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Kommentar

Rechtsextremismus
Hanau fünf Jahre später – Warum das Attentat erschreckend aktuell ist

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Lesezeit 3 Minuten
Angehörige stehen während der Gedenkfeier im Jahr 2020 für die Opfer des Anschlags vor einem Grabstein. Ein 43-jähriger Deutscher hatte am 19. Februar 2020 insgesamt neun Menschen aus rassistischen Motiven getötet.

Angehörige stehen während der Gedenkfeier im Jahr 2020 für die Opfer des Anschlags vor einem Grabstein. Ein 43-jähriger Deutscher hatte am 19. Februar 2020 insgesamt neun Menschen aus rassistischen Motiven getötet.

Ein Deutscher brachte am 19. Februar 2020 neun andere junge Menschen aus rassistischen Gründen um. Der Fall ist in Vergessenheit geraten.

Das Erschrecken war groß. Als Tobias R. am 19. Februar 2020 im hessischen Hanau neun junge Menschen aus rassistischen Motiven erschoss sowie anschließend seine Mutter und sich selbst tötete, da schien die Republik für ein paar Stunden stillzustehen. Dies galt umso mehr, als sich ein Jahr zuvor der Anschlag auf die Synagoge in Halle mit zwei Todesopfern und das Attentat auf Kassels Regierungs­präsidenten Walter Lübcke ereignet hatten. Der Rechts­extremismus zeigte, wozu er fähig ist.

Fünf Jahre nach Hanau scheint es so, als sei das Thema erledigt. Denn heute stehen die Angriffe von Mannheim, Solingen, Magdeburg, Aschaffenburg und München im Mittelpunkt und die Frage, ob sie das Ergebnis einer falschen Migrations­politik sind. Tatsächlich hat sich die rechts­extremistische Bedrohung aber keineswegs erledigt.

Vater des Hanau-Attentäters terrorisiert Hinterbliebene

Das zeigt sich nach wie vor in Hanau. Dort terrorisiert der Vater des Hanau-Attentäters, Hans Gerd R., seit Jahren die Hinterbliebenen der Opfer. Erst Ende Oktober wurde der seinerzeit 77-Jährige zu einer Geldstrafe von 21.600 Euro verurteilt. Der Rentner sei „zweifelsohne rassistisch“, hieß es bei Gericht, und habe die Menschen­würde von Migranten „böswillig verächtlich gemacht“. Das Gericht lehnte es jedoch ab, den Mann zu inhaftieren, und fand, sein Handeln sei „etwas, was die Gesellschaft ertragen muss“. Das wiederum ist schwer zu ertragen.

Dass sich Taten wie jene in Hanau wieder ereignen können, bewies zuletzt die Tat eines 35-Jährigen im schwedischen Örebro, der in einem Bildungszentrum sieben Frauen und drei Männer umbrachte – darunter Menschen mit Wurzeln in Syrien, Eritrea und Bosnien-Herzegowina. Ähnliches geschah 2016 im Münchner Olympia-Einkaufs­zentrum.

Täter bei Anschlägen sind immer Männer

Überhaupt gibt es zwischen all den Anschlägen von Rechts­extremisten, Islamisten oder psychisch labilen Amok­läufern mit oder ohne Migrations­hintergrund ein verbindendes Element. Die Täter sind immer Männer. Nur spielt das in der öffentlichen Debatte fatalerweise keine Rolle – weil die Hälfte der Bevölkerung aus Männern besteht. Gewalttaten sind dabei oft Folge gesellschaftlicher Isolation und psychischer Not und werden von den Tätern politisch aufgeladen. Sonst müssten sie ja ihre Isolation und ihre Not bekennen und um Hilfe bitten.

Hanau ist und bleibt aktuell. Auch wenn in den vergangenen Monaten die Gewalttaten von Islamisten und psychisch auffälligen Migranten die Republik erschüttert haben: Gewalt und Terror durch Rechtsradikale sind statistisch gesehen die größte Gefahr im Spektrum der politischen Gewalt­kriminalität. Das darf man auch in einer aufgeheizten Debatte um Konsequenzen aus den aktuellen Anschlägen nicht vergessen.

Diese Debatte setzt auch die Gemeinschaft der Migrantinnen und Migranten unter Druck. Auch deshalb ist es wichtig, der Opfer zu gedenken.