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Kommentar

Koalitionsvertrag
Söders Machtanspruch könnte zum Problem für CDU und SPD werden

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Lesezeit 3 Minuten
09.04.2025, Berlin: Markus Söder (l-r), Ministerpräsident von Bayern und CSU-Vorsitzender, Friedrich Merz, Unions-Kanzlerkandidat und CDU-Bundesvorsitzender, Lars Klingbeil, SPD-Fraktions- und Bundesvorsitzender, und Saskia Esken, SPD-Bundesvorsitzende, geben eine Pressekonferenz der Parteivorsitzenden von Union und SPD zur Vorstellung des Koalitionsvertrages im Paul-Löbe-Haus. Foto: Michael Kappeler/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Markus Söder (l.) gibt sich am Mittwoch (9. April) bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags gut gelaunt.

Union und SPD einigen sich auf einen Vertrag, der eine ganze Reihe an Gummi-Formulierungen enthält. Das Bündnis wird viel Disziplin brauchen.

Drei zentrale Botschaften hat der künftige Kanzler Friedrich Merz bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags: Für die Wirtschaft soll es mit einem Investitionsbooster bergauf gehen, beim Thema Migration möchte er seine Wahlversprechen einlösen und Europa könne sich auf Deutschland verlassen.

Wenn es der neuen Koalition gelingen sollte, auf diesen Feldern in den ersten Monaten ihrer Regierungszeit tatsächlich einen Schub nach vorn zu organisieren, dann sollte sich die große Skepsis, die diesem Bündnis schon vor seinem Start entgegenschlägt, zumindest in Teilen in Vertrauen wandeln.

CDU und SPD wird das Lachen vergehen

Voraussetzung, dass das gelingt: Union und SPD müssen vom ersten Tag an liefern und dürfen keinesfalls in den Ampel-Modus von Streit, Kompromiss, neuer Streit verfallen. Die Chance dazu ist da. Allerdings enthält der Koalitionsvertrag von Mindestlohn über Cannabis bis Wahlrecht viele Gummi-Formulierungen, an denen sich Streit entzünden kann. Die launige Darbietung des CSU-Chefs bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags sorgte für viele Lacher. Der dahinter stehende Machtanspruch des Politikers aus Bayern könnte noch dafür sorgen, dass den Koalitionspartnern das Lachen vergeht.

Die Zuständigkeiten für die Ministerien sind zwischen den künftigen Koalitionären so aufgeteilt, dass alle Parteien die Chance haben, sich mit den ihnen besonders wichtigen Themen zu profilieren. So geht das Innenministerium an die CSU, die dort ihre Vorstellungen von innerer Sicherheit und Migration umsetzen kann. Das Finanzministerium bekommt erneut die SPD, was Lars Klingbeil die Möglichkeit eröffnet, in diesem Amt ein starker Vizekanzler zu werden. Die CDU wiederum wird das Außenamt besetzen, was dem designierten Kanzler Merz die Möglichkeit eröffnet, seine Außenpolitik aus einem Guss zu gestalten. In international derart dramatischen Zeiten ist das eine sinnvolle Lösung.

Der Start der Koalition ist nicht günstig

Der Start dieser Koalition ist nicht günstig. Seit der Bundestagswahl vor sechs Wochen sind Union und SPD gemeinsam in den Umfragen um rund fünf Prozentpunkte abgesackt. Da droht eine Regierung, die noch gar nicht im Amt ist, schon abgestraft zu werden. Union und SPD stehen also unter Druck, schnell und einig eine Stimmung von Aufbruch, Problemlösung und auch Politikwechsel zu erzeugen. Am besten kann das mit dem Einlösen der Wahlversprechen zur Sanierung der Infrastruktur, zur Entbürokratisierung und zur inneren Sicherheit gelingen. Wenn in Deutschland die Brücken für Autos und Züge wieder stabil werden, kann sich auch die politische Stimmung stabilisieren.

Zentrales Ziel der Regierung muss es sein, trotz des Kriegs in der Ukraine und trotz der sich anbahnenden Weltwirtschaftskrise durch Trumps Zollpolitik aus der sich in Deutschland verbreiteten Endzeitstimmung heraus zu steuern. Die europäischen Demokratien sind durch Russland, China und USA sowie durch radikale Kräfte im Inneren unter Druck wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Dennoch macht das Gerede von der letzten Patrone der Demokratie wenig Sinn – außer, dass es zu einer sich selbsterfüllenden Prophezeiung werden kann.

Es braucht jetzt vielmehr den so oft geforderten Ruck. Von den neuen Koalitionären kann man erwarten, dass sie konsequent Reformen anschieben, ihre Meinungsverschiedenheiten zivilisiert austragen und Kompromisse zum Wohle des Landes finden. Aber selbst eine mustergültig agierende Regierung wird den festgefahrenen Karren Deutschland nicht allein aus dem Morast ziehen können. Dafür braucht es die Bereitschaft in der Bevölkerung, auch - wie es Merz zwischen den vielen blumigen Botschaften formuliert hat – unbequeme Entscheidungen mitzutragen.