Koalitionsvertrag von Union und SPD als „große Enttäuschung“ angesichts der aktuellen Probleme kritisiert. Deutschland und die Welt kämpften mit drei zentralen Herausforderungen - dem Kollaps der Ökosysteme, der Erosion der regelbasierten Ordnung in der Welt und dem Erstarken des Rechtsextremismus, sagte Parteichef Felix Banaszak in Berlin. Auf all das habe die künftige Regierungskoalition nicht „den Hauch einer Antwort“.

„Diese Koalition hat Geld wie Heu, aber Ideen wie Stroh“

So würden die Klimaziele aufgeweicht, das Ende des Verbrenners in Frage gestellt und der Kohleausstieg verzögert. Banaszak beklagte vor dem Hintergrund des kürzlich beschlossenen Sondervermögens in Höhe von 500 Milliarden Euro außerdem einen „fehlenden politischen Willen, dieses Milliardenvermögen einzusetzen“. Ko-Chefin Franziska Brantner ergänzte: „Diese Koalition hat Geld wie Heu, aber Ideen wie Stroh.“

Sie beklagte außerdem, dass die künftige Regierung mit ihren Plänen die junge Generation im Stich lasse und nannte die Themenbereiche Renten, Bildung und Innovation. „Nicht ist konkret geregelt, alles wird vertagt“, fügte sie mit Blick auf eine Reihe von geplanten Expertenkommissionen zu verschiedenen Themen hinzu.

„Der vorliegende Koalitionsvertrag verpasst die Chance, eine der zentralen Herausforderungen unserer Zeit anzugehen: die Stabilisierung der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung“, beklagte außerdem die Grünen-Abgeordnete Laura Piechotta. So fehle etwa im Gegensatz zum Papier der Arbeitsgruppe die Zusage, versicherungsfremde Leistungen aus Steuermitteln zu finanzieren und den Bundeszuschuss zu dynamisieren. Stattdessen gebe es „unverbindliche Floskeln und der Verweis auf eine Kommission, die teilweise erst 2027 konkrete Vorschläge liefern soll“. Das zu spät und zu vage.

Sahra Wagenknecht fehlt Antwort auf Wirtschaftskrise und Handelskrieg

BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht sieht die Koalitionsvereinbarung von Union und SPD sehr kritisch. „Der Koalitionsvertrag gibt keine Antwort auf Wirtschaftskrise und Handelskrieg“, erklärte die Bundesvorsitzende des Bündnisses Sahra Wagenknecht.

„So droht ein drittes und viertes Rezessionsjahr unter Schwarz-Rot: die Merzession.“ Damit werde der künftige Kanzler Friedrich Merz die AfD weiter stärken. Wagenknecht forderte „vernünftige Abgeordnete“ und die Basis von Union und SPD auf, den Koalitionsvertrag zu stoppen. (ph mit dpa und afp)