Letzten Donnerstag hatte der Iran bereits ein Todesurteil wegen der Beteiligung an den Protesten gegen das Regime vollstreckt. Die EU-Außenminister wollen die Sanktionen nun verschärfen.
Öffentlich gehängt Empörung nach zweiter Hinrichtung im Iran – EU beschließt weitere Sanktionen
Im Iran ist nach Angaben der Staatsmedien ein zweiter Demonstrant im Zuge der systemkritischen Proteste hingerichtet worden. Der wegen „Kriegsführung gegen Gott“ angeklagte Madschid-Resa Rahnavard wurde am Montag in der Stadt Maschad im Nordosten des Landes öffentlich gehängt, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Irna.
Demonstrant im Iran: Innerhalb von 26 Tagen angeklagt, zum Tode verurteilt und hingerichtet
Die Nachrichtenagentur afp veröffentlichte Bilder, die Rahnavard am Strick meterhoch in der Luft an einem Kran aufgehängt zeigen. Mehrere Personen wohnten der Hinrichtung demnach bei. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ verzichtet aus Respekt vor dem Getöteten darauf, die Bilder zu zeigen.
Der Mann soll während der Proteste im November zwei Mitglieder der berüchtigten paramilitärischen Basidsch-Miliz mit einem Messer ermordet haben. Das Gericht hatte ihm „Kriegsführung gegen Gott“ vorgeworfen und gemäß iranischer Rechtsauffassung zum Tode verurteilt.
Iran: Aktivisten befürchten Massenhinrichtungen
Rahnavard war nach Angaben des Nachrichtenportals Mizan am 17. November verhaftet worden. Innerhalb von 26 Tagen wurde er angeklagt, zum Tode verurteilt und hingerichtet. Einen rechtlichen Beistand hatte er Online-Berichten zufolge nicht. Die EU-Außenminister haben in einer ersten Reaktion angekündigt, die Sanktionen gegen Teheran verschärfen zu wollen.
Aktivisten haben nach der zweiten Hinrichtung unterdessen vor Massenexekutionen gewarnt. Es bestehe die „ernste Gefahr von Massenhinrichtungen von Demonstranten“, sagte der Direktor der in Oslo ansässigen Menschenrechtsorganisation Iran Human Rights (IHR), Mahmood Amiry-Moghaddam, am Montag.
Iran: Bereits in der letzten Woche Demonstrant hingerichtet
Bereits am letzten Donnerstag war der Rap-Musiker Mohsen Shekari hingerichtet worden. Er soll ein Basidsch-Mitglied mit einer Waffe angegriffen, Schrecken verbreitet und eine Straße blockiert haben. Seine Hinrichtung wurde im In- und Ausland scharf verurteilt.
Insgesamt stehen Medienberichten zufolge mindestens 25 Demonstranten auf der Todesliste der iranischen Justiz – zwei von ihnen wurden bereits hingerichtet. Berichten zufolge sollen die Todesurteile von zwei weiteren Männern unterdessen bestätigt worden sein, das schrieb die Journalistin Gilda Sahebi am Sonntagabend auf Twitter.
Eine weitere Hinrichtung wurde Medienberichten zufolge vorläufig verschoben. Der ebenfalls wegen „Kriegsführung gegen Gott“ verurteilte Mahan Sadrat sollte demnach am Sonntag im Radschaei-Schahr Gefängnis westlich der Hauptstadt Teheran gehängt werden. Der 23-Jährige soll während der Proteste ein Basidsch-Mitglied mit einem Messer verletzt und dessen Motorrad angezündet haben.
Iran: Hinrichtung sorgt für internationale Empörung
Auch die zweite Hinrichtung sorgte am Montagmorgen unterdessen für internationale Empörung. „Madschid-Resa Rahnavard wurde hingerichtet, weil er friedlich demonstrierte. Mit diesem Mörder-Regime kann nicht mehr verhandelt werden“, schrieb die Journalistin Düzen Tekkal auf Twitter. „Jetzt braucht es maximalen Druck!“
„So probiert ein kriminelles und brutales Regime die Rufe nach Freiheit verstummen zu lassen“, kommentierte unterdessen die Historikerin Nina Ansary. Auch die bekannte iranische Journalistin Masih Alinejad forderte nach der Hinrichtung Rahnavards Konsequenzen.
Rufe nach Konsequenzen folgen auf weitere Hinrichtung im Iran: „EU! Zieht eure Botschafter ab“
„EU! Zieht eure Botschafter ab“, forderte Alinejad auf Twitter. „Ein weiterer Morgen, ein weiterer Mord unter der Islamischen Republik“, schrieb sie weiter. Es seien „Scheinprozesse“, die „Methode des Regimes“, mit den Protesten umzugehen, sei, „alle Oppositionellen zu töten“.
Auch im Iran löste die Nachricht von der Hinrichtung landesweit Empörung und Wut aus. „Wer Wind sät, wird Sturm ernten“ oder „Wir werden das Blut der Unschuldigen rächen“ waren wütende Reaktionen der Systemgegner in sozialen Medien. Die regierungsnahe Tageszeitung „Resalat“ schrieb hingegen: „Begnadigung ist gut, aber im Islam ist Gerechtigkeit wichtiger“.
Annalena Baerbock: „Es drohen weitere Hinrichtungen, es drohen weitere Einschüchterungsversuche“
„Es drohen weitere Hinrichtungen, es drohen weitere Einschüchterungsversuche“, sagte Außenministerin Annalena Baerbock am Montag am Rande eines Treffens mit ihren EU-Kollegen in Brüssel. Die Grünen-Politikerin verurteilte die beiden bereits vollstreckten Todesurteile scharf. „Diese Hinrichtungen sind ein unverhohlener Einschüchterungsversuch – nicht dafür, dass Menschen Verbrechen begangen haben, sondern allein dafür, dass sie ihre Meinung auf die Straße tragen, allein dafür, dass sie wie wir in Freiheit leben wollen“, sagte Baerbock.
„Daher haben wir heute ein weiteres Sanktionspaket auf den Weg gebracht, das sich insbesondere an diejenigen richtet, die für diese unglaublichen Verbrechen verantwortlich sind“, sagte Baerbock weiter. Im Visier seien insbesondere die Revolutionsgarden des Landes. Die Gespräche zum Atomabkommen mit dem Iran liegen nach Baerbocks Worten zudem de facto auf Eis: Es habe seit fast einem Jahr keine wirklichen Verhandlungen mit dem Iran mehr gegeben – und daran werde sich aktuell „auch definitiv nichts ändern“, betonte sie.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sprach von einem „sehr harten Sanktionspaket“. Die EU-Außenminister beschlossen die neuen Strafmaßnahmen am Nachmittag. Diplomaten zufolge sollen insgesamt fast 30 weitere Verantwortliche und Einrichtungen mit Vermögens- und Einreisesperren belegt werden. (mit afp)