Gute ErnteGetreide profitiert von warmem Wetter
Düsseldorf –
Sie ist erst seit wenigen Monaten im Amt. In ihrem Büro, das sich in der zehnten Etage des gläsernen Hochhauses „Stadttor“ in Düsseldorf befindet, hängen noch keine Bilder. Ihren ersten großen Pressetermin zur Ernte-Bilanz kann Silke Gorißen, die neue Agrarministerin von NRW, aber mit einer äußerst erfreulichen Nachricht eröffnen. „In diesem Jahr wurden in NRW bislang insgesamt 3,93 Millionen Tonnen Getreide geerntet - das sind rund elf Prozent mehr als noch 2021“, sagte die CDU-Politikerin vor Journalisten in der Landeshauptstadt.
„Die Versorgung mit Brot- und Futtergetreide ist gesichert.“ Gorißen dankte den Bauern und ihren Familien für den besonderen Einsatz: „Sie haben die Voraussetzung dafür geschaffen, dass es „beim Bäcker genügend Brot gibt und die Kühlschränke gefüllt sind.“ Sorgen machen den Landwirten allerdings die Kulturen, die erst im Herbst geerntet werden. Dazu zählen vor allem Kartoffeln, Mais und Zuckerrüben.Sie leiden unter der aktuellen Trockenheit.
Anders als viele andere Nationen ist Deutschland von den Ernteausfällen durch den Ukraine-Krieg nicht betroffen. Die Landwirte würden traditionell nicht nur für den Eigenbedarf, sondern auch für den Export produzieren, hieß es. Die höheren Preise, die auf dem Weltmarkt für Getreide gezahlt werden, befeuern aber auch bei uns die Inflation. „Die Preissteigerungen an den Brottheken resultieren vor allem aus den drastischen Kostensteigerungen für die Beschaffung von Energie und Düngemitteln“, sagte Karl Werring, Präsident der Landwirtschaftskammer NRW.
So viel Weizen wie seit sechs Jahren nicht mehr
Beim Weizen fiel das Ernteergebnis besonders erfreulich aus. Die Landwirte ernteten 2,15 Millionen Tonnen – das sind 17,5 Prozent mehr als im Vergleich zum Vorjahr und außerdem der höchste Ertrag einer Weizenernte seit 2016. Grund für das Ergebnis waren die optimalen Wachstumsbedingungen. „Die Niederschläge, die im Februar gefallen sind, haben die spätere Wasser- und Nährstoffversorgung begünstigt. Der warme und sonnige März hat dazu geführt, dass das Getreide im Frühjahr ordentlich wachsen konnte“, so Werring.
Früher habe sich die Ernte bis in den September gezogen – in diesem Jahr sei sie zum Teil schon Ende Juli abgeschlossen gewesen. Weil in den Sommermonaten kaum Regen fiel, sei auch die aufwendige Trocknung entfallen. Beim Roggen ist der Ertrag mit rund sieben Tonnen je Hektar etwa zwei Prozent höher als im Vorjahr. Der Ertrag von Hafer liegt in diesem Jahr bei 5,7 Tonnen - das sind rund 24 Prozent Steigerung gegenüber dem Jahr 2021.
Mais und Kartoffeln brauchen dringend Regen
Getrübt werden die positiven Nachrichten allerdings von der Lage bei Kartoffeln, Mais, Zuckerrüben und Obst. Die Hitze und Trockenheit seit dem Frühsommer hat die Bedingungen für das Wachstum deutlich verschlechtert. Kulturen, die noch auf dem Feld stehen, brauchen dringend Regen. Auf leichten, sandigen Böden ist der Mais teilweise schon vollständig verdorrt. Auch das Grünland leidet stark unter der aktuellen Trockenheit und Hitze. Die ersten Schnitte im Frühjahr seien noch ergiebig gewesen. „Im Spätsommer ist das Pflanzenwachstum aber fast im ganzen Land zum Stillstand gekommen“, hieß es.
Angesicht der angespannten Situation auf den internationalen Getreidemärkten setzt sich Agrarministerin Gorißen dafür ein, ausbleibende Agrarexporte aus der Ukraine durch die Bereitstellung zusätzlicher Anbauflächen in NRW abzufedern. Ursprünglich war von der EU geplant, 40 000 Hektar Acker in NRW stillzulegen, um den Artenschutz zu fördern. Auf diesen Flächen könnten bis zu 300 000 Tonnen Getreide geerntet werden. Nun gelang es, die Verschiebung der für 2023 geplanten Stilllegungsverpflichtung zu erwirken.
Längere Dürreperioden erwartet
Dietmar Brockes, Agrarexperte der FDP, sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, die Landwirte müssten sich auch in Zukunft auf längere Dürreperioden einstellen. „Im Zuge der Klimaanpassung brauchen wir in Zukunft Getreidesorten, die besser mit Hitzestress umgehen können. Hier können neue Züchtungsmethoden ein Werkzeug von vielen sein“, so der Politiker vom Niederrhein. Dank digitaler Technologien könne bereits heute wassersparend und effizienter auf den Äckern gewirtschaftet werden.
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Auch die SPD warnte vor den Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft. „Schwankungen beim Ernteertrag hat es immer gegeben. Neu ist die Sorge, dass durch anhaltende Dürren und drohende Starkregenereignisse die Ausnahmen zur Regel werden und wir uns nicht mehr ausreichend selbst versorgen können“, sagte René Schneider, umweltpolitischer Sprecher der Sozialdemokraten, unserer Zeitung. Das Land müsse deshalb die Landwirte unterstützen, die sich aktuell auf die neue Situation einstellen würden: „Dazu braucht es ein landesweites Wassermanagement, das die Beregnung der Pflanzen sicherstellt. Gleichzeitig müssen die Bewässerungssysteme sparsamer und effektiver werden. Zudem braucht es Forschung darüber, wie sich die landwirtschaftliche Produktion an veränderte Klimabedingungen anpassen lässt.“